Montgomery. Ein weiterer Rückschlag für den US-Präsidenten: Die Republikaner verlieren die Wahl in Alabama. Trumps Mehrheit im Senat schrumpft.

Steve Bannon, wie immer mit bluthochdruckrotem Gesicht und Trapperjacke auf der Bühne, hatte sich in „Jordans“ pickepackevoller Party-Scheune in Midland City schon 15 Minuten lang in Rage geredet, da entfuhren dem heimlichen Chef-Ideologen Donald Trumps die entscheidenden Sätze: „Es geht hier um rohe Macht, Leute von Alabama. Das ist eine nationale Wahl morgen. Wenn sie Roy Moore ausschalten, ist die Agenda des Präsidenten in Gefahr. Wir müssen gewinnen. Und wir werden gewinnen.“

Alles richtig analysiert. Bis auf den Schluss. Mit dem knappen Sieg des Demokraten Doug Jones über den Repu­blikaner Moore im historisch stramm konservativen Südstaat bei den Nachwahlen zum Senat in Washington ist das Gegenteil von dem eingetreten, was Bannon und der Präsident der Vereinigten Staaten im stillen Schulterschluss ausbaldowert hatten.

Ex-Verfassungsrichter tritt gegen Abtreibung und Schwulen-Ehe ein

Die Mehrheit der Republikaner im Senat hängt mit künftig 51:49 Sitzen am seidenen Faden. Große Projekte (Mauerbau etc.) und Gesetze (Krankenversicherung, Einwanderungsreform) durch das Parlament zu bringen, wird für das Weiße Haus im heiklen Zwischenwahl-Jahr 2018 noch schwieriger.

Doug Jones feiert seinen Überraschungssieg.
Doug Jones feiert seinen Überraschungssieg. © imago/UPI Photo | MARK WALLHEISER

Für Trump ist das Scheitern des ultraradikal gegen Abtreibung, Schwulen-Ehe und Minderheiten-Schutz eingestellten Ex-Verfassungsrichters Moore, der wie der Präsident im Mittelpunkt des ausufernden Skandals um sexuelle Belästigung von Frauen steht, bereits die zweite persönliche Schlappe. Wie zuvor bei den Gouverneurswahlen in Virginia hatte Trump mit seiner Schützenhilfe für den 70-jährigen christlichen Fundamentalisten eine Niete gezogen. „Seine Autorität als Königsmacher ist endgültig dahin“, sagte ein republikanischer Funktionär in Alabamas Hauptstadt Montgomery.

Kandidat hat Vorliebe für Mädchen im Teenager-Alter

Dritter großer Verlierer des Wahlabends ist Steve Bannon. Der Chef des Propaganda-Portals Breitbart trimmt nach seinem Abgang aus dem Weißen Haus im Nebenberuf die republikanische Partei auf erzkonservative Linientreue. Mit Hilfe der milliardenschweren Mercer-Familie baut er landesweit Kandidaten auf, die in den eigenen Reihen gegen das von Trump angefeindete Partei-Establishment antreten. In Alabama war Moore Bannons Versuchskaninchen.

Obwohl gemäßigte Konservative den Richter auch ungeachtet seiner jetzt zutage getretenen Vorliebe für Mädchen im Teenager-Alter für unwählbar hielten. „Bannon hat in einem todsicher republikanischen Bundesstaat mit seiner von Hetze geprägten Säuberungsaktion dafür gesorgt, dass ein demokratischer Abtreibungsbefürworter gewonnen hat“, ereiferte sich ein republikanischer Parteioberer aus Montgomery, „das muss man auch erst mal hinkriegen.“

Moores Frauengeschichten brachten Fass zum Überlaufen

Wie er halten die meisten Republikaner Moores Liebäugeln mit einer erneuten Stimmenauszählung für „Geplänkel“. Laut Wahlleiter John Merrill, der bis
3. Januar das Endergebnis vorlegen muss, beträgt der Unterscheid rund 21.000 Stimmen. „Ich denke, es ist sehr unwahrscheinlich, dass Doug Jones nicht Senator wird.“

Roy Moore kam auf dem Pferd zum Wahllokal.
Roy Moore kam auf dem Pferd zum Wahllokal. © imago/UPI Photo | imago stock

Evangelikale Wähler, normalerweise die Bastion der Republikaner im Süden, blieben den Wahlurnen auffällig häufig fern. Ganze Landkreise, die einst chronisch republikanisch waren, wechselten über Nacht zu den Demokraten. These von Wahlforschern: Moores Frauengeschichten, vor allem seine Behauptung, er sei Opfer einer Schmierenkampagne, brachten das Fass zum Überlaufen. Dagegen konnten die Demokraten, bei denen auch Trumps Vorgänger Barack Obama die Trommel für Jones rührte, vor allem Frauen und Afroamerikaner mobilisieren.

Ein Zeichen für „Anstand und Würde“

Jones, der am Abend seines 25. Hochzeitstags seinen Überraschungssieg in einem Hotel in Birmingham feierte, sagte im Jubel seiner Anhänger dass sich Alabama für „Anstand und Würde entschieden hat“. NBA-Basketball-Legende Charles Barkley sagte es handfester: „Wir haben der Nation gezeigt, dass wir keine Idioten sind.“

Für Trump, der Jones vor der Wahl als willfährige „Marionette“ der demokratischen Parteispitze und „Risiko für die nationale Sicherheit“ gebrandmarkt hatte, ist das Debakel von Alabama ein „unüberhörbarer Warnschuss“, schreiben viele US-Zeitungen. Er gewann den Bundesstaat Alabama 2016 mit 62 Prozent der Stimmen. Heute rangiert er nur noch bei 48 Prozent. Vielleicht darum verzichtete der Präsident auf die nach Niederlagen üblichen Attacken und gratulierte Jones kleinlaut zu einem „hart erkämpften“ Sieg.