Brüssel. Die EU plant eine stärkere Besteuerung von globalen Internetkonzernen. Doch einige EU-Staaten haben massiven Widerstand angemeldet.

Eine Klarstellung ist EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici ganz besonders wichtig: Nein, von einer neuen „Google-Steuer“ könne keine Rede sein, versichert der Franzose. Die Brüsseler Pläne für eine Digitalsteuer zielten keineswegs allein auf amerikanische Internetkonzerne. Bloß keinen neuen Ärger mit Washington, heißt die Devise der Kommission, der Handelskonflikt ist schon schwierig genug.

Aber die Beschwichtigungen helfen nichts, neuer Streit ist absehbar: Denn natürlich hat die EU-Kommission mit ihrem Vorstoß zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft vor allem die großen, in den USA beheimateten Internetkonzerne wie Google und Facebook im Visier – sie sollen künftig in Europa erheblich mehr Steuern zahlen als bisher.

Dazu legt die Kommission am Mittwoch einen Zweistufen-Plan vor, der ein zentrales Ziel verfolgt: Google und Co. sollen ihre Steuern künftig vor allem dort abliefern, wo ihre Kunden sitzen und die Online-Erträge entstehen – auch wenn die Konzerne ihren Sitz ganz woanders haben. Bisher sehen die internationalen Steuerregeln das nicht vor. Was nach Angaben von Finanzkommissar Moscovici zur Folge hat, dass die effektiven Steuersätze für digitale Unternehmen zur Zeit mit neun Prozent nicht einmal halb so hoch sind wie die von herkömmlichen Unternehmen.

Unternehmen zahlen Steuern an Standorten mit günstigen Tarifen

EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici.
EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici. © REUTERS | FRANCOIS LENOIR

Konzerne wie Facebook haben in den meisten Ländern keine steuerpflichtigen Firmensitze, ihre Abgaben zahlen sie an Standorten mit besonders günstigen Steuertarifen. „Unsere Vorschriften aus der Vor-Internet-Ära erlauben es den Mitgliedstaaten nicht, in Europa tätige Digitalunternehmen zu besteuern, wenn diese hier nur eine geringe oder keine physische Präsenz aufweisen“, klagt Moscovici.

Er spricht von einem „ständig wachsenden schwarzen Loch“, in dem die Steuerbasis der EU-Länder verschwinde. In zwei Stufen soll Europa nun nach dem Kommissionsvorschlag reagieren: Zunächst sollen für eine Übergangsphase alle Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro und einem Onlineumsatz von 50 Millionen Euro innerhalb der EU drei Prozent Steuern auf ihre Erträge zahlen – erfasst würden Einnahmen aus dem Verkauf von Online-Werbeflächen, aus Vermittlungsgeschäften oder dem Verkauf von Daten.

Die Kommission rechnet für die gesamte EU mit jährlichen Einnahmen von fünf Milliarden Euro. Im zweiten Schritt würden die EU-Staaten neue Körperschaftssteuer-Regeln einführen: Um Gewinne auch ohne physische Präsenz des Unternehmens zu besteuern, soll das Steuersystem um die „virtuelle Betriebsstätte“ erweitert werden. Abgabepflichtig würde jedes Unternehmen, das in einem Land mehr als 100.000 Online-Nutzer hat oder mehr als 7 Millionen Euro jährlich erwirtschaftet.

Länder locken Digitalkonzerne mit niedrigen Steuern

Die Kommission verspricht sich eine „faire Besteuerung“ – und ahnt zugleich, dass so schnell nichts daraus wird. Zwar hatten zehn EU-Staaten, darunter Frankreich und Deutschland, von Brüssel schnelle Abhilfe gegen die Steuerpraxis der Internet-Riesen gefordert. Doch zugleich haben EU-Mitglieder wie Irland und Luxemburg, die die großen Digitalkonzerne mit niedrigen Steuern anlocken, ihren massiven Widerstand angemeldet.

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    In Steuerfragen kann die EU aber nur einstimmig entscheiden. Nicht nur Irland und Luxemburg fordern, statt eines europäischen Alleingangs eine Einigung der G20-Staaten abzuwarten – wohlwissend, dass die wegen des Widerstands der USA nicht in Sicht ist.

    Auch die deutsche Wirtschaft fordert einen Verzicht auf EU-Regeln und stattdessen ein international breiteres Vorgehen: „Es ist sinnvoll, die Digitalisierung durch weltweit harmonisierte steuerliche Rahmenbedingungen zu fördern“, mahnt der Bundesverband der deutschen Industrie. Sonst drohe ein schärferer Steuerwettbewerb, der den einzelnen Staaten schaden würde, besonders zwischen der EU und den USA. „Dies würde das Risiko eines Handelskonfliktes verstärken“, fürchtet der BDI.

    Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärt, die Pläne könnten leicht als Blaupause für andere Staaten dienen, die ihrerseits einen größeren Anteil vom Aufkommen aus der Gewinnbesteuerung deutscher oder anderer EU-Unternehmen abschöpfen wollen als bisher. DIHK-Präsident Eric Schweitzer: „Die EU–Vorschläge stellen deshalb eine Gefahr für die exportorientierte deutsche Wirtschaft dar.“