Berlin. Die FDP macht sich in Berlin Mut für die letzten Tage vor der Wahl. Zehn zentrale Forderungen sollen den Liberalen Stimmen bringen.

Eine Neuauflage von Schwarz-Gelb, mit FDP-Chef Christian Lindner als Finanzminister und Vizekanzler, dazu die Ministerien für Bildung und Digitales, Wirtschaft und Justiz: So sähe es aus, wenn die Liberalen sich ihr Wunschergebnis nach der Bundestagswahl aussuchen dürften. Doch dazu müsste es für ein Zweierbündnis mit der Union reichen – und danach sieht es derzeit nicht aus. Wahrscheinlicher sind eine große Koalition oder ein Dreierbündnis von Union, FDP und Grünen. Doch auch eine solche Jamaika-Koalition wird komplizierter – erst recht nach diesem Sonntag, an dem Liberale und Grüne bei ihren Parteitagen die gegenseitige Abneigung zementiert haben.

Eine Woche vor der Wahl schenken sie sich nichts mehr. FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki empfiehlt Grünen-Chef Cem Özdemir, morgens mal „eine Tüte“ Haschisch zu rauchen, um wieder von seinen Attacken „runterzukommen“. Lindner zählt alle grünen Beschimpfungen der vergangenen Wochen auf – vom „Klimaleugner“ bis zum „Diktatorenversteher“. Vor allem letzteres hat Lindner getroffen. „In unserem Verhältnis zu Russland fehlt es an Konsequenz und Dialogbereitschaft gleichermaßen“, bekräftigt er seine Haltung, die Brücken zu Russlands Staatschef Wladimir Putin nicht abzubrechen.

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Und der Klimaschutz? „Profite first, Klimaschutz second“ steht auf den Plakaten, die eine kleine Truppe Demons­tranten am Sonntag vor dem Tagungshotel der FDP im Berliner Südosten hochhalten. Es heißt so viel wie: „Erst die Knete, dann das Gewissen“. Die Plakate spielen auf die Wahlwerbung der Liberalen an, die mit „Digital first. Bedenken second“ das Bekenntnis der FDP zur Digitalisierung transportieren.

Die Protestierer prangern an diesem Morgen aber vor allem die Tatsache an, dass die FDP den Klimaschutz nicht mit strengen Regeln voranbringen will wie die grüne Konkurrenz. „Quoten und Verbote für bestimmte Antriebe im Auto oder Energieträger widersprechen der Technologieoffenheit“, heißt es im Wahlaufruf, den die Liberalen am Sonntagmittag mit großer Mehrheit verabschieden.

FDP fordert das Aus es Solidaritätszuschlags bei der Einkommenssteuer

Zehn Punkte hat die FDP darin aufgeführt, die sie in einer Koalition verwirklichen will. Darunter konkrete Forderungen wie das Ende des Solidaritätszuschlags bei der Einkommenssteuer ab 2019, ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild oder ein Nein zu einem weiter gehenden Finanzausgleich in der Euro-Zone. Sie wollen die Verdienstgrenze für Mini-Jobber auf mehr als 450 Euro anheben, Familien durch eine Angleichung der Steuerfreibeträge von Eltern und Kindern unterstützen und Menschen, die eine Wohnung oder ein Haus für den Eigenbedarf kaufen, einen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer zugestehen.

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    In anderen Punkten legen die Liberalen zwar die Richtung fest, aber kaum konkrete Schritte. Etwa bei der Bildung, dem Kernanliegen der Liberalen: „Wir wollen dafür mehr Koordination und mehr Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen“, heißt es im Zehn-Punkte-Papier. Eine Abschaffung des im Grundgesetz festgeschriebenen Kooperationsverbots von Bund und Ländern fordern sie nicht. Es wäre eine Sollbruchstelle in Verhandlungen mit der Union, die sich bisher schwer tut mit solchen Forderungen.

    Lindner erntet stürmischen Applaus

    „Wir sind bereit und in der Lage, in eine Regierung einzutreten“, heißt es im Wahlaufruf der FDP. Aber: „Wir wissen, dass wir anderen unsere Ideen nicht diktieren können.“ Die liberalen Spitzenleute betonen deswegen auch vehement: „Wenn es für ein Bündnis nicht reicht, dann lassen wir die Gespräche eben platzen.“

    Auch dann, wenn eine Absage der FDP am Ende Neuwahlen bedeuten könnte. „Wir wollen nicht bequem regieren“, ruft Lindner den Delegierten am Sonntag zu. Und: „Wir schließen nichts aus, nur eins: unsere Grundsätze zu verraten.“ Da springen die Liberalen auf und applaudieren stürmisch.

    Doch so schnell der Jubel ausbricht, so schnell endet er auch wieder. Die neuen Liberalen sind vorsichtig geworden. Wenn nicht noch ein unvorhersehbares Ereignis komme, „dann haben wir eine Chance auf zehn Prozent plus“, fasst Kubicki die Stimmung zusammen. 2009, mit Spitzenmann Guido Westerwelle, waren es fast 15 Prozent.

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