Berlin. Die Bundesregierung zieht eine positive Bilanz des 2015 eingeführten Elterngeld Plus. Mehr Frauen können Job und Familie vereinbaren.

Junge Mütter, die nach der Geburt ihres Kindes in Teilzeit arbeiten, hatten lange Zeit einen entscheidenden Nachteil: Wer während der Säuglingszeit weiter eigenes Geld verdienen wollte, konnte seinen Anspruch auf staatliches Elterngeld weniger gut ausschöpfen als Mütter, die komplett zu Hause blieben. Das Elterngeld Plus, eingeführt zum Juli 2015, sollte diese Ungerechtigkeit beenden. Und: Es sollte Paare belohnen, die sich Job und Kinderbetreuung partnerschaftlich teilen. Heute steht fest: Viele junge Eltern sind froh über diese neue, flexible Variante des staatlichen Elterngeldes. Aus verschiedenen Gründen.

An diesem Mittwoch befasst sich das Bundeskabinett mit dem Bericht des Familienministeriums zu den Auswirkungen der neuen Regelung. Die Bilanz liegt dieser Redaktion vorab vor: Gut zwei Jahre nach der Einführung hat sich die Zahl der Nutzer von Elterngeld Plus bereits verdoppelt, mehr als drei Viertel bewerten die neuen Fördermöglichkeiten als „gute Sache“.

Bundesfamilienministerin Katarina Barley freut das: „Die neuen Familienleistungen kommen gut bei den Eltern an, und sie wirken“, sagte die SPD-Politikerin dieser Redaktion. „Das Elterngeld Plus ist ein voller Erfolg.“ Es habe dazu geführt, dass Frauen wieder stärker in den Beruf einsteigen können und dass sich Väter mehr Zeit für ihre Kinder nehmen.

• Was ist der Unterschied zwischen Elterngeld und Elterngeld Plus?

Vor genau elf Jahren wurde das Elterngeld eingeführt – inzwischen nutzen es mehr als 1,6 Millionen Mütter und Väter. Der Staat unterstützt mit dieser Leistung junge Eltern, die in den ersten zwölf Monaten nach Geburt ihres Kindes weniger oder gar nicht arbeiten und somit Lohneinbußen haben. Das Basiselterngeld beträgt in der Regel 65 Prozent des Nettoeinkommens der letzten zwölf Monate vor der Geburt – mindestens 300 Euro und höchstens 1800 Euro. Paare, bei denen auch der Partner eine Auszeit für die Kinder nimmt, können das Elterngeld sogar 14 Monate lang beziehen.

Doch das Elterngeld von 2007 hatte einen Geburtsfehler: Zwar erhielten Mütter und Väter auch dann Geld, wenn sie nicht ganz zu Hause blieben, sondern in den ersten Lebensmonaten des Kindes in Teilzeit weiterarbeiteten. Doch sie konnten dadurch weniger staatliche Hilfe abschöpfen als diejenigen, die ganz zu Hause blieben. Ungerecht fanden das vor allem die Familienpolitiker der SPD – die damalige Ministerin Manuela Schwesig führte deswegen für Kinder, die ab Juli 2015 geboren waren, das Elterngeld Plus ein.

Eltern, die sich für diese neue Leistung entscheiden, können ihr Budget auf bis zu 28 Monate strecken. Das heißt: Sie haben zwar pro Monat geringere Bezüge, können aber länger davon profitieren. Das Elterngeld Plus beträgt dabei monatlich je nach vorherigem Einkommen nur zwischen 150 und 900 Euro. Vor allem Mütter und Väter, die in Teilzeit arbeiten möchten, können somit ihr Elterngeldbudget besser ausschöpfen. Hinzu kommt: Vier der 28 Monate sind Partnermonate. Anspruch darauf haben alle Paare, bei denen beide Partner in dieser Zeit zwischen 25 und 30 Wochenstunden arbeiten.

• Wie viele Eltern nutzen das Elterngeld Plus?

Seit der Einführung von Elterngeld Plus wächst die Beliebtheit stetig: Die jüngsten Zahlen stammen von Herbst 2017 – zu diesem Zeitpunkt nutzte fast jeder dritte Elterngeldbezieher die flexiblere Variante. Gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 hat sich die Zahl der Nutzer damit von knapp 14 Prozent auf 28 Prozent verdoppelt. Viele junge Eltern kombinieren auch die alte und die neue Leistung miteinander – trotz des komplizierten Antragsverfahrens.

