Die Brexit-Hängepartie ist für beide Seiten gefährlich
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Von Michael Backfisch
Berlin. Weil wichtige Fragen nicht geklärt sind, ist der vereinbarte Brexit-Fahrplan fast vom Tisch. Bis März 2019 wird eine Einigung schwer.
Die Brexit-Verhandlungen standen von Beginn an unter keinem guten Stern. Die 27 übrig gebliebenen EU-Staaten waren enttäuscht, dass die Briten im Juni 2016 der Gemeinschaft den Rücken gekehrt haben. Die Bereitschaft, den Abweichlern die Bye-Bye-Tour mit großzügigen Kompromissen zu versüßen, hielt sich sehr in Grenzen. Die Regierung in London hingegen berauschte sich an der eigenen Traumtänzerei. Allein sei Großbritannien stärker, mächtiger und wirtschaftlich noch erfolgreicher als im Korsett der EU-Autokraten, fabulierte die britische Premierministerin Theresa May.
Der Hochmut auf der Insel kannte dabei keine Grenzen. May gab immer wieder die „eiserne Lady“ und drohte mit einem „harten Brexit“: Ein ungeordneter EU-Austritt schade der Gemeinschaft am meisten, stichelte sie. Ihr Chefunterhändler David Davis saß seinem EU-Gesprächspartner manchmal genüsslich-lächelnd gegenüber, ohne eine einzige Akte auf den Tisch zu legen. „Wir sind in einer starken Position – ihr müsst uns entgegenkommen“, lautete die provozierende Botschaft.
Grundlegende Streitfragen sind nicht gelöst
Diese Marschroute stellt sich nun als Luftnummer heraus. Zwar hat Theresa May mittlerweile die Tonlage geändert. So warb sie bei ihrer Rede in Florenz im September für eine zweijährige Übergangsphase, um den zeitlichen Druck aus den Verhandlungen zu nehmen. Doch EU-Emissäre berichten immer wieder, dass die britische Regierung den Ernst der Lage nicht begriffen habe. Man lüge sich mit optimistischen Szenarien in die Tasche.
Tatsache ist: Die grundlegenden Streitfragen sind bis dato nicht gelöst. Bei der Schlussrechnung für die Briten, die in Brüssel auf 60 bis 100 Milliarden Euro beziffert werden, gibt es ebenso wenig Bewegung wie bei den Rechten der EU-Bürger in Großbritannien oder der Regelung der Grenze zwischen Irland und Nordirland. Der vereinbarte Brexit-Fahrplan ist damit so gut wie vom Tisch, eine Einigung bis Ende März 2019 nicht zu schaffen.
Kein Anlass für Triumphgefühle bei der EU
Die Briten haben sich mit ihrem Kalkül verzockt, die Kostenfrage erst dann zu regeln, wenn die zukünftigen Handelsbeziehungen geklärt sind. Es ist wie im richtigen Leben: Eine einvernehmliche Scheidung setzt voraus, dass sich die Akteure zuvor auf die finanziellen Belastungen verständigt haben. Für billige Triumphgefühle auf EU-Seite gibt es dennoch keinen Anlass. Denn beide Seiten wären Verlierer, wenn es zu einem chaotischen Brexit käme.
Das Kabinett May wäre allerdings besonders hart getroffen. Die britischen Unternehmen müssten beim Handel mit EU-Ländern Zölle bezahlen, was ihre Produkte verteuert. Etliche ausländische Firmen würden aufs europäische Festland abwandern, um den dortigen Markt besser bedienen zu können. Das Gleiche gilt für Banken in der Finanzmetropole London.
33 Dinge, die wir an den Briten lieben
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750.000 deutsche Arbeitsplätze hängen an Exporten
Aber auch die deutsche Wirtschaft würde leiden. Immerhin ist das Vereinigte Königreich nach den USA und Frankreich das drittwichtigste Exportland. Waren und Dienstleistungen, die bislang ein Gesamtvolumen von mehr als 120 Milliarden Euro pro Jahr aufwiesen, wären mit dem Bremsklotz von Zöllen und Abgaben belegt. Allein in Deutschland hängen rund 750.000 Arbeitsplätze an den Ausfuhren nach Großbritannien.
Die Brexit-Verhandlungen sind zu einer gefährlichen Hängepartie geworden. Es wäre zu wünschen, dass beide Seiten ihre Gespräche vom Ende her denken und negative Konsequenzen bereits heute einpreisen. Den Briten, die für ihren Pragmatismus bekannt sind, sollte langsam dämmern, dass die Illusion von einem rosaroten EU-Ausstieg mit einem bitteren Erwachen enden könnte.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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