Berlin. Bei all der Kritik an der Parteispitze und ihrem Ziel, erneut eine große Koaliton einzugehen: Die GroKo ist auch für die SPD wichtig.

Angst ist selten ein guter Ratgeber. Das gilt im Leben wie auch in der Politik. Die leidenschaftliche Ablehnung einer erneuten großen Koalition in weiten Teilen der SPD ist verständlich. Die GroKo-Gegner treibt die Sorge um, dass von der ehrwürdigen deutschen Sozialdemokratie nach vier weiteren Jahren als Juniorpartner von Angela Merkel nicht mehr viel übrig bleibt – und sie das Schicksal vieler Schwesterparteien in ganz Europa erleidet. Deshalb ist die seit Abschluss der Sondierungsgespräche in der SPD tobende Debatte gut und richtig. Leicht hat es sich die SPD noch nie gemacht.

Aber darf eine Volkspartei der linken Mitte aus Angst vor dem eigenen Untergang ihren Anspruch, das Land solidarischer und sozialer zu gestalten, quasi beim Pförtner abgeben? Der frühere Vorsitzende Franz Müntefering prägte den Satz, Opposition sei Mist. Nun legte „Münte“ nach. Vor dem entscheidenden Sonderparteitag in Bonn warnte er seine Partei, ein Spiel verloren zu geben, ohne wirklich bis zur 90. Minute gekämpft zu haben. Dies wäre „elender“ als eine Niederlage.

Kommunikation von Schulz ist nicht souverän

Auch Gewerkschaften, Oberbürgermeister und Sozialverbände loben die rote Handschrift im Sondierungspapier mit vielen geplanten Fortschritten für „kleine Leute“, Rentner und Familien. Der Parteivorsitzende Martin Schulz ist bei den GroKo-Skeptikern ebenfalls mit dieser Botschaft unterwegs. Er wolle eine Altenpflegerin nicht vier Jahre auf bessere Arbeitsbedingungen warten lassen, nur damit die SPD sich wohlfühle. Recht hat er.

Gleichzeitig spielt Schulz mit dem Faktor Angst. Bei einem Nein zur GroKo würde die SPD in einer raschen Neuwahl abgestraft. Nach dem Scheitern von Jamaika im November sagte er noch, die Partei scheue keinen neuen Wahlgang. Souverän geht anders. Die SPD tut sich so schwer, weil ihr Vorsitzender nicht wirklich führt.

Nun wird Schulz intern bedrängt, in seiner Rede in Bonn seinen Verzicht auf ein Ministeramt zu erklären. Genau dies hatte er leichtsinnigerweise am Tag nach der Bundestagswahl öffentlich verkündet. Schulz könne mit diesem Angebot an die Kritiker der großen Koalition wieder an Statur gewinnen. Dieser Plan ist vergiftet. Nur mit dem Parteivorsitz hätte Schulz eine kurze Restlaufzeit. Dabei wird ein schwarz-rotes Bündnis aus SPD-Sicht nur Sinn haben, wenn Deutschland in der Europapolitik gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der EU vorangeht. Als Außenminister und Vizekanzler würde „Mister Europa“ Schulz wohl eine bessere Figur abgeben.

NRW-SPD legt Schult Stein in den Weg

Bevor es soweit ist, muss er den Parteitag und später die SPD-Mitglieder in einem zwei Millionen Euro teuren Basisentscheid überzeugen. In letzter Minute legte ihm der NRW-Landesverband Brocken in den Weg. Die SPD müsse in Koalitionsverhandlungen eine Besserstellung von Kassenpatienten, die Abschaffung sachgrundloser Befristungen in Arbeitsverträgen sowie Härtefallregelungen beim Familiennachzug von Flüchtlingen durchsetzen. Erste Unionspolitiker sind schon auf dem Baum.

Doch womöglich zeichnet sich da ein Geschäft auf Gegenseitigkeit ab. Die Union gewährt Schulz und der SPD ein paar inhaltliche Geschenke – verlangt dafür aber einen Preis. Das Finanzministerium könnte in Unionshand bleiben, mit Peter Altmaier an der Spitze. Für Schulz hätte das den Charme, Sigmar Gabriel womöglich aus dem Kabinett zu halten, der Ambitionen auf das Schatzamt hat. Jenseits davon sollten Schulz & Co. beim Parteitag mit offenem Visier und guten Argumenten für mehr soziale Gerechtigkeit kämpfen – und das lässt sich nur von der Regierungsbank aus erreichen.