Florenz. Premierministerin Theresa May schlägt beim Brexit eine Übergangsphase von zwei Jahren vor. Ihre Rede hat direkt Folgen für die Bonität.

Der Ort war sorgfältig ausgewählt. Im italienischen Florenz, dem „historischen Herz“ Europas, wollte die britische Premierministerin Theresa May ihre Grundsatzrede zum Brexit halten, denn es lag ihr daran, den „europäischen Freunden“ zu demonstrieren, dass Großbritannien „zwar die EU, aber nicht Europa“ verlasse. Somit waren die europäischen Entscheidungsträger das primäre Publikum ihrer Adresse. Es läge „in unser aller Interesse“, mahnte May ihre Amtskollegen, dass die Brexit-Verhandlungen ein Erfolg würden. Mehr noch: „Wir teilen ein tiefes Gespür für die Verantwortung, dass dieser Wechsel glatt und vernünftig erfolgt, nicht nur für die Menschen heute, aber auch für die nächste Generation.“

May weiß: Es liegt in der Hand der europäischen Regierungschefs zuzulassen, ob die Brexit-Gespräche in die Phase Zwei eintreten können, wo man nicht mehr über die Modalitäten der Trennung, sondern über die Gestaltung der künftigen Beziehung redet. Bisher sind die Verhandlungen in Brüssel, die im Juni begannen, nicht vom Fleck gekommen. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier pocht darauf, dass drei Bereiche geklärt werden: die Begleichung finanzieller Forderungen der EU, die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien sowie die irische Grenzfrage. Bisher konnte man nur einen Stillstand der Verhandlungen vermelden.

EU-Bürger sollen sich künftig registrieren lassen

Deswegen ist Theresa May nach Florenz gereist. Sie will die Blockade auflösen, indem sie Zugeständnisse macht. Ihr wichtigstes Signal betrifft die Finanzen. May sagte, dass Großbritannien nach erfolgtem Brexit im März 2019 eine zweijährige Übergangsphase anstrebt. Während dieser Zeit wolle man weiterhin Zugang zum Binnenmarkt haben und sei bereit, dafür Zahlungen in den EU-Haushalt zu leisten. May führte aus, dass nach dem Brexit und während des jetzt gültigen Finanzrahmens, der bis 2020 läuft, kein EU-Land finanziell schlechter gestellt wäre.

Das würde bedeuten, dass die britischen Leistungen in Höhe von rund zehn Milliarden pro Jahr, also insgesamt zwanzig Milliarden, weitergehen. Darüber hinaus signalisierte sie eine weiterreichende Bereitschaft: „Großbritannien wird den Verpflichtungen nachkommen, die wir während unserer Mitgliedschaft eingegangen sind.“ Damit sind andere finanzielle Forderungen der EU gemeint wie Pensionsansprüchen von EU-Beamten, langfristigen Finanzzusagen, Kreditgarantien und anderen Verbindlichkeiten.

EU-Ausländer sollen sich auch während der Brexit-Übergangsphase in Großbritannien niederlassen dürfen. Es werde aber Änderungen geben. „Wir werden EU-Bürger darum bitten, sich zu registrieren“, sagte May. Das werde ein Teil der neuen Einwanderungsregeln sein, die nach der Übergangsphase in Kraft treten sollen.

Spaltung innerhalb der Regierung war beim Brexit offensichtlich

May bewegte sich auch in einem anderen Punkt. Bisher war es eine rote Linie für sie gewesen, dass die Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Großbritannien mit dem Brexit aufhört. Die EU dagegen hat darauf bestanden, dass die im Königreich lebenden EU-Bürger weiter Rechtsmittel beim EuGH einlegen dürfen. Was die irische Grenzfrage anging, hatte May nicht viel zu bieten. Sie wiederholte, was ihr Brexit-Minister David Davis zuvor gefordert hatte: Man wolle keinesfalls eine harte Grenze, keine „physische Infrastruktur“, sondern eine Beibehaltung der gemeinsamen Reisezone.

Mitgebracht nach Florenz hatte Theresa May ihre wichtigsten Regierungskollegen: den Finanzminister Philip Hammond, den Außenminister Boris Johnson und den Brexit-Minister David Davis. Sie saßen in der ersten Reihe. Die drei verkörpern die unterschiedlichen Positionen innerhalb des Kabinetts – vom weichen Brexit, den Hammond vertritt, bis zum harten Ausstieg, den Johnson bevorzugen würde. In der vergangenen Woche wurden die Spaltung innerhalb der Regierung beim Brexit offensichtlich, nachdem Boris Johnson seine eigene Brexit-Vision in Konkurrenz zur May-Rede veröffentlicht hatte.

Heftige Debatte über die künftige Beziehung zur EU

Der Auftritt der Minister sollte die Einigung und einen neuen Schulterschluss in Sachen EU-Austritt demonstrieren. Doch das Bild der Geschlossenheit trügt. Hinter den Kulissen wird immer noch heftig darüber gerungen, wie die künftige Beziehung aussehen soll, die Großbritannien nach dem Brexit mit der EU haben will.

Folgerichtig hatte May zu diesem Thema zwar einiges, aber vor allem vages zu sagen. Man wolle weder den Deal kopieren, den Norwegen hat, noch das Freihandelsabkommen übernehmen, das Kanada abgeschlossen hat. Stattdessen sprach die Premierministerin von einem maßgeschneiderten Abkommen, das der besonderen Situation Großbritanniens gerecht wäre. „Lasst uns ebenso kreativ wie praktisch sein“, appellierte May, „indem wir eine ambitionierte wirtschaftliche Partnerschaft entwerfen.“ In diesem Punkt wird sich das Kabinett noch zusammenraufen müssen, bevor man in die angestrebte Phase Zwei der Gespräche eintreten kann.

Moody’s stuft Kreditwürdigkeit herab

Nur wenige Stunden nach der Brexit-Rede reagierte die US-Ratingagentur Moody’s. Sie hat ihre Einschätzung der Kreditwürdigkeit Großbritanniens nach unten korrigiert. Das Rating werde von „Aa1“ auf „Aa2“ gesenkt, teilte Moody’s am späten Freitagabend mit. Die Aussicht für die Staatsfinanzen habe sich „erheblich verschlechtert“, hieß es zur Begründung. Es seien steigende Schulden zu erwarten, der Erfolg von Konsolidierungsbemühungen sei fraglich. Die Probleme würden durch eine wahrscheinliche wirtschaftliche Abschwächung auf mittlere Sicht infolge des Austritts aus der Europäischen Union verschärft.