New York. US-Präsident Trump will das Atomabkommen mit Teheran ändern – oder platzen lassen. Damit droht ein nukleares Wettrüsten im Nahen Osten.

Neben Nordkorea droht der Welt eine zweite Atomkrise. US-Präsident Donald Trump will das Atomabkommen mit dem Iran einseitig deutlich „nachbessern“, wenn nicht sogar platzen lassen. Diesen „alarmierenden“ Eindruck haben europäische Spitzenpolitiker nach Trumps Rede bei der UN-Generalversammlung in New York und Gesprächen mit US-Außenminister Rex Tillerson gewonnen. „Wir haben jedes Interesse, das Atomabkommen mit Iran nicht zu gefährden und erst recht nicht aufzukündigen, nicht jetzt, und nicht in der Zukunft“, sagte der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Der Sozialdemokrat fürchtet einen Domino-Effekt.

Kippt das Abkommen mit dem Iran, werde der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un mit Lichtgeschwindigkeit an seinem Nuklear- und Raketenprogramm arbeiten. Gabriel: „Meine große Sorge ist, dass wir künftig keine Chance haben, andere Staaten daran zu hindern, sich Atomwaffen zu beschaffen.“

Gabriel pocht auf Beibehaltung der Vereinbarung

Wie Gabriel pocht auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini auf Beibehaltung der Vereinbarung mit Teheran. Sie war 2015 nach jahrelangen Verhandlungen zustande gekommen. Dem Iran wird darin unter Kontrollen seiner Nuklearanlagen durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien die Entwicklung von Atomwaffen untersagt. Als Gegenleistung fallen Wirtschaftssanktionen schrittweise weg.

Bei einer Sitzung der Außenminister der fünf UN-Sicherheitsratsmitglieder (USA, China, Russland, Frankreich, England), Deutschlands und des Irans am Mittwochabend habe Tillerson dagesessen „wie eine Salzsäule“, sagt ein Teilnehmer der Runde. Obwohl der frühere Öl-Manager offiziell bestätigte, dass Teheran sich an die Bestimmungen hält, machte der Chef-Diplomat erheblichen Nachbesserungsbedarf geltend. Der Iran erfülle nicht den „Geist“ des Abkommens, sondern sei im Nahen Osten durch die Unterstützung von Terrorgruppen und des syrischen Machthabers Assad eine Hauptquelle für Destabilisierung, so Tillerson.

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    Teheran lehnt neue Verhandlungen ab

    Trump hatte im Wahlkampf und seit Amtsantritt gedroht, den von seinem Vorgänger Obama orchestrierten „schlechtesten Deal aller Zeiten zu zerreißen“. Sein Standpunkt, stark vereinfacht: Teheran bekommt durch neu erlaubten Handel Milliarden, bastelt aber weiter an seinem Atomprogramm und terrorisiert die arabischen Nachbarn und Israel. Trotz dieser Wahrnehmung bescheinigte Trump dem Iran gegenüber dem Parlament in Washington bisher zweimal die alle 90 Tage anstehende Unbedenklichkeit in puncto Vertragserfüllung. Damit soll beim nächsten Termin am 15. Oktober Schluss sein, erklären US-Regierungsoffizielle. Trump sagte gegenüber Medienvertretern in New York, er habe sich bereits entschieden, ließ aber offen, wozu.

    Verweigert Trump „grünes Licht“, kann der Kongress in Washington binnen 60 Tagen über die Wiedereinsetzung von Sanktionen entscheiden. Für diesen Fall wird damit gerechnet, dass sich der Iran nicht mehr an seine Verpflichtungen gebunden fühlt und seine strikt limitierte Uran-Anreicherung hochfahren wird. Ein nukleares Wettrüsten im Nahen Osten könnte die Folge sein. Irans Widersacher Saudi-Arabien spielt ebenfalls mit der nuklearen Option.

    Sanktionen des Kongresses hätten weitreichende Konsequenzen

    De jure können die Amerikaner nicht einfach aus dem Atom-Deal aussteigen. Das Papier ist der Zusatz zu einer Resolution des UN-Sicherheitsrates. Es kann nur auf dieser Ebene gekündigt werden – und nur dann, wenn Teheran gegen die Abmachungen verstößt. Aber Außenminister Gabriel hebt hervor, dass die Vereinbarung bei einem Exit der Amerikaner „im Kern“ beschädigt sei. Sanktionen des Kongresses hätten weitreichende politische und wirtschaftliche Konsequenzen. Seine Sorge: Europäische Unternehmen und Banken würden aus Angst um ihr US-Geschäft den Iran meiden, in Teheran bekämen anti-westliche Hardliner Aufwind.

    Obwohl die Republikaner in beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit haben, bestand dort bis zuletzt wenig Neigung, „am Iran-Deal zu kratzen“, sagte der Büroleiter eines republikanischen Senators dieser Redaktion: „Das Parlament hat gerade andere Großbaustellen.“

    Macron hat Tür für Nachverhandlungen geöffnet

    Trump würde nach Angaben von Regierungskreisen die 60-Tage-Frist im Parlament dazu nutzen wollen, den Iran und die anderen Partner zurück an den Verhandlungstisch zu zwingen, um schärfere Auflagen zu erreichen. Teheran lehnt das ab. Auch Deutschland, China und die EU-Außenbeauftragte zeigten sich mehr als reserviert. Tenor: Man dürfe keine vertragsfremden Forderungen draufsatteln.

    Dagegen hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Tür für Nachverhandlungen geöffnet und damit Trump Entgegenkommen signalisiert. Zwar soll der Nuklear-Deal beibehalten werden, sagte er. Ihn zu kündigen, wäre ein „schwerer Fehler“. Doch seien „zwei oder drei Säulen“ zu ergänzen. Macron denkt daran, das ballistische Raketenprogramm des Irans zu beschränken. Zudem soll die Frist, bis zu der Teheran bei der Anreicherung von Uran die Hände gebunden sind, über 2025 hinaus verlängert werden. Und: Man müsse mit dem Iran „über seine Rolle im Nahen Osten sprechen“.

    Äußerungen von Irans Präsident Rohani ist zu entnehmen, dass Teheran eine zweite Verhandlungsrunde ablehnen würde. Das vorhandene Abkommen sei eine Vereinbarung, „die zwei Jahre lange Verhandlungen über jedes einzelne Wort, jeden einzelnen Satz erfordert hat“, sagt er vor Journalisten. Man werde den Vertrag nicht verletzen, aber „entschieden“ reagieren, wenn andere dies täten.