Berlin. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sehnt eine „bürgerlich-konservative“ Wende herbei. Damit verprellt er die Wähler in der Mitte.

Alexander Dobrindt gilt als kluger Kopf. Ein Stratege, der nichts dem Zufall überlässt. Ausgestattet mit einer Hau-drauf-Mentalität, aber auch mit der Eigenschaft, im persönlichen Gespräch mit ruhiger Nachdenklichkeit zu überzeugen. Ein Machtpolitiker, der in seinem neuen Posten als CSU-Landesgruppenchef in der deutschen Hauptstadt gehörig unter Druck steht. Der sich Sorgen um die politische Zukunft der CSU macht in Zeiten, in denen am rechten Rand die AfD lauert. Das Credo des CSU-Übervaters Franz Josef Strauß, wonach es keine Partei rechts der Christsozialen geben darf, hat er sich nun auf die Fahnen geschrieben. Und überzieht dabei.

Vor seiner ersten Winterklausur, die in der CSU einen hohen Stellenwert besitzt, ist Dobrindt in die Vollen gegangen. Neben der Vorstellung einer rigiden Flüchtlingspolitik, die das
bestehende Asylrecht weiter verschärfen soll, plädiert er für eine „bürgerlich-konservative“ Wende. In einem Gastbeitrag zum Auftakt der Klausur macht er eine linke Meinungsführerschaft in Deutschland aus.

„Linke Aktivisten“ seien seit 1968 zu „Meinungsverkündern, selbst ernannten Volkserziehern und lautstarken Sprachrohren einer linken Minderheit“ geworden. Das Berliner Wohnviertel Prenzlauer Berg gilt ihm dabei als Synonym für die linke Vorherrschaft. „Deutschland ist nicht der Prenzlauer Berg, aber der Prenzlauer Berg bestimmt die öffentliche Debatte.“

Seehofer betont Willen der CSU zur großen Koalition

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    Einladung Dobrindts an Viktor Orbán ist unbedacht

    Der Vergleich hinkt schon deshalb, weil das gut situierte Viertel mit seinen Familien bürgerlicher kaum sein könnte. Und bedarf es nach zwölf Jahren Regierung unter Führung der Union tatsächlich einer konservativen Wende? Und wenn ja, wohin? Etwa zu einer Familien- oder Gleichstellungspolitik von vor 1968? Es braucht gesellschaftliche Aufbrüche, etwa Ideen, wie man das soziale Gefüge auf dem Weg ins digitale Zeitalter bewahrt. Oder wie man ein soziales Auseinanderdriften verhindert, ohne eine gesellschaftliche Gruppe zu benachteiligen.

    Auch die symbolträchtige Einladung Dobrindts an Viktor Orbán ist unbedacht. Es sind durchaus Zweifel am demokratischen Selbstverständnis des ungarischen Ministerpräsidenten angebracht, der sich zurzeit auch noch im Wahlkampf befindet. Mühsam hat die CSU mit der Schwesterpartei CDU und ihrer Vorsitzenden Angela Merkel auf ihrem Nürnberger Parteitag wieder zusammengefunden. Muss da einer von Merkels größten Kritikern und Widersachern in der Flüchtlingspolitik mit einem solchen Besuch geadelt werden? Und noch dazu die SPD in angespannter Sondierungszeit verprellt werden? Die Antwort heißt Nein.

    Die CSU gibt die Mitte auf

    CSU-Parteichef Horst Seehofer (l-r), der Ministerpräsident von Ungarn, Viktor Orban, und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Freitag in Seeon.
    CSU-Parteichef Horst Seehofer (l-r), der Ministerpräsident von Ungarn, Viktor Orban, und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Freitag in Seeon. © dpa | Andreas Gebert

    Die CSU gibt die Mitte vorschnell auf. Schon mit ihrer oft harschen Haltung in der Flüchtlingspolitik hatte die Partei den Zorn der Kirchen auf sich gezogen. Dabei sind in der Partei durchaus Zwischentöne zu hören: Zum Beispiel, dass die Christsozialen die Bundestagswahl nicht nur wegen der Flüchtlingskrise verloren haben, sondern weil man zu spät oder gar nicht auf ein soziales Gefälle reagiert hat.

    Und wenn die Abgrenzung zur CDU, die sich unter Merkel noch in der politischen Mitte befindet, zu harsch ausfällt, wird auch die CSU verlieren. Für ihre bundesweite Bedeutung muss ihr sehr daran gelegen sein, dass es in Berlin mit der neuen großen Koalition klappt.

    Dass jede Partei ihren Markenkern herausstellt, zumal bei einer Traditionstagung, ist einleuchtend. Aber nachhaltig zu verprellen, das ist nicht nötig. Und lässt die Wähler der bürgerlichen Mitte, die es auch in München, Nürnberg, Augsburg oder Ingolstadt gibt, verstört zurück.