Berlin. Die Grünen wollen auf einem Sonderparteitag am Wochenende die FDP angreifen. Und sich dennoch die Machtoption „Jamaika“ offenhalten.

Katrin Göring-Eckardt gibt Gas, Cem Özdemir sitzt daneben und sagt: „Alright.“ Also ein anerkennendes „In Ordnung“ oder „Okay“. Göring-Eckardt fragt: „Haste Schiss?“ Die Spitzenkandidaten der Grünen sitzen in einem Elektroauto, und sie wollen mit diesem Wahlwerbespot demonstrieren, was die neue Technologie draufhat.

Locker soll das wirken. Botschaft: Wir sind keine Verbotspartei, wie es 2013 immer hieß, als die Grünen im Wahlkampf den Veggie-Day und komplizierte Steuerkonzepte verteidigen mussten. Mit uns kann man Spaß haben, und Umwelt ist ein sehr wichtiges Thema. Das will man vermitteln. Doch das Konzept zündet bisher nicht, Umfragen sehen die Grünen nur bei acht Prozent.

Grünen sind diesmal bereit für eine Koalition mit der Union

Die Öko-Partei ist anders als vor vier Jahren offen für ein Bündnis mit der Union. Es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig: Die rot-grüne Wunschkoalition ist angesichts der schwachen SPD utopisch. Von Rot-Rot-Grün spricht sowieso niemand mehr. Ein weiterer Grund, das Experiment anzugehen: Schwarz-Grün in Hessen und Grün-Schwarz in Baden-Württemberg funktionieren. Also strebt die Öko-Partei den Platz an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Darum geht es den Grünen jetzt. Auch wenn sie es nicht jeden Tag in die Republik hinausschreien.

Die Spitzenkandidaten der Bundestagswahl

Sie ist zum vierten Mal angetreten und siegte erneut: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Partei CDU die Wahl gewonnen – wenn auch mit herben Verlusten: 26,8 Prozent holten die Christdemokraten. Das sind 7,3 Prozent weniger als bei der Wahl 2013.
Sie ist zum vierten Mal angetreten und siegte erneut: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Partei CDU die Wahl gewonnen – wenn auch mit herben Verlusten: 26,8 Prozent holten die Christdemokraten. Das sind 7,3 Prozent weniger als bei der Wahl 2013. © dpa | Michael Kappeler
Auch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der als Spitzenkandidat der CSU in den Wahlkampf zog, hatte das schlechte Abschneiden seiner Partei Folgen: Zwar haben alle Direktkandidaten der CSU den Sprung in den Bundestag geschafft – von der Landesliste gelang das aber keinem. Darunter auch Herrmann.
Auch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der als Spitzenkandidat der CSU in den Wahlkampf zog, hatte das schlechte Abschneiden seiner Partei Folgen: Zwar haben alle Direktkandidaten der CSU den Sprung in den Bundestag geschafft – von der Landesliste gelang das aber keinem. Darunter auch Herrmann. © dpa | Matthias Balk
Als der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD ernannt wurde, waren die Hoffnungen auf einen Machtwechsel groß. Sie zerschlugen sich: Mit Schulz als Spitzenkandidat fuhr die SPD mit 20,5 Prozent des schlechteste Ergebnis überhaupt ein.
Als der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD ernannt wurde, waren die Hoffnungen auf einen Machtwechsel groß. Sie zerschlugen sich: Mit Schulz als Spitzenkandidat fuhr die SPD mit 20,5 Prozent des schlechteste Ergebnis überhaupt ein. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
Cem Özdemir und die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gingen als Spitzenduo in die Bundestagswahl. Nachdem die Grünen laut Umfragen zeitweise um den Einzug in den Bundestag bangen mussten, holten sie am Ende souverän 8,9 Prozent.
Cem Özdemir und die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gingen als Spitzenduo in die Bundestagswahl. Nachdem die Grünen laut Umfragen zeitweise um den Einzug in den Bundestag bangen mussten, holten sie am Ende souverän 8,9 Prozent. © imago | Jens Jeske
Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wollten den Platz der Linken als drittstärkste Kraft im Bundestag unbedingt verteidigen. Zwar holten sie 9,2 Prozent und damit mehr als bei der letzten Wahl 2013. Stärkste Opposition ist die Linke aber nicht mehr. Diesen Platz nimmt nun ausgerechnet die AfD ein.
Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wollten den Platz der Linken als drittstärkste Kraft im Bundestag unbedingt verteidigen. Zwar holten sie 9,2 Prozent und damit mehr als bei der letzten Wahl 2013. Stärkste Opposition ist die Linke aber nicht mehr. Diesen Platz nimmt nun ausgerechnet die AfD ein. © dpa picture alliance | Emmanuele Contini
Christian Lindner ist das Gesicht der FDP – und konnte die FDP wieder in den Bundestag bringen. Nur die AfD konnte den Liberalen, die 10,7 Prozent holten, den dritten Platz streitig machen.
Christian Lindner ist das Gesicht der FDP – und konnte die FDP wieder in den Bundestag bringen. Nur die AfD konnte den Liberalen, die 10,7 Prozent holten, den dritten Platz streitig machen. © picture alliance / Maurizio Gamb | dpa Picture-Alliance / Maurizio Gambarini
Alice Weidel und Alexander Gauland haben die AfD als Spitzenkandidaten auf Platz drei geführt. Insgesamt holten die Rechtspopulisten 12,6 Prozent.
Alice Weidel und Alexander Gauland haben die AfD als Spitzenkandidaten auf Platz drei geführt. Insgesamt holten die Rechtspopulisten 12,6 Prozent. © picture alliance / Uli Deck/dpa | dpa Picture-Alliance / Uli Deck
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Feindbild der Öko-Partei ist klar definiert: die FDP

