Berlin. Die Freude über steigende Renten und sinkende Beiträge ist nur von kurzer Dauer. Langfristig macht die Rentenfinanzierung Probleme.

Die Renten sollen im kommenden Jahr nennenswert steigen, die Versicherungsbeiträge dagegen leicht sinken. Botschaften, die Ruheständler und Arbeitnehmer erfreuen und die ohnehin vertrackten Jamaika-Sondierungen in Berlin nicht um ein zusätzliches Problemthema verkomplizieren. Kurzfristig jedenfalls nicht. Denn der zweite Teil der Botschaft der Rentenkassen sagt ab 2023 wieder steigende Beiträge und ein weiter sinkendes Rentenniveau voraus. Bis 2030 dürfte es auf 45 Prozent und bis 2045 auf 42,2 Prozent der Durchschnittseinkommen fallen.

Verantwortlich für diesen Trend wird für gewöhnlich der demografische Wandel gemacht. Die Deutschen gebären immer weniger Kinder, werden dafür aber immer älter – sind also selbst an den Problemen der Rentenfinanzierung schuld. Das klingt logisch, ist aber beileibe nicht die ganze Geschichte.

Mehr Geringverdiener trotz brummender Wirtschaft

Denn in der umlagefinanzierten Alterssicherung zahlen nicht Kinder an Greise, sondern beitragspflichtig Beschäftigte an Empfangsberechtigte. Es kommt also vor allem darauf an, möglichst viel Arbeitnehmer in sozialversicherungspflichtigen Jobs zu haben. Hier beginnen neben den biologischen die politischen Probleme.

Trotz brummender Wirtschaft und Rekordbeschäftigung steigt die Zahl der Minijobber, Geringverdiener und prekär Beschäftigten, die wenig oder gar nichts in die Sozialkassen einzahlen. Und die im eigenen Alter auch entsprechend geringe Ansprüche erworben haben werden.

Bis zur Rente mit 67 ist es noch ein weiter Weg

Des Weiteren kommt es nicht nur auf die Menge der Beitragszahler an, sondern vor allem auch auf deren Produktivität. Zahlten zu Zeiten Bismarcks, des Erfinders unseres Rentensystems, ungefähr zehn Arbeiter für einen Rentner, der für wenige Jahre eine lausige Rente bezog, schaffen heute drei Beschäftigte noch immer recht erträgliche Alterseinkünfte für eine Person, die zudem deutlich länger lebt.

Auch die Produktivität hat natürlich ihre Grenzen. Und angesichts der längeren Lebenserwartung ist die Idee einer längeren Lebensarbeitszeit nicht von der Hand zu weisen. Bis zur Rente mit 67 ist es aber noch ein weiter Weg. Das tatsächliche Renteneintrittsalter steigt zwar kontinuierlich an – ist vom Zielalter aber noch ein gutes Stück entfernt. Denn ältere Arbeitnehmer sind normalerweise teurer als junge. Und wer in der Firma Kosten senken muss, denkt gern an sein altgedientes Personal und versüßt ihm gegebenenfalls den Abschied.

Frühes Ausscheiden aus dem Berufsleben belastet Rentenkassen

Zudem können es sich heute noch viele Arbeitnehmer mit langjährigen Verträgen leisten, ab 60 kürzerzutreten oder mit 63 unter Inkaufnahme von Abschlägen das Arbeitsleben zu beenden. Was zum einen zu fehlenden Beiträgen führt und zum anderen schlicht einer Rentenkürzung gleichkommt.

Schließlich ist die Rentenkasse mit allerhand versicherungsfremden Leistungen befrachtet, von Ersatz- und Anrechnungszeiten bis hin zur Mütterrente, die eigentlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Steuermitteln finanziert werden müssten. Zwar zahlt der Bund alljährlich einen Zuschuss zur Rentenversicherung. Der Klarheit und Wahrheit im System dient das allerdings nicht.

Versicherungskonzerne freuen sich über Geschäft mit privater Vorsorge

Die ist vielleicht aber auch gar nicht gewollt. Denn mit dem Demografie-Argument und verwirrenden Zahlenspielen lässt sich die umlagefinanzierte Rente, die immerhin zwei Weltkriege, Inflationen, Währungsreformen und Wiedervereinigung überstanden hat, schlecht- und privater Zusatzvorsorge das Wort reden.

Über das Extrageschäft können sich Versicherungskonzerne freuen, über geringe Lohnnebenkosten die Arbeitgeber. Rentner und Beitragszahler müssen gegenüber der Politik wachsam bleiben.