• Welche Rolle spielt der „Partnerschaftsbonus“?

Der Wunsch nach mehr Zeit mit dem Kind ist laut einer Allensbach-Umfrage für Mütter und Väter wichtigster Beweggrund, das Elterngeld Plus zu beantragen. Den Partnerschaftsbonus (vier zusätzliche Monate) nutzten im bundesweiten Durchschnitt jedoch nur 5,6 Prozent aller Bezieher. Spitzenreiter sind hier die Eltern in Berlin und Hamburg – in den beiden Großstädten profitierten im Herbst 2017 rund 16 bzw. gut 13 Prozent der Eltern vom Bonus.

Doch vor allem für die Frauen steht bei der Entscheidung für das Elterngeld Plus gar nicht die Partnerschaftlichkeit im Zen­trum. Häufiger nennen junge Mütter berufliche Gründe: In der Allensbach-Umfrage gaben 24 Prozent der Frauen an, dass sie mit dem Elterngeld Plus ihre Ziele im Job besser verfolgen könnten, 23 Prozent sagten, sie hätten sich für das Elterngeld Plus entschieden, weil sie auch während der Elternzeit erwerbstätig sein wollten. Nur jede zehnte Mutter dagegen nennt als Motiv die bessere Aufgabenteilung mit dem Partner. Bei den Vätern ist es dagegen jeder vierte: Genau so viele sagen, dass sie sich ohne das Elterngeld Plus weniger Zeit für die Betreuung des eigenen Kindes genommen hätten.

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    Für Männer scheint das Elterngeld Plus ein Hilfsmittel zu sein, um eine neue Vaterrolle einzunehmen: Männer, die die neue Leistung in Anspruch nehmen, beziehen im Schnitt länger Elterngeld als Männer mit Basiselterngeld, sie reduzieren auch für längere Phasen ihre Arbeitszeit und können so einen größeren Beitrag zu einer partnerschaftlichen Aufteilung von Familienaufgaben und Erwerbsarbeit zwischen den Elternteilen leisten.

    Der generelle Trend hin zu mehr Partnerschaftlichkeit lässt sich laut Regierungsbericht aber auch an der Inanspruchnahme der Partnermonate beim Basiselterngeld ablesen: Während im Herbst 2015 über 80 Prozent der Väter, die Elterngeldleistungen beantragt hatten, nur für zwei Monate zu Hause bleiben wollten, zeigte sich im Verlauf der folgenden Jahre eine stete Verlängerung. Inzwischen sind es weniger als 70 Prozent der Väter, die „nur“ zwei Partnermonate nehmen – die meisten wollen heute mehr Zeit mit ihrem Kleinkind verbringen.

    • Was können Eltern von einer neuen großen Koalition erwarten?

    Sollten Union und SPD in Koalitionsverhandlungen eintreten, dürfte es in der Familienpolitik zumindest in einem Punkt zu einer raschen Einigung kommen: Die SPD will Kinder aus einkommensschwachen Familien besonders fördern. Dazu soll der Kinderzuschlag für Geringverdiener von heute 170 Euro auf rund 200 Euro erhöht und automatisch zusammen mit dem Kindergeld ausgezahlt werden.

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      Pro Kind könnten Geringverdiener somit in Zukunft durchschnittlich rund 400 Euro bekommen. Zuletzt erhielten rund 170.000 Familien den Kinderzuschlag, Experten schätzen jedoch, dass über 500.000 Familien Anspruch darauf hätten, bislang aber an den komplizierten Anträgen scheitern. Da auch die Union inzwischen dieses Modell vertritt, könnte sich die Zahl der Leistungsempfänger demnächst deutlich vergrößern.

      Beide wollen zudem Familien mit Eigenheimplänen unterstützen: Die Union plant ein Baukindergeld von 1200 Euro pro Kind pro Jahr für Eltern, die sich eine Wohnung kaufen oder ein Haus bauen wollen. Bei der SPD gibt es Pläne, Eltern per Eigenheimzuschuss zu unterstützen, wenn sie in besonders begehrten Innenstadtlagen kaufen wollen.