Berlin. Nach Wochen des Zögerns wird das Tempo in den Jamaika-Verhandlungen höher. Grüne und FDP zeigen sich in Streitthemen gesprächsbereit.

Der Spruch des Tages kommt mal wieder von Alexander Dobrindt. „Das Abräumen von Schwachsinnsterminen ist noch kein Kompromiss“, kommentiert der CSU-Landesgruppenchef vor dem Beginn der zweiten Etappe der Jamaika-Sondierungen am Dienstag. Es ist eine gezielte Provokation in Richtung Grüne.

Im Wahlkampf hatte ein versteckt aufgezeichnetes Zitat von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann für Unruhe in der Ökopartei gesorgt: Der Grünen-Politiker hatte die Pläne seiner Partei, ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen, als „Schwachsinnstermine“ kritisiert.

Grüne wollen Fokus auf Emissionsminderung legen

Doch trotz des Dobrindtschen Polterns, es bewegt sich was in den Gesprächen: Vor der zweiten Sondierungsrunde hatten beide Grünen-Flügel Signale der Kompromissbereitschaft an die möglichen Koalitionspartner CDU, CSU und FDP gesendet. „Mir ist klar, dass wir alleine nicht das Enddatum 2030 für die Zulassung von fossilen Verbrennungsmotoren durchsetzen werden können“, sagte Parteichef Cem Özdemir vom bürgerlichen Flügel der „Stuttgarter Zeitung“. Nötig sei aber „ein klares Bekenntnis, dass wir alles dafür tun, um die Fahrzeuge der Zukunft – vernetzt, automatisiert und emissionsfrei – zu bekommen“.

Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen am Dienstag in Berlin.
Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen am Dienstag in Berlin. © dpa | Silas Stein

Im Wahlkampf hatte Özdemir sich nicht auf das Enddatum 2030 festlegen lassen. Co-Parteichefin Simone Peter, die zum linken Flügel gehört, signalisierte ebenfalls Entgegenkommen – im Kohle-Streit. Für die Grünen komme es nicht darauf an, ob das letzte Kohlekraftwerk 2030 oder 2032 vom Netz gehe, entscheidend sei die CO2-Emissionsminderung. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bewertete das als „vernünftig“. FDP-Chef Christian Lindner rückte von seinen Forderungen nach einer großen Steuerentlastung um 30 bis 40 Milliarden Euro ab.

CSU bewegt sich beim Thema Flüchtlinge bislang nicht

Die „Zeit des Brückenbauens“, wie es Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nennt, kommt offenbar gut an. Nach drei Wochen des Zauderns und Zögerns gibt es nun Tempo bei den Gesprächen: Anders als geplant werden nur kleine Arbeitsgruppen in den nächsten Tagen die wichtigen Themen erarbeiten. Am Freitag soll sich dann die große Verhandlungsgruppe bereits über die Arbeitspapiere beugen. Sollten diese von allen vier Parteien gebilligt werden, dann hätte man erste Ergebnisse der Sondierungen.

Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner nennt diese Arbeitsweise ein Umschalten vom „Sammelmodus in den Arbeitsmodus“. Er sagt aber auch: „Es ist nichts vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist.“ Diese skeptische Satz hat damit zu tun, dass sich die Grünen nach den Sondierungsgesprächen von einem Parteitag eine Bestätigung für Koalitionsverhandlungen abholen müssen. Ohne die Zustimmung der Delegierten gibt es kein Jamaika.

Als Problem gilt nun etwa die CSU, die sich besonders beim Thema Flüchtlinge bislang nicht bewegt, hieß es aus Verhandlungskreisen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer spricht von „Konkretisieren und Komprimieren“. Doch auch in der CDU wird man sich zusehends bewusst, dass man nicht nur als Moderator der Gespräche wahrgenommen werden darf.

CDU-Wirtschaftsflügel stellt Rente mit 63 in Frage

Der Wirtschaftsflügel der Union macht etwa bei der Rente Druck: Wirtschaftsrat-Generalsekretär Wolfgang Steiger betont gegenüber unserer Redaktion: „Dass vor allem Facharbeiter von der Rente mit 63 Gebrauch machen, ist in einer Zeit, in der dringend Fachkräfte gesucht werden, eine kontraproduktive Entwicklung. Das einstige SPD-Wahlgeschenk muss auslaufen.“

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    Die Kosten der Frühverrentung seien horrend. „In einer alternden Bevölkerung muss an die Arbeitnehmer das Signal gesendet werden, dass wir länger statt kürzer arbeiten müssen“, so Steiger. Der Schlüssel liege in der Verlängerung der Lebensarbeitszeit und der Bindung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung.

    Verhandelt wurde am Dienstag übrigens im Saal der Unionsfraktion im Reichstag. Auch das gilt als Zeichen, dass die Parteien sich aufeinander zubewegen. Zuvor hatte man sich stets in der feinen Parlamentarischen Gesellschaft getroffen, auf neutralem Boden – und den obligatorischen Balkonbildern. Mit denen ist es nun fürs Erste vorbei.