Prag. Die Protestbewegung von Andrej Babiš hat die Parlamentswahlen klar gewonnen. Doch kaum jemand will mit dem Euroskeptiker arbeiten.

Zwei Tage nach der Wahl steht Tschechien vor einem politischen Scherbenhaufen. Knapp 61 Prozent der Wahlberechtigten haben am Sonnabend über das neue Parlament abgestimmt – und erteilten den traditionellen und pro-europäischen Parteien eine Absage. Der Wahlgewinner, der umstrittene Unternehmer Andrej Babiš sagte am Abend: „Ich bin bereit, unsere Interessen in Brüssel durchzusetzen.“ Im Vorfeld hatte er sich für ein Europa der „starken Nationalstaaten ausgesprochen.“ Am Wahlabend versicherte er: Tschechien sei und bleibe ein fester Bestandteil der Nato und der EU.

Die Protestbewegung ANO („Ja“) des Milliardärs Andrej Babiš hat die Parlamentswahl in Tschechien mit einem massiven Vorsprung gewonnen. Die Populisten kamen auf 29,6 Prozent der Stimmen – der Vorsprung auf die zweitplatzierten Bürgerdemokraten (ODS) beträgt mehr als 18 Prozentpunkte. Um eine Regierungsmehrheit zu bilden, benötigt Babiš nun die Unterstützung von zwei Parlamentsparteien.

Debakel für Sozialdemokraten

Auch die zwei anderen großen Gewinner der Wahlen, die rechtsradikale SPD (Freiheit und direkte Demokratie) – denen Marine Le Pen vom französischen Front National ihre Unterstützung ausgesprochen hatte – und die tschechischen Piraten traten im Wahlkampf als Fundamentalopposition gegen die bestehende politische Ordnung an. Beide ziehen mit knapp elf Prozent ins Parlament ein. Die Sozialdemokraten (ČSSD), die bisher den Regierungschef gestellt hatten, erlebten ein Debakel. Sie stürzten trotz einer boomenden Wirtschaft von 20,5 Prozent auf 7,3 Prozent ab.

Neun Parteien und politische Bewegungen teilen sich nun 200 Sitze im Parlament. Wahlsieger Babiš, der immer wieder angekündigt hatte, die „korrupte Klientelpolitik“ zu beenden und „den Staat wie eine Firma lenken“ zu wollen, zeigte sich noch am Wahlabend offen für Koalitionsverhandlungen. Er habe alle Parteien per SMS zu Gesprächen eingeladen. Seinen Gegnern und den Medien warf der zweitreichste Tscheche und Besitzer wichtiger Tageszeitungen eine „massive Desinformationskampagne“ vor.

Nur Rechtsradikale schließen Koalition mit Babis-Partei nicht aus

Am Sonntag haben die meisten Parteien erneut eine Koalition mit ANO ausgeschlossen. Grund: man wolle keinen Premierminister, der strafrechtlich verfolgt werde. Gegen Babiš wird wegen des Verdachts von Subventionsbetrug ermittelt. Lediglich die rechtsradikale SPD hat bislang die Beteiligung an einer Regierung mit Babiš als Premier nicht ausgeschlossen.

Der stellvertretende Vorsitzende der ANO-Bewegung Jaroslav Faltýnek hat darauf hingewiesen, dass Babiš mit dem neuen Mandat wieder Immunität genieße. Die hatte ihm das Parlament wegen der Ermittlungen zuvor entzogen.