Berlin/Brüssel. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag fordert Einsparungen im EU-Haushalt – und setzt auf rasche Reformen bei der Währungsunion.

Angesichts des näher rückenden Brexit werden in der deutschen Wirtschaft Warnungen vor einem massiven Anstieg der deutschen EU-Beitragszahlungen laut. Sollten sich die EU-Mitgliedstaaten nach dem Austritt des Nettozahlers Großbritannien nicht zu Einsparungen beim aktuellen Aufgabenkatalog entscheiden, „kommen allein auf Deutschland Beitragserhöhungen von bis zu acht Milliarden Euro pro Jahr zu“, warnt die Führung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) in einem Positionspapier zur Europapolitik, das dieser Redaktion vorliegt.

Doch jeder höhere Beitrag aus Deutschland „belastet Unternehmen und andere Steuerzahler hierzulande“. Schon jetzt zahle Deutschland jährlich rund 14 Milliarden Euro mehr in den EU-Haushalt ein, als es aus den verschiedenen Brüsseler Fördertöpfen erhalte. DIHK-Präsident Eric Schweitzer fordert deshalb in einem internen Schreiben Konsequenzen für den EU-Haushalt: „Stärker als bisher müssen wachstumsfördernde Investitionen Vorrang bekommen.“ Der Spitzenverband verlangt, sämtliche Einzelförderprogramme im EU-Haushalt gleichzeitig auf den Prüfstand zu stellen.

DIHK-Spitze drängt zu raschen Reformfortschritten

Es sollte jeweils belegt werden, welchen Beitrag das jeweilige Programm zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa leistete. Erst wenn Einsparungen und Umschichtungen im Etat nicht ausreichten, sollten die Eigenmittel der EU – wozu vor allem die Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten zählen – erhöht werden. Die DIHK-Spitze drängt zugleich vor dem heute beginnenden EU-Gipfeltreffen zu raschen Reformfortschritten unter anderem bei der Wirtschafts- und Währungsunion.

Es gehe bei dem Gipfeltreffen um wirklich viel, erklären Schweitzer und der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Volker Treier in dem Schreiben. „Europa steht im kommenden Jahr vor historischen Weichenstellungen.“ Im Zentrum notwendiger Fortschritte müssten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Handelserleichterungen und die Bildungspolitik stehen – die Verantwortung zu solidem finanzpolitischen Handeln der einzelnen Mitgliedstaaten dürfe nicht geschwächt werden.

Verständigung mit Frankreich auf gemeinsamer Linie

In Brüssel kommen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten zu einem zweitägigen Gipfel zusammen, um unter anderem über die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion zu diskutieren. Dazu hatten die EU-Kommission und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bereits Vorschläge gemacht. Deren Pläne gehen dem DIHK aber zu weit. Die Spitzenorganisation sieht einen europäischen Finanzminister und ein eigenes Eurozonen-Budget kritisch und warnt, ein Euro-Finanzminister könne eher zusätzliche Einnahmen für sich reklamieren und die Gelder vornehmlich zur Umverteilung nutzen.

Allerdings stellt sich der DIHK hinter Vorschläge, den bisherigen Euro-Rettungsschirm ESM zu einem Europäischen Währungsfonds auszubauen. Hilfskredite im ­Krisenfall sollten daraus nur jene Staaten erhalten, die zu Reformen bereit seien. Der Spitzenverband mahnt mit Blick auf die Europapolitik auch eine handlungsfähige Regierung in Deutschland an, um eine Verständigung mit Frankreich auf eine gemeinsame Linie zu ermöglichen.