Berlin. Olaf Scholz folgte auf Wolfgang Schäuble als Bundesfinanzminister. Im Interview erklärt er, warum er keine neuen Schulden machen will.

Als Olaf Scholz vor zehn Jahren Bundesarbeitsminister war, stand sein Schreibtisch in den Räumen des ehemaligen Nazi-Propagandaministeriums. Seit der SPD-Politiker vor zwei Wochen das Bundesfinanzministerium übernommen hat, arbeitet er in den Mauern des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums.

Um eine symbolische Grenze zu dieser Zeit zu ziehen, hat Scholz damals wie heute in seinem Amtszimmer Fotos des deutschen Pavillons auf der Weltausstellung 1958 aufgehängt. Sie zeigen ein modernes, zurückhaltend gestaltetes Gebäude, mit dem die Bundesrepublik sich nach der Nazizeit das erste Mal international präsentierte.

Die Schwarz-Weiß-Fotos sind so etwas wie sein steter Begleiter, auch während seiner Zeit im Hamburger Rathaus verzichtete er nicht auf sie.

Herr Scholz, durch den Umzug nach Berlin können Sie näher bei Ihrer Frau sein, die Bildungsministerin in Brandenburg ist. Vermissen Sie Hamburg schon?

Olaf Scholz: Natürlich, Hamburg ist meine Heimatstadt. Die „Leute von Hamburg“, wie Siegfried Lenz das mal beschrieben hat, sind pragmatische Leute. Ich verstehe mich mit ihnen gut und fühle mich bei ihnen sehr wohl.

Wie entspannen Sie in der Hauptstadt am besten?

Scholz: Zur Entspannung bin ich ja nicht hier, sondern zum Arbeiten. Meine Frau und ich leben zusammen in Potsdam. In den Parks dort kann man gut joggen gehen, das entspannt mich. Und natürlich haben wir noch unsere Hamburger Wohnung.

Sie sind kommissarischer Vorsitzender der SPD. Ist eine Partei mit einem Wahlergebnis von 20 Prozent und zum Teil noch schlechteren Umfragewerten noch eine Volkspartei?

Scholz: Selbstverständlich: Volkspartei zu sein ist ein Anspruch, Politik für alle zu machen. Die SPD ist eine Volkspartei. Sie hat sich 1959 im Godesberger Programm entschieden, offen zu sein für verschiedene politische und kulturelle Vorstellungen. Sie hat sich entschieden, eine Partei zu sein, der man die Regierung anvertraut. Das alles gilt. Jetzt arbeiten wir daran, wieder stärkste Partei zu werden.

