Berlin. Viele Eltern suchen Auswege aus dem staatlichen Schulsystem. Die Politik kennt as Problem schon lange – und blieb vieles schuldig.

Moritz ist einer von knapp drei Millionen Grundschülern in Deutschland. Im kommenden Jahr soll er aufs Gymnasium gehen. Das nächste liegt nur drei Straßen weiter. Doch die Familie zögert.

Die Mehrheit der Schüler dort stammt aus türkischen und arabischen Familien. Der Ruf der Schule ist schlecht, viele beklagen die Macho-Kultur der Jungs, das ruppige Klima in den Pausen.

Moritz kommt aus einer Familie, in der viel Wert auf Höflichkeit und Respekt gelegt wird, in der Jungen selbstverständlich Hausarbeit übernehmen und lernen, dass man sich heftig streiten darf, dass man andere aber nicht demütigt oder brutal attackiert.

Steigende Schülerzahlen und Lehrermangel in öffentlichen Schulen

Moritz’ Eltern wollen, dass ihr Sohn auf eine Schule geht, wo er nicht schon am ersten Tag erlebt, dass andere Kinder anders erzogen wurden. Sicher, die beiden haben die multikulturelle Gesellschaft immer verteidigt – doch jetzt zögern sie.

Man muss das nicht richtig finden. Man muss es aber ernst nehmen. Denn: Die Frage der Schulwahl ist im Jahr 2018 nicht nur eine Frage von Schulprofil, Leistungsanspruch oder Erreichbarkeit.

Für viele Eltern geht es längst um mehr: Sie sehen, unter welchem Druck viele öffentliche Schulen durch steigende Schülerzahlen, Lehrermangel und die Herausforderungen durch die Integration von Zuwandererkindern stehen – und suchen Auswege.

Jedes zehnte Kind in Deutschland geht auf private Schule

Innerhalb des öffentlichen Schulsystems, aber auch außerhalb: Umfragen zeigen, dass rund ein Viertel der Eltern ihre Kinder gerne auf eine Privatschule schicken würde. Dass dennoch nur jedes zehnte Kind in Deutschland auf eine Schule in privater Trägerschaft geht, liegt auch daran, dass es nicht genug Plätze gibt und sich viele sich das Schulgeld nicht leisten können.

Der große Andrang auf Privatschulen oder öffentliche Schulen mit besonderem Profil und strengem Auswahlverfahren speist sich dabei nicht nur aus dem Kreis der deutschen Bildungseliten.

Den Wunsch nach einer guten Schule mit ausgeglichener Mischung bei der Schülerschaft findet man genauso bei bildungsbewussten Eltern mit ausländischem Pass oder deutschen Eltern mit Hauptschulabschluss.

Schulen vermitteln sozialen Zusammenhalt

Schulen, die sich ihre Schüler selbst aussuchen können, sind nicht grundsätzlich besser als öffentliche Schulen mit lokalem Einzugsgebiet und einer sehr heterogenen Schülerschaft. Doch sie geben den Eltern das Gefühl, auf Gleichgesinnte zu treffen. Und ihre Kinder unter Gleichgesinnten zu wissen.

Das ist verständlich, aufs Ganze gesehen, aber riskant. Denn: Schulen sind heute der einzig verbindliche Ort, wo Kinder unabhängig von ihrer Herkunft gemeinsame Werte und sozialen Zusammenhalt einüben können. Theoretisch zumindest. Praktisch dagegen haben sich besonders in Großstädten längst pädagogische Parallelwelten gebildet.

Die Bundesregierung will nun den Zusammenhalt in Deutschland stärken – auch im Schulsystem ist das dringend nötig. Doch was lässt sich gegen das Auseinanderdriften tun? Es gibt Experten, die feste Obergrenzen für den Migrantenanteil im Klassenzimmer vorschlagen.

Lösung muss in Kitas ansetzen

Der Gedanke ist plausibel, zeigen doch Studien, dass eine ausgewogene Mischung den Lernerfolg aller Kinder steigert. Doch ein Allheilmittel ist das nicht. Die Lösung muss früher ansetzen: In den Kitas. Wo nicht nur Sprache und Motorik, sondern auch die Regeln fürs Miteinander eingeübt werden.

Das kostet Kraft und Geld. Die Politik weiß das seit Jahren. Und genauso lange wissen Eltern, dass gute Kitas und gute Schulen kein selbstverständliches staatliches Angebot sind, sondern eine Frage von Glück oder hohen Kosten. Kein Wunder, dass sie Auswege suchen.