Brüssel/Sofia. Beim EU-Treffen stellt die Bundesregierung die Debatte um die Umverteilung von Flüchtlingen zurück. Damit könnte die Quote scheitern.
Thomas de Maizière (CDU) hatte es eilig mit der versöhnlichen Botschaft: Schon eine halbe Stunde vor Beginn des EU-Innenministertreffens in Sofia trat der deutsche Ressortchef als Erster vor die Kameras – und kündigte eine vorsichtige Wende Berlins in der Flüchtlingspolitik an. Die Bundesregierung will den Streit um die Verteilung von Asylbewerbern innerhalb Europas vertagen, ist ausdrücklich kompromissbereit – und schließt sogar den Verzicht auf eine verbindliche Quote nicht mehr aus.
Ob es eine Reform auch ohne Verteilungsschlüssel geben könne, „entscheiden wir dann am Ende der Verhandlungen“, sagte de Maizière. Neue Töne der Bundesregierung, die bisher gegen den Protest osteuropäischer EU-Länder strikt auf einer Quote für alle 27 künftigen EU-Mitglieder beharrt hatte.
So sieht es ja auch der Vorschlag der EU-Kommission für eine Asylreform vor, die bis Juni beschlossen werden soll: Im Normalfall würde wie nach bisherigem, vorübergehend ignoriertem Asylrecht das Land zuständig sein, das die Flüchtlinge zuerst betreten – das wären in der Regel die Staaten an der EU-Außengrenze.
Ost-West-Spaltung könnte sich weiter vertiefen
Aber bei neuen Flüchtlingswellen sollen alle anderen EU-Mitglieder den betroffenen Ländern verbindliche Quoten an Migranten abnehmen. Osteuropäische Länder lehnen das strikt ab – so wie schon die 2015 beschlossene Umverteilung von bis zu 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien.
Bislang hatte de Maizière damit gedroht, widerspenstige Länder wie Polen, Ungarn und Tschechien im Rat der Innenminister wie 2015 einfach zu überstimmen. Doch in Brüssel wird befürchtet, dies würde die Ost-West-Spaltung in der EU vertiefen. Mit dem Regierungswechsel in Österreich wird eine solche Mehrheitsentscheidung zudem schwieriger – auch die rechtskonservative Regierung in Wien lehnt die Quote ab, wie Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in Sofia bekräftigte.
Homosexuelle Asylbewerber müssen keinen Test machen
De Maizière erklärte, es sei besser, sich in den Beratungen jetzt auf andere wichtige Fragen zu konzentrieren: Schutz der Außengrenzen, gleiche Standards für die Asylverfahren und die Flüchtlingsaufnahme, Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Ein endgültiger Verzicht Berlins auf die Quote ist das zwar noch nicht. Selbstverständlich sei eine „faire Verteilung“ notwendig, sagte de Maizière. Aber es gibt Bewegung, weil die komplette Reform zu scheitern droht.
Kompromisslinien sind vorgezeichnet: Die Osteuropäer würden für größere Beiträge zum Außengrenzschutz bei der Flüchtlingsaufnahme entlastet – und vielleicht für ein paar Jahre von der Aufnahmepflicht entbunden.
Unterdessen hat der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsschutz von Asylbewerbern gestärkt: Asylbewerber, die wegen Homosexualität verfolgt werden, müssen demnach keinen psychologischen Text über ihre sexuelle Orientierung hinnehmen, urteilte das Gericht in Luxemburg.