Ihr Feind in dieser Auseinandersetzung sind die Liberalen, bei den kleinen Parteien der einzige Konkurrent, wenn es um eine Koalition mit der CDU/CSU geht. Auf den letzten Metern des Wahlkampfs wollen die Grünen deshalb verstärkt die FDP angreifen, auch auf dem Wahlparteitag am kommenden Sonntag im Gasometer in Berlin.

Das Kalkül der Öko-Partei: Stammwähler und auch Wechselwähler aus dem rot-grünen Milieu in den letzten Tagen vor der Wahl mobilisieren. Und dann doch noch vor den Liberalen ins Ziel gehen.

Die Auseinandersetzung mit der FDP wurde schon zu Zeiten der charismatischen Politiker Joschka Fischer und Guido Westerwelle leidenschaftlich geführt. Jetzt attackiert Özdemir FDP-Chef Christian Lindner für seine Äußerungen zur Krim. Und Göring-Eckardt hält den Liberalen vor, ins Lager der Klimaleugner gewechselt zu sein. Viel Angriffsfläche bietet den Grünen auch die Asylpolitik der Liberalen. Möglichkeiten zur Abgrenzung gibt es also einige, auch wenn die beiden Parteien bei Bürgerrechten und anderen Themen durchaus ähnlich ticken.

