Berlin. Die Kanzlerin gesteht in ihrer vierten Regierungserklärung Fehler ein und beschwört Zusammenhalt. Auf sie wartet aber auch viel Arbeit.

Just am Tag der Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel zum Start in ihre neue Amtszeit verkünden die fünf „Wirtschaftsweisen“ einen noch stärkeren Aufschwung der Konjunktur. Der deutschen Wirtschaft geht es hervorragend, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, der private Konsum hoch.

Und doch ist Deutschland zu Beginn von Merkels vierter Amtszeit geprägt von einer Unsicherheit, einem rauen Ton, einer zunehmenden Polarisierung. Die Diskussion über die Flüchtlingskrise hat entzweit. Bereits am Wahlergebnis konnten die Volksparteien ablesen, dass etwas ins Rutschen gekommen ist. Die Politiker der Jamaika-Parteien auf dem Balkon der feinen Parlamentarischen Gesellschaft, scheinbar entfremdet vom Volk, wurden ein Sinnbild dafür.

CDU-Chefin Merkel hat nun zu Beginn ihrer vierten Amtsperiode Fehler eingeräumt. Sie habe die Auswirkungen des syrischen Bürgerkriegs zunächst unterschätzt. Die Ankunft der Flüchtlinge 2015 sei der Ausgangspunkt für die gesellschaftliche Polarisierung gewesen. Diese selbstkritischen Töne wurden im Merkel’schen Wahlkampf schmerzhaft vermisst.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Merkel gesteht Fehler selten so deutlich ein

Jetzt will sie signalisieren: Ich habe verstanden. Verstanden, dass der Zusammenhalt im Land auch durch ihre Politik auf eine harte Probe gestellt wurde. Das Eingeständnis, selbst Fehler gemacht zu haben, hört man von Merkel in dieser Deutlichkeit selten. Was jedoch nicht bedeutet, dass sie die offenen Grenzen im Herbst 2015 selbst als Fehler bezeichnet. Es sei eine humanitäre Notlage gewesen.

Die Kanzlerin will den Zusammenhalt in der Gesellschaft wiederherstellen, auch durch einen starken (Rechts-)Staat, der den Bürgern Sicherheit und Vertrauen zurückgibt. So gesehen ist ihre Rede deutlich konservativer als frühere. Gleichzeitig rückt sie polarisierende Sätze ihres CSU-Innenministers und CSU-Chefs Horst Seehofer wieder gerade. Der Islam gehöre sehr wohl zu Deutschland.

Auch wenn Pathos auch in der vierten Regierungserklärung nicht so ganz aufkommen mag, macht die Regierungschefin doch eines sehr deutlich: Das Sagen, die Deutungshoheit im neuen Kabinett habe ich. „Deutschland, das sind wir alle.“ Dieses Leitmotiv ihrer Kanzlerschaft will sie sich auch vom aufziehenden bayerischen Landtagwahlkampf nicht verwässern lassen. Die Kanzlerin hat zum Start der neuen großen Koalition den Ansatz gewagt, Politik weniger di­plomatisch zu erklären. Sondern transparent zu machen, ehrlich zu erklären.

Merkel wird es in dieser Amtszeit nicht leicht haben

Doch um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen, dafür braucht es jetzt nicht nur Einsichten, sondern Taten. Hier bleiben Fragen offen, auch in der Integrationspolitik. Die große Überschrift von Schwarz-Rot hat die Kanzlerin nicht geliefert. So geißelt sie etwa die Kinderarmut im Land. Dagegen kann die Regierung in Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen etwas tun. Etwa mit einem Haushalt, der die soziale Spaltung nachhaltig bekämpft. Mit der schnellen Umsetzung der zentralen Vorhaben im Koalitionsvertrag. Mit einer Digitalisierungsoffensive, die ihren Namen verdient.

Merkel, das hat die Debatte im Bundestag auch gezeigt, wird es in dieser Amtszeit nicht leicht haben. Die SPD kämpft um ein schärferes Profil, um den Namen Volkspartei aus Wahlergebnissen wieder ableiten zu können. Die CSU nimmt der Kanzlerin ihre Flüchtlingspolitik noch immer übel und wird vor allem in Fragen von Sicherheit und Abschiebung punkten wollen. Die AfD legt – mitunter durchaus geschickt – den Finger in gesellschaftliche Wunden. Eine große Herausforderung.