Das ist das Bundeskabinett

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am 14. März 2018 zum vierten Mal zur Regierungschefin gewählt worden. Auch ihr Bundeskabinett aus SPD-, CDU- und CSU-Ministern wurde vereidigt. Wir stellen das Kabinett vor.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am 14. März 2018 zum vierten Mal zur Regierungschefin gewählt worden. Auch ihr Bundeskabinett aus SPD-, CDU- und CSU-Ministern wurde vereidigt. Wir stellen das Kabinett vor. © dpa | Gregor Fischer
Nach der Wahl im Bundestag wurde Merkel von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) zur Bundeskanzlerin ernannt.
Nach der Wahl im Bundestag wurde Merkel von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) zur Bundeskanzlerin ernannt. © Getty Images | Michele Tantussi
Ursula von der Leyen (CDU) bleibt Bundesverteidigungsministerin. Sie ist eine von drei Frauen aus der sechsköpfigen CDU-Ministerriege.
Ursula von der Leyen (CDU) bleibt Bundesverteidigungsministerin. Sie ist eine von drei Frauen aus der sechsköpfigen CDU-Ministerriege. © dpa | Wolfgang Kumm
Peter Altmaier (CDU) ist Wirtschaftsminister. Zuvor war der Merkel-Vertraute Bundesminister für besondere Aufgaben – der offizielle Name für den Posten, der kurz Kanzleramtsminister genannt wird.
Peter Altmaier (CDU) ist Wirtschaftsminister. Zuvor war der Merkel-Vertraute Bundesminister für besondere Aufgaben – der offizielle Name für den Posten, der kurz Kanzleramtsminister genannt wird. © imago/Metodi Popow | M. Popow
Anja Karliczek (CDU) ist Ministerin für Bildung und Forschung. Vor ihrer Vereidigung war sie Bundestagsabgeordente aus NRW.
Anja Karliczek (CDU) ist Ministerin für Bildung und Forschung. Vor ihrer Vereidigung war sie Bundestagsabgeordente aus NRW. © imago/photothek | Florian Gaertner/photothek.net
Jens Spahn (CDU) ist Gesundheitsminister. Zuvor war er parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium.
Jens Spahn (CDU) ist Gesundheitsminister. Zuvor war er parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium. © dpa | Kay Nietfeld
Julia Klöckner ist Landwirtschaftsministerin und gleichzeitig CDU-Vize sowie Mitglied im CDU-Bundesvorstand.
Julia Klöckner ist Landwirtschaftsministerin und gleichzeitig CDU-Vize sowie Mitglied im CDU-Bundesvorstand. © dpa | Andreas Arnold
Der CDU-Politiker Helge Braun, Jahrgang 1972, ist neuer Kanzleramtsminister.
Der CDU-Politiker Helge Braun, Jahrgang 1972, ist neuer Kanzleramtsminister. © imago/photothek | Inga Kjer/photothek.net
CSU-Chef Horst Seehofer, als bayerischer Ministerpräsident von seiner Partei nicht mehr gewollt, ist Innenminister. Die CSU handelte indes aus, dass das Innenministerium um die Bereiche Heimat und Bauen erweitert wird.
CSU-Chef Horst Seehofer, als bayerischer Ministerpräsident von seiner Partei nicht mehr gewollt, ist Innenminister. Die CSU handelte indes aus, dass das Innenministerium um die Bereiche Heimat und Bauen erweitert wird. © imago/IPON | Stefan Boness/Ipon
Die CSU stellt insgesamt drei Minister, darunter auch Andreas Scheuer, zuvor Generalsekretär seiner Partei: Der Politiker Jahrgang 1974 ist Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Die CSU stellt insgesamt drei Minister, darunter auch Andreas Scheuer, zuvor Generalsekretär seiner Partei: Der Politiker Jahrgang 1974 ist Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. © dpa | Kay Nietfeld
Gerd Müller (CSU) bekam seine Ernennungsurkunde als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ebenfalls von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Müller hatte das Amt auch schon im vorhergehenden Merkel-Kabinett inne.
Gerd Müller (CSU) bekam seine Ernennungsurkunde als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ebenfalls von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Müller hatte das Amt auch schon im vorhergehenden Merkel-Kabinett inne. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
Die SPD stellt insgesamt sechs Minister in der dritten großen Koalition unter Bundeskanzlerin Merkel. Olaf Scholz ist Finanzminister und der Vizekanzler. Der SPD-Politiker war zuvor Hamburgs Erster Bürgermeister und von 2002 bis 2004 SPD-Generalsekretär.
Die SPD stellt insgesamt sechs Minister in der dritten großen Koalition unter Bundeskanzlerin Merkel. Olaf Scholz ist Finanzminister und der Vizekanzler. Der SPD-Politiker war zuvor Hamburgs Erster Bürgermeister und von 2002 bis 2004 SPD-Generalsekretär. © imago/IPON | Stefan Boness/Ipon
Heiko Maas (SPD) ist in Merkel Kabinett Außenminister. Im Kabinett Merkel III hatte er zuvor das Amt des Justizministers inne.
Heiko Maas (SPD) ist in Merkel Kabinett Außenminister. Im Kabinett Merkel III hatte er zuvor das Amt des Justizministers inne. © dpa | Michael Kappeler
Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, ist Arbeits- und Sozialminister und bekam die entsprechende Urkunde vom Bundespräsidenten.
Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, ist Arbeits- und Sozialminister und bekam die entsprechende Urkunde vom Bundespräsidenten. © Getty Images | Michele Tantussi
Franziska Giffey (SPD), zuvor Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln, ist die neue Familienministerin.
Franziska Giffey (SPD), zuvor Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln, ist die neue Familienministerin. © dpa | Karlheinz Schindler
Svenja Schulze (SPD), bisher Generalsekretärin der NRW-SPD, hat nun den Posten als Umweltministerin inne.
Svenja Schulze (SPD), bisher Generalsekretärin der NRW-SPD, hat nun den Posten als Umweltministerin inne. © dpa | Rolf Vennenbernd
Und das sind die Staatsminister: SPD-Politiker Michael Roth ist Staatsminister für Europaangelegenheiten im Auswärtigen Amt.
Und das sind die Staatsminister: SPD-Politiker Michael Roth ist Staatsminister für Europaangelegenheiten im Auswärtigen Amt. © Getty Images | Carsten Koall
Die CSU-Politikerin Dorothee Bär ist Staatsministerin für Digitales und im Kanzleramt angesiedelt.
Die CSU-Politikerin Dorothee Bär ist Staatsministerin für Digitales und im Kanzleramt angesiedelt. © dpa | Karlheinz Schindler
SPD-Politikerin Katarina Barley übernahm zunächst das Justizministerium. Nach der Europawahl wechselt sie allerdings nach Brüssel.
SPD-Politikerin Katarina Barley übernahm zunächst das Justizministerium. Nach der Europawahl wechselt sie allerdings nach Brüssel. © imago/Reiner Zensen | Reiner Zensen
Neue Bundesjustizministerin wird Christine Lambrecht (SPD). Sie war zuvor parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion.
Neue Bundesjustizministerin wird Christine Lambrecht (SPD). Sie war zuvor parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion. © imago/Metodi Popow | M. Popow
Monika Grütters (CDU) bleibt Kulturstaatsministerin.
Monika Grütters (CDU) bleibt Kulturstaatsministerin. © Getty Images | Pascal Le Segretain
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering, Frau des früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, ist Staatsministerin für internationale Kulturpolitik.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering, Frau des früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, ist Staatsministerin für internationale Kulturpolitik. © dpa | Kay Nietfeld
Feierlicher Termin am 14. März 2018 im Schloss Bellevue in Berlin (v.l.n.r.): Helge Braun (CDU), Gerd Müller (CSU), Anja Karliczek (CDU), Jens Spahn (CDU), Katarina Barley (SPD, inzwischen nach Brüssel gewechselt), Julia Klöckner (CDU), Ursula von der Leyen (CDU), Heiko Maas (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Olaf Scholz (SPD), Horst Seehofer (CSU), Peter Altmaier (CDU), Hubertus Heil (SPD), Franziska Giffey (SPD), Andreas Scheuer (CSU) und Svenja Schulze (SPD).
Feierlicher Termin am 14. März 2018 im Schloss Bellevue in Berlin (v.l.n.r.): Helge Braun (CDU), Gerd Müller (CSU), Anja Karliczek (CDU), Jens Spahn (CDU), Katarina Barley (SPD, inzwischen nach Brüssel gewechselt), Julia Klöckner (CDU), Ursula von der Leyen (CDU), Heiko Maas (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Olaf Scholz (SPD), Horst Seehofer (CSU), Peter Altmaier (CDU), Hubertus Heil (SPD), Franziska Giffey (SPD), Andreas Scheuer (CSU) und Svenja Schulze (SPD). © dpa | Bernd von Jutrczenka
1/23

