Berlin. Die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD haben begonnen. Doch am Anfang wird nur ein Politiker konkret bei seinen Erwartungen.

Während die drei Parteivorsitzenden mit ihren dunklen Limousinen zum Willy-Brandt-Haus fuhren, kam Peter Altmaier (CDU) mit dem Fahrrad. Gemütlich rollte der Kanzleramtsminister die Stresemannstraße in Berlin-Kreuzberg entlang, die Unterlagen für die Gespräche mit der SPD hatte er in einem blau-grünen Leinenbeutel verstaut.

Altmaier, der aktuell auch die Geschäfte im Bundesfinanzministerium führt, ist bei den Verhandlungen für die Themen Finanzen und Steuern zuständig. Beides sollte am Sonntag ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

Bis Donnerstag werden Gemeinsamkeiten ausgelotet

15 Wochen nach der Bundestagswahl und sieben Wochen nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen trafen sich die Spitzen von Union und SPD erstmals zu offiziellen Sondierungsgesprächen. Sie wollen bis Donnerstagabend prüfen, ob es sich lohnt, echte Koalitionsverhandlungen zu beginnen.

14 Themenblöcke stehen in dieser Zeit auf dem Programm, damit sind alle Politikfelder abgedeckt, aber nicht nur das: Ein Punkt ist der SPD besonders wichtig, er lautet „Bürgerbeteiligung und Stärkung der Demokratie“. Die Sozialdemokraten wollen so die Distanz zwischen Bürgern und Politikern wieder verringern.

Merkel wurde deutlicher als Schulz

„Fünf Tage müssen reichen um auszuloten, ob es genügend Gemeinsamkeiten gibt“, sagte SPD-Chef Martin Schulz am Sonntag vor Beginn des Treffens. Er wiederholte seine Standardformel, wonach die Gespräche „ergebnisoffen“ geführt würden, was bedeutet, dass eine große Koalition noch nicht sicher ist. Damit versucht Schulz die vielen Skeptiker in seiner Partei mitzunehmen. Die SPD ziehe „keine roten Linien“, sagte er, sie wolle „möglichst viel rote Politik“ durchsetzen. „Eine neue Zeit braucht eine neue Politik“, betonte Schulz mehrfach und versuchte so, eine Grenze zur bisherigen großen Koalition zu ziehen.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel wurde in zwei Punkten deutlicher. Anders als Schulz sagte sie, sie gehe „optimistisch“ in die Gespräche mit der SPD. „Ich glaube, es kann gelingen“, sagte Merkel – das dachte sie aber schon bei den Jamaika-Verhandlungen. Zweitens bestand die Kanzlerin abermals darauf, eine „stabile“ Regierung bilden zu wollen. Damit meint sie eine echte Koalition.

Angela Merkel ist gegen Minderheitsregierung

Eine Minderheitsregierung, von der einige in der SPD träumen, will sie nicht. Wer ganz genau hinhörte, konnte erkennen, dass Merkel in den wenigen Sätzen vor den Fernsehkameras als Zeichen der Annäherung einige Schlagwörter wiederholte, die führende Sozialdemokraten jüngst benutzten.

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    CSU-Chef Horst Seehofer schließlich formulierte eine klare Erwartung an die Gespräche: „Wir müssen uns verständigen“, betonte er. An der CSU, das machte der Vorsitzende deutlich, sollen die Gespräche über eine große Koalition nicht scheitern. Ähnlich hatte sich auch der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, Alexander Dobrindt, am Wochenende geäußert, auch wenn das im Getöse der Klausurtagung in Kloster Seeon etwas untergegangen war: „Die CSU will, dass eine große Koalition gelingt“, hatte Dobrindt gesagt.

    CSU kommt der SPD entgegen

    Seine Partei hat der SPD bereits Brücken gebaut, zum Beispiel in der Gesundheitspolitik. Hier fordert die CSU eine Reform, mit der die unterschiedlichen Wartezeiten von Kassen- und Privatpatienten bei Fachärzten beseitigt werden sollen. Ähnliches fordert die SPD und verzichtet im Gegenzug seit einigen Tagen darauf, das Reizwort „Bürgerversicherung“ zu nennen.

    39 Unterhändler sollen in den nächsten Tagen alle Themen nach Gemeinsamkeiten und Gegensätzen durchkämmen. Am umstrittensten sind die Flüchtlingspolitik, die Reform Europas, die Steuer-, aber auch die Rentenpolitik. Am Freitag sollen die Gremien der Parteien und die Bundestagsfraktionen über ein bis zu acht Seiten starkes Papier beraten. Ein Sonderparteitag der SPD am 21. Januar wird die Koalitionsverhandlungen erlauben – oder sie blockieren.

    Einen Kommentar zum Thema lesen Sie hier: Visionäre gesucht!