Bratislava/Berlin. Nach dem Mord an dem Reporter Jan Kuciak steht die Slowakei unter Schock. Der Journalist legte Verstrickungen von hoher Politik offen.

An der grauen Backsteinwand im Herzen der slowakischen Hauptstadt Bratislava stehen Kerzen, Blumen und ein Schwarz-Weiß-Foto des 27-jährigen Jan Kuciak. Einige Meter entfernt bewachen schwarz uniformierte Polizisten mit Maschinengewehr den Eingang des Redaktionsgebäudes von „Aktuality.sk“. Für dieses Internetportal hatte der auf Steuerbetrug und Mafia spezialisierte Investigativjournalist Kuciak gearbeitet, bevor er und seine Verlobte in ihrem Privathaus eiskalt erschossen wurden. Das ganze Land steht unter Schock.

Im Nachrichtenraum von „Aktuality.sk“ herrscht am Dienstagnachmittag Hochbetrieb: Kollegen verfassen Artikel über den Doppelmord, den der Polizeichef von Bratislava mit den Recherchen von Kuciak in Verbindung bringt. „Wir haben keine Angst“, sagt ein Redakteur, der seinen Namen nicht nennen will, am Telefon. Dennoch wurden besondere Sicherheitsmaßnahmen beschlossen.

„Mitglieder des Investigativteams und Kollegen von Jan Kuciak bekommen Polizeischutz – in der Redaktion, bei Außenterminen und zu Hause“, betont Peter Porubsky, Sprecher des schweizerisch-deutschen Gemeinschaftsunternehmens Ringier Axel Springer Slovakia, dem „Aktuality.sk“ gehört.

Kuciak deckte Mehrwertsteuertrick bei slowakischen Betrieben auf

Kuciaks große Leidenschaft war es, die Verstrickungen von hoher Politik, kriminellen Firmen und Mafia offenzulegen. Davon gab und gibt es in der Slowakei offenbar viele. Die letzte Geschichte, für die Kuciak monatelang Material gesammelt hatte, drehte sich um die Beziehungen zwischen der slowakischen Regierung und der Mafia.

So sollen Vertraute aus dem Umfeld von Premier Robert Fico einen direkten Draht zu italienischen Mafiosi haben, die in der Slowakei wohnen und Geschäfte machen. Eine der Finanzoperationen, über die Kuciak schrieb, waren die milliardenschweren Transfers von der EU an die Slowakei. Angeblich versickerte ein Teil des Geldes in den Kassen der Mafia.

Ein zweite Betrugsmasche, die Kuciak aufdeckte, war der Mehrwertsteuertrick. Demnach fingierten slowakische Betriebe Exporte in EU-Länder. Die Mehrwertsteuer ließen sie sich vom Staat erstatten. Weiteres pikantes Detail der Kuciak-Recherchen: Premierminister Fico lebt in einer Wohnung, die dem Unternehmer Ladislav Bašternák gehört, der ebenfalls mit der Mehrwertsteuernummer reich geworden sein soll.

Sohn von Caruana Galizia erhob schwere Vorwürfe gegen Brüssel

Der Fall Kuciak erinnert an das Schicksal der regierungskritischen Journalistin Daphne Caruana Galizia, die am 16. Oktober mit einer Autobombe auf Malta getötet wurde. Caruana Galizia war kein Skandal zu klein oder zu groß gewesen, um darüber auf ihrem Blog zu schreiben. „Wo du auch hinschaust, überall sind Gauner. Die Lage ist hoffnungslos“, lautete die Überschrift des letzten Artikels. 20 Minuten später war die 53 Jahre alte dreifache Mutter tot.

Die Slowakei und Malta traten beide 2004 der EU bei. Doch bei Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit klaffen offensichtlich eklatante Lücken. Der Sohn von Caruana Galizia erhob nun schwere Vorwürfe gegen Brüssel. „Meine Familie hat die EU-Kommission gewarnt, dass Malta mit der Ermordung meiner Mutter einen neuen Standard für zulässiges Verhalten innerhalb der EU gesetzt hat und andere bald sterben würden, wenn nicht entschiedene Maßnahmen ergriffen werden“, schrieb Andrew Caruana Galizia auf Twitter. „Jan Kuciak hätte gerettet werden können.“

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