Braucht es ein neues Godesberger Programm, um mehr als 30 Prozent zu erreichen?

Scholz: Man muss uns zutrauen, das Land zu führen.

Andrea Nahles soll am 22. April als erste Frau den SPD-Vorsitz übernehmen. Braucht die SPD nicht auch eine Kanzlerkandidatin?

Scholz: Die Frage der Kanzlerkandidatur stellt sich jetzt nicht. Die Regierungsbildung ist gerade erst abgeschlossen worden, wir wollen die nächsten dreieinhalb Jahre ordentlich regieren. Mit Andrea Nahles an der Spitze der Bundestagsfraktion und bald auch der Partei schaffen wir ein starkes eigenes Kraftzentrum.

In die Fresse: Andrea Nahles ist die neue starke Frau an der SPD-Spitze

weitere Videos

    Es geht darum, Perspektiven zu entwickeln über den Alltag des Regierungshandelns hinaus. Unser Ziel ist es, dass der nächste Kanzler, die nächste Kanzlerin aus der SPD kommt.

    Nahles ist nicht die einzige Kandidatin für den Vorsitz. Wie groß sind die Chancen der Gegenkandidaten?

    Scholz: Andrea Nahles ist eine sehr kluge und überzeugende Kandidatin, und ich bin sicher, dass sie mit großer Mehrheit gewählt werden wird.

    Der zurückgetretene Parteichef Martin Schulz hat gesagt, er sei auch an den Strukturen seiner Partei gescheitert. Können Sie das verstehen?

    Scholz: Ich bin seit meinem 17. Lebensjahr in der SPD. Es ist eine tolle Partei mit vielen engagierten Mitgliedern.

    Das ist keine Antwort auf die Frage zu Martin Schulz.

    Scholz: Doch. Meine Antwort lautet: Die SPD ist eine gute Partei.

    Grünen-Chef Robert Habeck hat Schulz’ Bereitschaft, offen über das vergangene Jahr zu sprechen, als „Pornografie des Scheiterns“ bezeichnet. Im Buch „Die Schulz-Story“ werden ein rauer Ton und Machtkämpfe in der SPD-Führung beschrieben. Ist das sozialdemokratischer Stil?

    Scholz: Ich kenne das Buch nicht und werde es auch nicht lesen. Mir ist wichtig, dass die SPD im Team arbeitet, das ist guter Politikstil. Nach diesem Kriterium haben wir die neue Regierungsmannschaft aufgestellt.

