Brüssel. Der abgesetzte Regionalpräsident begründet seine Flucht mit dem fehlenden Schutz in Spanien. Für eine Rückkehr verlangt er Zusagen.

Den Kampf um die Unabhängigkeit Kataloniens hat der abgesetzte Regionalpräsident Charles Puigdemont erst einmal verloren. Im neuen Exil gibt er sich nun so entschlossen wie geschmeidig: „Niemand von uns hat die Arbeit für die Unabhängigkeit aufgegeben“, ruft der 54jährige am Dienstagmittag in einer überfüllten Pressekonferenz im Zentrum Brüssels.

Er appelliere an das katalanische Volk, sich auf einen langen Marsch vorzubereiten. Doch Puigdemont selbst will den Kampf jetzt lieber von Brüssel aus auf europäischer Ebene fortsetzen, weil er hier seine Freiheit und Sicherheit besser gewährleistet sieht.

Puigdemont fordert Zusicherungen

Und: Der Weg zur Unabhängigkeit, erklärt er seinen Landsleuten, müsse „verlangsamt“ werden. „Wir können keine Republik für alle auf Gewalt gründen.“ Puigdemont akzeptiert aus der Ferne nun sogar die von der spanischen Zentralregierung für den 21. Dezember angesetzten Neuwahlen, die er bis vergangenen Freitag noch ablehnte.

Es klingt nach einem Rückzugsgefecht: Einen Tag zuvor hatte der katalanische Separatist mit seiner Flucht aus Spanien die Niederlage indirekt eingestanden. Seitdem die spanische Polizei die Macht über die katalanische Polizei übernommen habe, hätten er und seine Kabinettskollegen keinen Schutz mehr gehabt, begründet Puigdemont die Flucht.

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    Er wolle sich der Justiz nicht entziehen, aber er werde erst nach Katalonien zurückkehren, wenn er Zusicherungen für einen unabhängigen Prozess erhalte. Spekulationen, er wolle in Belgien Asyl beantragen, weist der frühere Regionalpräsident zurück – ob dies das letzte Wort ist, lässt sein Anwalt allerdings offen. Puigdemont drohen bis zu 30 Jahre Haft in Spanien wegen des illegalen Referendums Anfang Oktober und der Unabhängigkeitserklärung vom vergangenen Freitag.

    Asyl ist unwahrscheinlich

    Am Montag hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn und weitere Regierungsmitglieder erhoben. Wie lange er unter diesen Bedingungen in Brüssel bleibt, ist völlig unklar. Dass er auf Dauer nicht willkommen ist, hat der belgische Premier Charles Michel schon erkennen lassen: Es droht Streit in der Koalition und womöglich ein Konflikt auch mit Spanien.

    Denn für den kleinen Koalitionspartner, die nationalistisch-flämische Partei N-VA, hatte der Staatssekretär für Asyl und Migration, Theo Francken, politisch verfolgten Katalanen großzügig Asyl angeboten. Doch der Offerte widersprach Premier Michel umgehend, sein Stellvertreter legte Puigdemont nahe, besser „in der Nähe seines Volkes“ zu bleiben. Der Katalane beruft sich indes auf die Reisefreiheit in der EU.

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      Dass Puigdemont Asyl in Belgien erhalten würde, ist unwahrscheinlich: Generell haben sich die EU-Staaten gegenseitig den Status sicherer Herkunftsländer zugesichert. In der Vergangenheit hatte Belgien aber die Auslieferung von mutmaßlichen ETA-Terroristen an Spanien wiederholt verzögert, was zu Spannungen mit Madrid führte. Puigdemont lässt sich nun von jenem Anwalt vertreten, der in Belgien auch die Sache der ETA-Leute verteidigte.

      Wahltermin beruhigt die Lage

      EU-Politiker bewerten die Entwicklung im Katalonien-Konflikt positiv. Der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), sagte dieser Zeitung: „Es ist gut, dass sich die Lage in Katalonien klärt und dass Recht wieder in ganz Spanien umfassend gilt.“ Konflikte könnten in Europa nur auf Grundlage der Verfassungen der Länder geklärt werden.

      Auch die Separatisten hätten jetzt erkannt, dass der Rechtsstaat die Grundlage Europas sei. Die Zentralregierung in Madrid habe jetzt auch mit dem Ansetzen eines Wahltermins die Lage beruhigt. Weber mahnte aber, der bereits entstandene wirtschaftliche Schaden und die Spannungen in der Gesellschaft „zwingen dazu, dass in Katalonien eine Koalition der Vernunft und des Miteinanders entstehen.“ Der Chef der Grünen/EFA-Fraktion, Philippe Lamberts, äußerte die Hoffnung, „dass die Wahlen im Dezember den verfassungsmäßigen Dialog in Spanien wieder herstellen.“