Berlin. Erschreckend schnell und entspannt sind die Parteien nach der Bundestagswahl zur Tagesordnung übergegangen.

Manche halten es für eine Zäsur. Für die Kanzlerin ist es wohl nur ein Tapetenwechsel – und das ausgesuchte Muster: Jamaika. Man wundert sich allerdings über die Bierruhe, mit der CDU, CSU, FDP und Grüne ihre Koalition angehen. Vielleicht wird es Dezember, vielleicht Januar. So lange wird das Land nicht regiert, sondern verwaltet, was wiederum vertraut anmutet.

Es gibt viel Verdrossenheit. Und doch gehen die Parteien eine Woche nach der Bundestagswahl zur Tagesordnung über, schon die Geländegewinne im niedersächsischen Wahlkampf im Auge. Wo man hinguckt, Macht- und Revierkämpfe: Die CSU bietet ein Naturschauspiel, alter Löwe, junger Löwe, Seehofer gegen Söder. Die FDP hat Heißhunger auf das Finanzministerium, die SPD ihren „Mister 100 Prozent“ zu einer halben Portion gemacht. Die kleinen Parteien bereiten sich generalstabsmäßig auf Verhandlungen vor. Die FDP weiß aus Erfahrung, dass man als Angela Merkels Partner schnell unter die Räder kommen kann.

Dobrindt sieht eine „Nichtauseinandersetzung mit dem, was gefühlt wird“

Der Mangel an demokratischer Teilhabe ist erschreckend. Daran ändert wenig, dass die Mitglieder von Grünen und FDP über eine Koalition abstimmen sollen. Ist ein Vertrag erst fertig ausgehandelt, gilt die „Vogel, friss oder stirb“-Logik. Natürlich könnten sie ihn ablehnen, bloß würden sie damit ihre Führungen schwächen.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. © dpa | Sven Hoppe

Demokratie heißt Herrschaft des Volkes. Aber dieses spürt, dass die Demokratie ihm keine Macht verschafft. Der CSU bleibt die Stimmung nicht verborgen. Generalsekretär Scheuer macht einen „Trend der Unzufriedenheit“ aus, Landesgruppenchef Dobrindt eine „Nichtauseinandersetzung mit dem, was gefühlt wird“.

Es gibt reale Sorgen: das Stadt-Land-Gefälle, die Zukunft der EU, Jobverluste durch Digitalisierung, soziale Ungleichheit. Von den Debatten, die stattdessen geführt werden, hat man genug. Die Obergrenze ist nur eine alte Tapete.