Die Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt

Katrin Göring-Eckardt ist seit 2013 Grünen-Chefin. Ihre politische Laufbahn begann bereits in der DDR. Eindrücke aus ihrer Laufbahn.
Katrin Göring-Eckardt ist seit 2013 Grünen-Chefin. Ihre politische Laufbahn begann bereits in der DDR. Eindrücke aus ihrer Laufbahn. © ZB | Britta Pedersen
Die in Friedrichroda in Thüringen geborene Göring-Eckardt studierte nach dem Abitur evangelische Theologie in Leipzig, brach das Studium aber 1988 ab.
Die in Friedrichroda in Thüringen geborene Göring-Eckardt studierte nach dem Abitur evangelische Theologie in Leipzig, brach das Studium aber 1988 ab. © imago | bonn-sequenz
Ihren Bezug zur Kirche bewahrte sie sich aber. Hier nahm sie 2003 bei der Diskussion in der hannoverschen Marktkirche mit Bischof Wolfgang Huber teil.
Ihren Bezug zur Kirche bewahrte sie sich aber. Hier nahm sie 2003 bei der Diskussion in der hannoverschen Marktkirche mit Bischof Wolfgang Huber teil. © © epd-bild / Jens Schulze | Schulze, Jens
Kanzlerin Merkel und die Thüringerin bei einem Gottesdienst für die Opfer der Flutkatastrophe in Südostasien im Januar 2005.
Kanzlerin Merkel und die Thüringerin bei einem Gottesdienst für die Opfer der Flutkatastrophe in Südostasien im Januar 2005. © epd-bild/AP/Jockel Finck | Jockel Finck
Im Jahr 2009 wurde die Grünen-Politikerin neue Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Hier im Bild mit der damaligen Ratsvorsitzenden Margot Käßmann.
Im Jahr 2009 wurde die Grünen-Politikerin neue Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Hier im Bild mit der damaligen Ratsvorsitzenden Margot Käßmann. © © epd-bild / Andreas Schoelzel | Andreas Schoelzel
Auch beim Evangelischen Kirchentag in Berlin im Jahr 2016 sprach Göring-Eckardt, auf diesem Bild im Berliner Dom.
Auch beim Evangelischen Kirchentag in Berlin im Jahr 2016 sprach Göring-Eckardt, auf diesem Bild im Berliner Dom. © Rolf Zoellner
Göring-Eckardt mit dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) und Angela Merkel (CDU).
Göring-Eckardt mit dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) und Angela Merkel (CDU). © © epd-bild / Andreas Schoelzel | Andreas Schoelzel
Die Fraktionsvorsitzende im Wahlkampf im Jahr 2005 mit Joschka-Fischer.
Die Fraktionsvorsitzende im Wahlkampf im Jahr 2005 mit Joschka-Fischer. © imago | photo2000
Und der Wahlkampf 2012: Damals traten Göring-Eckardt und Jürgen Trittin als Spitzenkandidaten an.
Und der Wahlkampf 2012: Damals traten Göring-Eckardt und Jürgen Trittin als Spitzenkandidaten an. © Getty Images | Sean Gallup
Im vergangenen Wahlkampf stand Göring-Eckardt an der Seite von Cem Özdemir.
Im vergangenen Wahlkampf stand Göring-Eckardt an der Seite von Cem Özdemir. © Getty Images | Steffi Loos
Was haben die Grünen noch vor? Im Interview mit unserer Redaktion forderte die Grünen-Chefin vor der Bundestagswahl 2017 unter anderem ein „Superministerium“ für Verbraucherschutz.
Was haben die Grünen noch vor? Im Interview mit unserer Redaktion forderte die Grünen-Chefin vor der Bundestagswahl 2017 unter anderem ein „Superministerium“ für Verbraucherschutz. © Reto Klar | Reto Klar
Nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition mit der Union und der FDP finden sich die Grünen allerdings nicht in der Regierung wieder. Der Zuschnitt von Ministerien liegt also nicht in der Hand von Katrin Göring-Eckardt.
Nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition mit der Union und der FDP finden sich die Grünen allerdings nicht in der Regierung wieder. Der Zuschnitt von Ministerien liegt also nicht in der Hand von Katrin Göring-Eckardt. © Reto Klar | Reto Klar
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Und wenn sich die Frage stellt: Schwarz-Gelb-Grün?

Und doch: Trotz aller Angriffe werden die Grünen die Beziehung zur FDP nicht komplett zerschießen. Denn wenn es am Wahlabend nicht für Schwarz-Grün oder Schwarz-Gelb reicht, stellt sich die Frage: noch mal große Koalition oder Schwarz-Gelb-Grün? Und in einer Jamaika-Koalition, auch wenn sich das auf beiden Seiten gerade noch keiner vorstellen mag, müssten Grüne und FDP sich zusammenraufen.

Für die Öko-Partei wäre es auch in diesem Szenario ganz wichtig, stärker als die Liberalen zu sein. Aus einer Position der Stärke lässt sich dem linken Flügel ein Jamaika-Bündnis einfach besser verkaufen.