Berlin. Angela Merkel will schnell eine stabile Regierung bilden. Doch der Druck vor kommenden Gesprächen steigt – nicht nur durch die SPD.

Die Ansage der Kanzlerin war deutlich: „Die Welt wartet nicht auf uns“, sagte Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache. Sie untermauerte damit ihre Botschaft, die sie seit dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen aus CDU, CSU, FDP und Grünen in verschiedenen Varianten wiederholt: Die Hängepartie bei der Regierungsbildung muss dringend beendet werden.

Merkel erklärte, die Politiker hätten den Auftrag, sich um die Herausforderungen der Zukunft zu kümmern und die Bedürfnisse aller Bürger im Auge zu haben. „Wir müssen jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, dass es Deutschland auch in zehn, 15 Jahren gut geht.“

Sie nannte die Sicherung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Herausforderungen der Digitalisierung, aber auch die finanzielle Entlastung von Familien, gute Pflege und die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land. „Und wir werden noch mehr in einen starken Staat investieren müssen, der die Regeln unseres Zusammenlebens verteidigt und für Ihre Sicherheit – für unser aller Sicherheit – sorgt.“ Diesem Auftrag fühle sie sich verpflichtet, „auch und gerade bei der Arbeit daran, für Deutschland im neuen Jahr zügig eine stabile Regierung zu bilden“.

Merkel spricht sich erneut gegen Minderheitsregierung aus

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    Verhandlungen in großer Runde beginnen am 7. Januar

    Merkel, die seit der Wahl nur noch geschäftsführend als Kanzlerin amtiert, hatte sich über Weihnachten ein paar Tage zurückgezogen, verbrachte ihren Weihnachtsurlaub mit ihrem Mann Joachim Sauer in der Schweiz. Nun ist sie zurück und muss versuchen, sich mit den Sozialdemokraten auf eine neue große Koalition zu verständigen.

    Mit den Partei- und Fraktionsspitzen von CDU, CSU und SPD trifft sie sich am 3. Januar zu einem weiteren Vorgespräch. Die Sondierungen in größerer Runde, mit je dreizehn Gesandten pro Partei, beginnen dann offiziell am 7. Januar und sollen schon am 12. Januar abgeschlossen werden. Am 21. Januar entscheidet dann ein SPD-Parteitag in Bonn über das weitere Vorgehen. Sollte es danach förmliche Koalitionsverhandlungen geben, bräuchte der ausgehandelte Vertragstext noch die Billigung durch einen SPD-Mitgliederentscheid.

    Auch Horst Seehofer drückt aufs Tempo

    CSU-Chef Horst Seehofer drückt aufs Tempo: „Ostern ist der allerspäteste Zeitpunkt, dann ist Anfang April. Sonst würde ich sagen, wir hätten unsere Hausaufgaben nicht gemacht als Berufspolitiker, wenn man in einer solchen Zeit keine Regierungsbildung zusammenbringt.“

    Die SPD bleibt abwartend: CDU und CSU müssten sich auf die Sozialdemokraten zubewegen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sieht nach den Erfahrungen mit der letzten großen Koalition bei den bevorstehenden Sondierungsgesprächen klar die Union in der Bringschuld. Sie sei nach wir vor skeptisch, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Denn die SPD habe bei wichtigen Themen wie der Ost-West-Angleichung der Rente oder beim Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit erleben müssen, dass die Union Verabredungen nicht eingehalten habe, beklagte Schwesig, die knapp vier Jahre Familienministerin im Kabinett von Merkel war.

    SPD erwartet Zugeständnisse der Union

    Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen sei „die Union jetzt gut beraten, auf die SPD zuzugehen und nicht gleich wieder zu allem Nein zu sagen“. Es gelte für die Bevölkerung sichtbar große Themen anzupacken, vor allem in den Bereichen Bildung, Pflege und beim Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit.

    Für den Fall einer Regierungsbeteiligung im Bund will die innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion stark vertretene Gruppe der Revier-Abgeordneten speziell Verbesserung für das Ruhrgebiet durchsetzen. „Beteiligungen an möglichen Regierungskonstellationen hängen für uns einzig und allein davon ab, was wir für die Menschen vor Ort erreichen können“, heißt es in einem Eckpunktepapier der siebzehn sozialdemokratischen Ruhr-Abgeordneten.

    SPD-Politikerin: „Die Skepsis in unserer Partei ist groß“

    Das dieser Redaktion vorliegende Papier trägt den Charakter eines Forderungskatalogs. Als Hauptziel formulieren die SPD-Politiker darin die Bekämpfung sozialer Ungleichheit. Festgeschrieben sehen wollen die allesamt direkt gewählten Mandatsträger besonders ein Lieblingsprojekt der Ruhr-SPD: die flächendeckende Einführung eines sozialen Arbeitsmarktes als Mittel gegen die verfestigte Dauerarbeitslosigkeit in der Region. Derzeit gibt es dieses Angebot für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose nur in Dortmund.

    Weitere Kernbedingung für eine Regierungsbeteiligung aus Sicht der Ruhr-Abgeordneten ist eine dauerhafte Entlastung der finanziell gebeutelten Revierstädte. Schlechte Straßen, marode Schulen, Kriminalität: Als Problemlöser seien aus Sicht vieler Bürger hier vor allem die Städte die erste Anlaufstelle. Sowohl bei den Sozialausgaben als auch beim Abbau der gewaltigen Altschuldenberge in den Ruhrgebietsstädten müsse daher endlich eine nachhaltige und dauerhafte Entlastung durch den Bund gewährleistet werden.

    Die Chance auf eine Neuauflage der großen Koalition schätzen die Revier-SPD-Politiker zurückhaltend ein. „Die Skepsis in unserer Partei ist groß“, betonte die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering.