Berlin. Die Kommunen äußern heftige Kritik an der Bildungspolitik der Regierung. Eine Ganztagsbetreuung in Grundschulen sei „kaum erfüllbar“.

Die Kommunen fordern von der großen Koalition eine Absage an das Recht auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen und mahnen eine realistischere Bildungspolitik an. „Es macht wenig Sinn, einen Rechtsanspruch zu formulieren, wenn absehbar ist, dass er kaum erfüllbar sein wird“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, unserer Redaktion.

Die Kommunen könnten dies inhaltlich, organisatorisch, personell und finanziell nicht leisten. „Nicht alles, was wünschenswert ist, ist mittelfristig umsetzbar“, sagte Landsberg. Insgesamt verspreche die große Koalition eine „massive Personalausweitung in allen denkbaren Bereichen“. Die Politik müsse aufhören, den Eindruck zu vermitteln, Deutschland sei eine ewige Insel des Wohlstandes, so der Hauptgeschäftsführer. „Teilweise wird eine ,All-inclusive- Mentalität‘ propagiert, die vom Staat niemals erfüllt werden kann.“

Die Kosten liegen bei bis zu 18 Milliarden Euro

Landsberg weist darauf hin, dass es überhaupt nicht genug Bewerber gebe, um eine Ganztagsbetreuung in Grundschulen und Kitas zu gewährleisten. Bis zum Jahr 2025 seien mehr als 600.000 Erzieher und Lehrer nötig, um „den flächendeckenden Anspruch der Eltern auf Betreuung in Grundschule und Kita erfüllen zu können“, sagte er. Die Kosten für eine flächendeckende Kindertagesbetreuung würden bei bis zu 18 Milliarden Euro liegen. Landsbergs bezieht sich hier auf Erhebungen des Deutschen Jugendinstituts.

Die große Koalition hat für diese Legislaturperiode zwei Milliarden Euro für den Ausbau der Ganztagsbetreuung von Grundschülern eingeplant. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: „Wir werden ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote für alle Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter ermöglichen. Wir werden deshalb einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für alle Kinder im Grundschulalter schaffen.“

Ein Platz in eine Ganztagsschule ist von den Eltern einklagbar

Schwarz-Rot steht mit dieser Idee nicht alleine da. Auch in den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition, die im November 2017 scheiterten, waren sich Union, FDP und Grüne darüber einig, Schülern der ersten bis vierten Klasse einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung zuzusichern. Mit einem Rechtsanspruch ist ein Platz in eine Ganztagsschule von den Eltern einklagbar.

Die Politik befürwortet Ganztagsschulen aus zwei Gründen. Erstens soll eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht werden. Zweitens gibt es auch einen pädagogischen Anspruch: Die Qualität der Lehre soll in Ganztagsschulen verbessert werden. Zudem wird laut Experten die Chancengleichheit erhöht, je mehr Unterricht und Betreuung ein Kind erhält. Seit dem „Pisa-Schock“ am Anfang des Jahrhunderts, als Deutschland in dem internationalen Ranking schlecht abschnitt, gilt die Ganztagsschule als ein Mittel gegen schlechte Bildung.

Drei Viertel der Eltern wünschen sich Ganztagsschulplatz für ihre Kinder

Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wünschen sich fast drei Viertel der Eltern in Deutschland (72 Prozent) einen Ganztagsschulplatz für ihre Kinder. Aktuell werden laut der Stiftung etwa 40 Prozent der Schüler in Deutschland ganztags unterrichtet beziehungsweise betreut. Die Einführung von Ganztagsschulen für 80 Prozent der Schüler im Jahr 2025 würde 15 Milliarden Euro für Investitionen in Gebäude und jährlich 2,8 Milliarden Euro für Pädagogen kosten.

Eine Ganztagsschule muss an mindestens drei Tagen in der Woche eine Betreuung von mindestens sieben Zeitstunden gewährleisten und zudem ein Mittagessen anbieten, so die Definition der Kultusministerkonferenz (KMK). Aktuell gibt es in Deutschland laut KMK gut 10.000 Grundschulen mit Ganztagsbetrieb.