    Die Karriere des Martin Schulz

    Martin Schulz steht für das Projekt Europa. Das Foto zeigt Schulz, damals EU-Parlamentspräsident, an einem seiner größten Tage – mit der Medaille des Friedensnobelpreises, die 2012 die Europäische Union als Institution erhielt.
    Martin Schulz steht für das Projekt Europa. Das Foto zeigt Schulz, damals EU-Parlamentspräsident, an einem seiner größten Tage – mit der Medaille des Friedensnobelpreises, die 2012 die Europäische Union als Institution erhielt. © REUTERS | REUTERS / NTB SCANPIX
    Europa ist für den Mann aus Würselen bei Aachen ein Herzensanliegen.
    Europa ist für den Mann aus Würselen bei Aachen ein Herzensanliegen. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Stephanie Lecocq
    Das „Projekt Europa“ begleitet Schulz nun von Berlin aus.
    Das „Projekt Europa“ begleitet Schulz nun von Berlin aus. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
    2013 überreichte Martin Schulz der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai den Sacharow-Preis des EU-Parlaments.
    2013 überreichte Martin Schulz der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai den Sacharow-Preis des EU-Parlaments. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
    Zusammen mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker (l.) bildete Martin Schulz jahrelang das Führungsduo der EU.
    Zusammen mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker (l.) bildete Martin Schulz jahrelang das Führungsduo der EU. © REUTERS | REUTERS / YVES HERMAN
    2016 erhielt Martin Schulz bei der Publishers Night in Berlin die „Goldene Victoria“.
    2016 erhielt Martin Schulz bei der Publishers Night in Berlin die „Goldene Victoria“. © imago/Agentur Baganz | imago stock&people
    Der Brexit der Briten war ein harter Schlag für Schulz. Das Foto zeigt ihn im September 2016 bei einem Treffen mit der neuen britischen Premierministerin Theresa May in London.
    Der Brexit der Briten war ein harter Schlag für Schulz. Das Foto zeigt ihn im September 2016 bei einem Treffen mit der neuen britischen Premierministerin Theresa May in London. © REUTERS | REUTERS / STEFAN WERMUTH
    Im September 2015 empfing Schulz als EU-Parlamentspräsident den Dalai Lama in Straßburg.
    Im September 2015 empfing Schulz als EU-Parlamentspräsident den Dalai Lama in Straßburg. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
    Papst Franziskus kam im November 2014 für eine Rede vor dem EU-Parlament nach Straßburg – und wurde natürlich begrüßt vom damaligen Hausherrn Martin Schulz.
    Papst Franziskus kam im November 2014 für eine Rede vor dem EU-Parlament nach Straßburg – und wurde natürlich begrüßt vom damaligen Hausherrn Martin Schulz. © Agenzia Romano Siciliani/EU | Patrick Hertzog
    Im November 2016 kündigte die SPD Schulz’ Wechsel von Brüssel nach Berlin an.
    Im November 2016 kündigte die SPD Schulz’ Wechsel von Brüssel nach Berlin an. © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    Das weckte in seiner Partei große Hoffnungen.
    Das weckte in seiner Partei große Hoffnungen. © dpa | Kay Nietfeld
    Nachdem Sigmar Gabriel seinen Rücktritt als SPD-Chef erklärt hatte, ...
    Nachdem Sigmar Gabriel seinen Rücktritt als SPD-Chef erklärt hatte, ... © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    ... ging Schulz ins Rennen als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2017.
    ... ging Schulz ins Rennen als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2017. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
    Trotzdem konnte Schulz im Wahlkampf nicht entscheidend punkten – so wie beim TV-Duell mit Kanzlerin Angela Merkel am 3. September in Berlin.
    Trotzdem konnte Schulz im Wahlkampf nicht entscheidend punkten – so wie beim TV-Duell mit Kanzlerin Angela Merkel am 3. September in Berlin. © dpa | Dpa
    Die Hoffnungen der Partei wurden enttäuscht. Die SPD fuhr ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl ein.
    Die Hoffnungen der Partei wurden enttäuscht. Die SPD fuhr ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl ein. © dpa | Wolfgang Kumm
    Die Parteispitze verständigte sich darauf, mit dem unterlegenen SPD-Kanzlerkandidat Schulz als Parteichef in die Opposition zu gehen und nicht mit der Union über eine neue Koalition zu verhandeln.
    Die Parteispitze verständigte sich darauf, mit dem unterlegenen SPD-Kanzlerkandidat Schulz als Parteichef in die Opposition zu gehen und nicht mit der Union über eine neue Koalition zu verhandeln. © dpa | Christian Charisius
    Schulz hatte sich im Wahlkampf immer wieder zuversichtlich gezeigt. Die volle Unterstützung hatte er von Ehefrau Inge.
    Schulz hatte sich im Wahlkampf immer wieder zuversichtlich gezeigt. Die volle Unterstützung hatte er von Ehefrau Inge. © Getty Images | Andreas Rentz
    Schulz in ungewöhnlichem Outfit: Auf einem seiner Wahlkampftermine besichtigte Schulz in Eckernförde (Schleswig-Holstein) eine Fischräucherei – und musste deshalb einen Hygieneanzug tragen.
    Schulz in ungewöhnlichem Outfit: Auf einem seiner Wahlkampftermine besichtigte Schulz in Eckernförde (Schleswig-Holstein) eine Fischräucherei – und musste deshalb einen Hygieneanzug tragen. © dpa | Carsten Rehder
    2017 war er zur Bundestagswahl angetreten, um Bundeskanzler zu werden. Doch nach der Wahl und den Koalitionsverhandlungen stand fest: Schulz schaffte den Wandel nicht.
    2017 war er zur Bundestagswahl angetreten, um Bundeskanzler zu werden. Doch nach der Wahl und den Koalitionsverhandlungen stand fest: Schulz schaffte den Wandel nicht. © dpa | Kay Nietfeld
    Am 13. Februar verkündete Schulz seinen Rücktritt. Olaf Scholz folgte als kommissarischer SPD-Chef.
    Am 13. Februar verkündete Schulz seinen Rücktritt. Olaf Scholz folgte als kommissarischer SPD-Chef. © Getty Images | Sean Gallup
    Was Schulz blieb, waren Hohn und Spott – wie hier beim Düsseldorfer Rosenmontagszug.
    Was Schulz blieb, waren Hohn und Spott – wie hier beim Düsseldorfer Rosenmontagszug. © dpa | Ina Fassbender
    Kein SPD-Chef, kein Außenminister – Marin Schulz blieb nur der Abgang.
    Kein SPD-Chef, kein Außenminister – Marin Schulz blieb nur der Abgang. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Und tschüss.
    Und tschüss. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    1/23

    Viele der SPD-Wähler sind zur AfD abgewandert. Steht die SPD nicht mehr für soziale Gerechtigkeit?

