Madrid. Die Staatsanwaltschaft in Brüssel prüft den spanischen Haftbefehl gegen Puigdemont. Ein Gericht entscheidet über seine Auslieferung.

Für den katalanischen Separatistenchef Carles Puigdemont wird die Zeit knapp. Noch in der Nacht zu Samstag kamen die Europäischen Haftbefehle der spanischen Justiz gegen Puigdemont und vier mit ihm nach Brüssel geflüchteten Getreuen bei den belgischen Behörden an. Die Staatsanwaltschaft in Brüssel bestätigte den Eingang der Schreiben. Die Haftbefehle würden nun geprüft, hieß es im belgischen Justizministerium.

Der nächste Schritt sei die Festnahme von Puigdemont und den anderen Ex-Ministern, erklärte Belgiens Justizminister Koen Geens. Danach müssen die ehemaligen katalanischen Regierungsmitglieder innerhalb von 24 Stunden einem Richter vorgeführt werden. Dieser entscheide dann, ob sie in Haft bleiben oder der Haftbefehl abgelehnt werde, so Geens.

Verfahren könnte sich in die Länge ziehen

Bleibt er aufrechterhalten, hat das Gericht 15 Tage Zeit, über eine Abschiebung zu entscheiden. Sowohl Staatsanwalt als auch die betroffenen Personen können dann Einspruch einlegen. Über den Einspruch muss ebenfalls innerhalb von 15 Tagen entschieden werden. Ein weiterer Einspruch beim belgischen Revisionsgericht ist möglich.

Dies könnte das Verfahren weiter in die Länge ziehen. Nach den gültigen EU-Regeln hat die belgische Justiz 60 Tage Zeit, über die Auslieferung zu entscheiden – lediglich in Ausnahmefällen kann die Frist um weitere 30 Tage verlängert werden.

Puigdemont rief zur Einheit „aller Demokraten“ auf

Puigdemont gab sich unbeugsam. Er sei nicht geflohen, sagte er dem belgischen Fernsehsender RTBF. Er betonte, er wolle in Belgien nicht Asyl beantragen und setze weiterhin auf Dialog zur Lösung des Konflikts. In einer ersten Reaktion auf den Haftbefehl rief Puigdemont zur Einheit „aller Demokraten“ auf.

Der Politiker präsentierte auch eine Internetpetition zur Bildung einer „Einheitsliste“ der Unabhängigkeitsbefürworter für die Neuwahlen am 21. Dezember in der Region im Nordosten Spaniens. Nach gut einer Stunde waren bereits rund 15.000 Menschen dem Aufruf zur Unterzeichnung gefolgt.

Vorwurf: Unabhängigkeit illegal vorangetrieben

Am Freitagabend hatte die spanische Ermittlungsrichterin Carmen Lamela die fünf internationalen Haftbefehle ausgestellt und auf elektronischem Wege von Madrid nach Brüssel geschickt. Lamela wirft Puigdemont und seinen früheren Regierungsmitgliedern vor, in den letzten zwei Jahren auf illegale Weise die Unabhängigkeit der spanischen Region Katalonien vorangetrieben zu haben.

Dabei sei bewusst gegen die spanische Verfassung und auch gegen zahlreiche Gerichtsverbote verstoßen worden. Zugleich sei die katalanische Bevölkerung aufgestachelt worden, den rechtswidrigen Abspaltungsprozess zu verteidigen und sich, etwa beim illegalen Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober, richterlichen und polizeilichen Anordnungen zu widersetzen.

Puigdemonts Anwalt beriet bereits ETA-Mitglieder

Puigdemonts belgischer Anwalt Paul Bekaert machte bereits deutlich, wie die Verteidigungsstrategie aussieht: Er werde einen denkbaren Auslieferungsbeschluss der belgischen Justiz „auf jeden Fall“ anfechten. Der Anwalt, ein Spezialist für Auslieferungsrecht, hatte in der Vergangenheit auch schon mehrere in Belgien festgenommene ETA-Terroristen vor der Auslieferung nach Spanien bewahrt. Es ist somit nicht mit einer schnellen Überstellung Puigdemonts an die spanischen Behörden zu rechnen.

