Berlin. Der Erfolg des Elterngeldes zeigt: Die Chance der Großen Koalition liegt in der Familienpolitik. Das bringt die Gesellschaft nach vorn.

Es ist ziemlich genau 20 Jahre her, dass der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den langen Namen des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einem Interview mit „Familie und Gedöns“ abgekürzt hat.

Tatsächlich war damals der Stellenwert von „weichen Themen“ so gering wie die Verbreitung der vollen Berufstätigkeit von jungen Müttern. Kurz vor der Jahrtausendwende gab es kaum öffentlich geförderte Optionen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Elterngeld? Krippenplatz – gar mit Rechtsanspruch? Staatlich bezuschusste Tagesmütter? Betriebskindergarten? Flächendeckende Ganztagsschulen? Alles Fehlanzeige, zumindest in Westdeutschland.

Mütter, die schnell nach der Geburt wieder arbeiten wollten, brauchten entweder einen Partner, der zu Hause bleibt, eine fitte, allzeit bereite Oma, oder sie mussten investieren in eine private Kinderbetreuung, die schon mal einen Großteil des Einkommens auffressen konnte. Kein Wunder, dass es noch vor 20 Jahren selbstverständlich war, dass Mütter nach der Geburt erst mal drei Jahre zu Hause blieben und danach vorsichtig, die Teilzeit angepasst an die Öffnungszeiten des Kindergartens, wieder in den Beruf einstiegen.

Eltern wollen mehr ehrlich gemeinte Familienpolitik

Die Abhängigkeit vom Vollzeit-Ehepartner blieb auch dann, allerdings schützte das Scheidungsrecht die wenig oder gar nicht verdienende Ehefrau auch vor dem finanziellen Ruin. Inzwischen ist die Familienpolitik auf den Kopf gestellt. Die Ehe hat an Bedeutung verloren.

Unterhalt für die Ehegatten (oder Ex-Partner) wird seit 2008 nur noch bis zum dritten Geburtstag des jüngsten Kindes gezahlt, danach ist der bislang abhängige Partner verpflichtet, wieder berufstätig zu sein. Wer sich allein auf den Hauptverdiener verlässt, handelt heutzutage im Prinzip grob fahrlässig.

Frauen werden also viel mehr als früher auch in die finanzielle Verantwortung genommen, doch einen Aufschrei darüber gibt es allenfalls unter Erzkonservativen, die am Familienmodell der Nachkriegszeit nicht rütteln wollen. Der Großteil der Mütter und auch der Väter will einfach seit Jahrzehnten ein Ende des gefühlten „Gedöns“, dafür mehr ehrlich gemeinte Familienpolitik, die Eltern dabei unterstützt, dem Mehr an Verantwortung gerecht zu werden. Wenn die beiden großen Koalitionen von 2005 und 2013 die Gesellschaft nach vorn gebracht haben, dann wohl mit einer Familien unterstützenden Politik.

Die Zahl der Kinder in Deutschland wird wachsen

Die Statistik zeigt: Es ist keine Frage mehr, ob Frauen arbeiten. Inzwischen debattieren junge Eltern, wer wann welche Aufgaben übernimmt. Modern ist die Variante, dass beide Eltern – durch Elterngeld gefördert – 30 Stunden arbeiten. „Entweder leidet die Familie, der Job oder die Partnerschaft“ – diese Erfahrung machen zwar Eltern nach wie vor, aber sie ist nicht mehr unabdingbar.

Sollte es noch einmal zu einer großen Koalition kommen, dann sind die Parteien gut beraten, die Familienpolitik weiterzuentwickeln. Denn bei allen Fortschritten gibt es noch viel zu tun: Grundschulkinder sind immer noch oft am Nachmittag unzureichend betreut.

Trotz Rechtsanspruch fehlen Kita-Plätze, und wenn genügend Kitas vorhanden sind, mangelt es an Erzieherinnen und Ausstattung. Zudem geraten Frauen noch immer in die Teilzeitfalle, aus der sie nicht mehr herauskommen. Denn eins ist klar: Die Zahl der Kinder wird wachsen. Schließlich steigt nicht nur die Zahl der Zuwanderer, sondern auch (vorsichtig) die Geburtenrate. Der Begriff „Gedöns“ ist glücklicherweise eingemottet. Aber ein Topthema ist die Familienpolitik noch nicht. Hier liegt die echte Chance für eine Neuauflage der großen Koalition.