    Scholz: Die SPD steht für den Sozialstaat und den sozialen Zusammenhalt wie keine andere Partei in Deutschland. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die zentralen Zukunftsfragen zu beantworten: Wie stellen wir sicher, dass man mit einem normalen Einkommen gut leben kann, dass sich die Bürgerinnen und Bürger Wohnungen in boomenden Städten leisten können und ihre Rente reicht?

    Wie reagieren wir auf den Strukturwandel in den ländlichen Regionen, wo es oft schwer wird, einen Arzt zu finden? Wie gelingt es uns, jenen neue berufliche Perspektiven mit guten Einkommen zu bieten, deren jetzige Berufe durch den technologischen Wandel gefährdet sind? Wenn uns dies gelingt, werden wir gute Wahlergebnisse erzielen.

    Wenn das so ist, hätte jemand aus der SPD-Spitze nach Essen kommen können, als die dortige Tafel ankündigte, nur noch deutsche Neukunden aufzunehmen. Warum war keiner von Ihnen da?

    Scholz: Ihre Frage zeigt schon ein seltsames Verständnis von Politik. Viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind jeden Tag in Essen unterwegs und kennen sich dort gut aus.

    Ist das Symbolpolitik, wenn sich die Bundeskanzlerin in die Debatte über die Tafel einmischt?

    Scholz: Nein, viele Bürgerinnen und Bürger engagieren sich bei diesen Tafeln. Wer auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, ist arm und kann jede zusätzliche Hilfe gebrauchen. Unser Ziel muss es sein, dass möglichst viele ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können.

    Parteifreunde von Ihnen fordern ein „solidarisches Grundeinkommen“. Was verstehen Sie darunter?

    Scholz: Die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die über lange Zeit arbeitslos sind, muss sich deutlich verringern. Da gibt es schon Fortschritte, aber trotzdem finden nicht wenige noch immer keinen Job auf dem regulären Arbeitsmarkt. Darum haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, vier Milliarden Euro für einen sozialen Arbeitsmarkt auszugeben. Darüber diskutieren wir jetzt.

    Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und SPD-Vizechef Ralf Stegner zielen mit dem Vorschlag eher auf ein Ende von Hartz IV. Stellt die SPD das Prinzip „Fördern und Fordern“ infrage?

    Scholz: Nein, auch Herr Müller und Herr Stegner stellen das Prinzip des Förderns und Forderns nicht infrage. Es geht um die Ausgestaltung des sozialen Arbeitsmarkts.

    Die Arbeitgeber sprechen von „künstlicher Beschäftigung“, bei der es nicht mehr darum gehe, die Ursachen von Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

    Scholz: Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, der Bundesarbeitsminister und viele andere Fachleute beschreiben den Umstand, dass nicht wenige Arbeitslose trotz des aktuellen Wirtschaftsbooms keinen Job finden, obwohl sie einen suchen. Ich werbe dafür, dass wir intensiv mit Gewerkschaften, Arbeitgebern und dem Koalitionspartner sprechen, um ihnen zu helfen.

    Darum geht es bei der Hartz-IV-Debatte wirklich

    weitere Videos

      Als eine der ersten Amtshandlungen hat die Bundesregierung mehr als 200 neue Stellen geschaffen, davon 41 bei Ihnen im Finanzministerium. Was kosten die pro Jahr?

      Scholz: Die Bundesregierung muss ihre Arbeit tun können. Im Koalitionsvertrag sind einige neue Aufgaben hinzugekommen, dafür braucht es neue Stellen. Der Bundesinnenminister etwa ist für das neue Thema Heimat zuständig, im Kanzleramt und im Arbeitsministerium werden verstärkt Themen der Digitalisierung behandelt.

      Und wofür brauchen Sie 41 neue Mitarbeiter?

      Scholz: Ich habe die Aufgabe des Vizekanzlers übernommen, dafür gibt es im Finanzministerium zusätzliche Mitarbeiter.