So demonstrieren die Spanier für Dialog

Dialog statt Konfrontation: Eine Woche nach dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien fordern – wie hier in Barcelona – Zehntausende Menschen, die verhärteten Fronten aufzubrechen.
Dialog statt Konfrontation: Eine Woche nach dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien fordern – wie hier in Barcelona – Zehntausende Menschen, die verhärteten Fronten aufzubrechen. © REUTERS | ERIC GAILLARD
Auf zahlreichen Schildern rufen sie die Politiker der Zentralregierung in Madrid und der Regionalregierung in Barcelona auf, wieder miteinander zu reden.
Auf zahlreichen Schildern rufen sie die Politiker der Zentralregierung in Madrid und der Regionalregierung in Barcelona auf, wieder miteinander zu reden. © REUTERS | GONZALO FUENTES
Die meisten Demonstrierenden haben sich ganz in Weiß gekleidet.
Die meisten Demonstrierenden haben sich ganz in Weiß gekleidet. © REUTERS | ERIC GAILLARD
Einige Menschen haben zudem weiße Luftballons mitgebracht.
Einige Menschen haben zudem weiße Luftballons mitgebracht. © REUTERS | ERIC GAILLARD
„Lass und reden“ und „Dialog“ steht auf den Plakaten dieser beiden Demonstranten in Barcelona.
„Lass und reden“ und „Dialog“ steht auf den Plakaten dieser beiden Demonstranten in Barcelona. © REUTERS | ERIC GAILLARD
Das Symbol für Frieden hat sich diese Frau auf die Wangen gemalt. Während des Referendums waren Polizisten zum Teil gewaltsam gegen Wähler vorgegangen. Hunderte Menschen wurden verletzt.
Das Symbol für Frieden hat sich diese Frau auf die Wangen gemalt. Während des Referendums waren Polizisten zum Teil gewaltsam gegen Wähler vorgegangen. Hunderte Menschen wurden verletzt. © REUTERS | ERIC GAILLARD
Auch in Madrid kommen Menschen zusammen, die sich gegen die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien aussprechen.
Auch in Madrid kommen Menschen zusammen, die sich gegen die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien aussprechen. © dpa | Carola Frentzen
Hier bestimmen spanische Flaggen das Bild.
Hier bestimmen spanische Flaggen das Bild. © dpa | Paul White
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Bekaert will die Auslieferung mit jenen Behauptungen bremsen, mit denen auch Puigdemont den spanischen Staat attackiert: Die Beschuldigten könnten in Spanien keinen fairen Prozess erwarten, weil Richter und Staatsanwälte nicht unabhängig, sondern der Regierung zu Diensten seien. Die katalanischen Separatisten würden aus politischen Gründen verfolgt. Und das ihnen vorgeworfene Delikt der Rebellion, das mit bis zu 25 Jahren Haft bestraft werden kann, sei juristisch nicht stichhaltig.

Diese fünf Delikte werden Puigdemont vorgeworfen

Spaniens Justiz wirft Puigdemont und seinen ehemaligen Kabinettsmitgliedern insgesamt fünf Delikte vor: Rebellion gegen den spanischen Staat, das Anzetteln von Aufruhr, Rechtsbeugung, Ungehorsam und Veruntreuung von öffentlichen Geldern.

Zudem könnte noch die widerrechtliche Aneignung von Ämtern hinzukommen, da die Geflüchteten auch nach ihrer Absetzung behaupten, die „legitime Regierung“ Kataloniens zu repräsentieren. Die spanische Regierung verlor über das juristische Verfahren kein Wort. „Wir respektieren die Gewaltenteilung“, hieß es von offizieller Seite.