      Einer dieser Mitarbeiter ist Jörg Kukies. Der Top-Manager der Investmentbank Goldman Sachs soll als Ihr Staatssekretär die Finanzmärkte regulieren. Sehen Sie da keine Interessenkonflikte?

      Scholz: Jörg Kukies hat eine große berufliche Erfahrung, er ist bestens geeignet für die Aufgabe. Er weiß, dass er den Interessen der Allgemeinheit verpflichtet ist.

      Damit wollen Sie Kritik an dieser Personalie entkräften?

      Scholz: Nein, das ist gar nicht nötig. Ich setze auf erstklassige Fachleute, die für mich arbeiten. Als Minister bestimme natürlich ich die Politik. Das Finanzministerium macht, was der Minister politisch vorgibt.

      Sie versprechen keine neuen Schulden. Wie sieht es mit dem Schuldenabbau aus?

      Scholz: Im Koalitionsvertrag haben wir einen ausgeglichenen Haushalt festgeschrieben, das gilt. Als Bundesfinanzminister will ich keine neuen Schulden, aber wichtige Investitionen möglich machen. Wir müssen nach vielen Jahrzehnten endlich aus der Schuldenmacherei herauskommen.

      Sie werden keine Schulden zurückzahlen?

      Scholz: Mein erstes Ziel ist es, keine neuen Schulden zu machen. Wenn die Konjunktur weiter gut läuft, werden wir auch den Schuldenabbau vorantreiben.

      Wie passt das damit zusammen, dass das bisher von Ihnen regierte Hamburg 2017 so viele Schulden gemacht hat wie kein anderes Bundesland?

      Scholz: Als erfahrene Berichterstatter wissen Sie, dass dies vor allem einem Einmaleffekt geschuldet ist: die Folgen der expansiven Strategie der HSH-Nordbank, die Hamburg und Schleswig-Holstein jetzt schultern müssen. Hamburg muss ausbaden, was ein CDU-Bürgermeister zu verantworten hatte.

      Die große Koalition will viele Milliarden Euro mehr ausgeben. Werden Sie auch Ausgaben streichen?

      Scholz: Ein Bundesfinanzminister muss immer alle Ausgaben überprüfen.

      Der Bundesrechnungshof hat vorgeschlagen, die ermäßigte Besteuerung von Diesel-Kraftstoff zu streichen. Das brächte mehr als drei Milliarden Euro. Eine gute Idee?

      Scholz: Eine Änderung bei der Besteuerung von Kraftstoffen führt nicht dazu, dass die Autohersteller schneller sauberere Fahrzeuge liefern. Wir müssen ernsthaft darüber reden, wie wir mehr Elek­trofahrzeuge bekommen oder den Nahverkehr ausbauen.

      Sollte der Staat finanzielle Anreize geben, damit mehr saubere Dieselautos auf der Straße fahren?

      Scholz: Nein. Es ist die Aufgabe der Industrie, Fahrzeuge zu entwickeln, mit denen die geltenden und künftigen Regeln für saubere Luft befolgt werden. Diese Regeln existieren zu Recht, denn es geht um die Lebensqualität der Bürger.

      Sie haben privat selbst ein Dieselauto. Macht es Ihnen Sorge, dass Sie damit bald nicht mehr überall hinfahren können?

      Scholz: Diese Sorge teile ich mit vielen Autobesitzern. Wir müssen alles tun, um Einfahrverbote für Dieselfahrzeuge zu verhindern. Die Städte und Gemeinden müssen zum Beispiel massiv investieren in Ladesäulen für Elektrofahrzeuge. Auch die Industrie muss ihren Beitrag leisten. Als Hamburger Bürgermeister habe ich entschieden, von 2020 an nur noch emissionsfreie Busse anzuschaffen. Die Industrie muss jetzt liefern. Wenn so ein technologischer Sprung aus Deutschland käme, wäre das gut.

      Herr Scholz, was schätzen Sie an Angela Merkel?

      Scholz: Wir haben schon oft und gut zusammengearbeitet. Mir sagt es zu, wenn jemand nicht ständig aufgeregt ist.

      Das passt dann ja. Also ist das eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe?

      Scholz: Ja.