Paris/Berlin. Vier EU-Staaten und drei afrikanische Länder wollen bei der Lösung der Migrationsfrage kooperieren. Europa stützt sich auch auf Libyen.

In der Flüchtlingskrise wollen Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien mit den afrikanischen Ländern Libyen, Niger und Tschad zusammenarbeiten. Ziel ist die Eindämmung von Migrationsbewegungen nach Europa. Die Staats- und Regierungschefs sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini trafen sich am Montag in Paris, um ein Maßnahmenpaket zu vereinbaren.

Modell ist der Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei: Ankara bekommt Geld aus Brüssel, kontrolliert seine Grenzen, nimmt illegal in die EU eingereiste Syrer zurück und lässt dafür Migranten auf legalem Weg ausreisen. Im Folgenden die wichtigsten Punkte nach einem Entwurf der Abschlusserklärung des Pariser Gipfels. Was bringt das Papier?

Training von Libyens Küstenwache

Italien und die EU bilden die libysche Küstenwache bereits seit Monaten aus. Zudem gibt die Regierung in Rom finanzielle und logistische Unterstützung, zum Beispiel Schiffe. Erste Ergebnisse sind bereits sichtbar: Im August kamen bis dato nur knapp 3000 Flüchtlinge von Libyen nach Italien, im Vorjahresmonat waren es noch rund 21.300.

Rettungsorganisationen kritisieren das rabiate Vorgehen der libyschen Küstenwache gegen Seenotretter und aufgegriffene Flüchtlinge, die zurück an Land gebracht werden. Die Zustände in den Lagern seien katastrophal, klagen auch die UN. Tatsache ist: Erhält die libysche Küstenwache – wie geplant – mehr Ausbildung und mehr Personal, wird der Flüchtlingsansturm Richtung Europa vermutlich weiter zurückgehen.

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    Geld, um Schleuser zum Ausstieg zu bewegen

    Das ist im Prinzip eine gute Idee, hat aber in der Praxis ihre Haken. Wenn ehemalige Schlepper nur aus materiellen Gründen handeln, arbeiten sie möglicherweise bald wieder im alten Gewerbe – sollte ihnen dafür mehr Geld geboten werden. So gibt es neuerdings in der libyschen Hafenstadt Sabratha, 70 Kilometer westlich von Tripolis, eine Miliz mit mehreren Hundert Mitgliedern. Sie nennt sich „Brigade 48“ und sorgt dafür, dass keine Schiffe mehr nach Italien ablegen.

    Ihr Chef soll ein früherer Mafioso sein, möglicherweise ein ehemaliger Menschenschmuggler. Neue wirtschaftliche Perspektiven für bisherige Schleuser ergeben dann Sinn, wenn diese keinen kriminellen Hintergrund haben. Das aber wäre ein Stück Entwicklungspolitik für Afrika – und teuer.

    Zusammenarbeit mit libyschen Stämmen

    Auch das hört sich auf dem Papier gut an. Bislang hielten die libyschen Stämme bei den Flüchtlingsrouten von Niger oder Tschad immer wieder die Hand auf, waren also Profiteure des Schleuserwesens. Damit sie nicht „rückfällig“ werden, müsste viel Geld fließen. Möglicherweise ließen sich die Stämme mit Programmen für Infrastruktur oder die Erschließung von Wasser und Strom ködern. Auch das wäre Entwicklungshilfe – und kostspielig.

    Die Verstärkung des Schutzes der libyschen Südgrenze

    Grundsätzlich eine gute Idee. Das Pro­blem: Die libysche Einheitsregierung steht auf sehr schwachen Füßen. Sie ist nicht in der Lage, die insgesamt gut 4300 Kilometer langen Grenzen zu schützen. Deshalb sind vor allem die südlichen Nachbarn Niger und Tschad gefragt, die eine Grenzlinie von rund 1400 Kilometer mit Libyen haben. Sie müssen mehr Geld und Ausrüstung für den Grenzschutz bekommen, um die Schlepper in Schach zu halten.

    Mehr Hilfe für die Länder südlich von Libyen

    Das betrifft insbesondere Niger und Tschad. Die nordnigrische Stadt Agadez war bislang der Ausgangspunkt für viele Flüchtlingstrecks durch die Sahara nach Libyen. Hier wird vor allem Geld für den Aufbau von Migrantenlagern unter menschenwürdigen Bedingungen gebraucht. Das Modell des Flüchtlingspakts zwischen der EU und der Türkei taugt einstweilen nicht einmal in Ansätzen. Die Vorstellung, dass die afrikanischen Länder Geflüchtete zurücknehmen und dafür Arbeitsmigranten legal ausreisen lassen, ist Wunschdenken.

    Aufstockung des EU-Treuhandfonds für Afrika

    Der Nothilfe-Treuhandfonds der EU wurde im November 2015 ins Leben gerufen. Er soll die Ursachen von Flucht und Vertreibung in Afrika bekämpfen und Stabilität fördern. Mehr als 2,4 Milliarden Euro wurden bereitgestellt. Die Schaffung von Investitionen und Arbeitsplätzen und damit die Verbesserung der Lebensbedingungen sind der Schlüssel für die Vermeidung von Flucht und Vertreibung.

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    Die EU kann hier – wie auf dem Pariser Gipfel anvisiert – punktuell, aber nur begrenzt helfen. Denn auch die Machthaber Afrikas müssen ihre Hausaufgaben machen, um der weitverbreiteten Korruption das Wasser abzugraben. Doch selbst Entwicklungshilfe im großen Stil kann die Verhältnisse auf dem Schwarzen Kontinent nur bis zu einem gewissen Grad verbessern. In den vergangenen 60 Jahren sind insgesamt Hilfsgelder in Höhe von zwei Billionen Dollar geflossen. Der Effekt ist überschaubar.

    Registrierungszentren für Flüchtlinge in Afrika

    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist fest entschlossen, Registrierzentren (Hotspots) für Flüchtlinge in Afrika einzurichten. Die ersten Auffanglager, in denen der Anspruch der Mi­granten auf ein Bleiberecht in der EU überprüft werden soll, wollte er ursprünglich im Süden Libyens aufbauen. Aufgrund der prekären Sicherheitslage in dem Land hat Paris diese Pläne jedoch vorerst begraben. Stattdessen werden nun „Hotspots“ im Tschad und im Niger ins Auge gefasst.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es bislang abgelehnt, Asylentscheidungen in Afrika zu treffen und Beamte des Bundesamtes für Mi­gration und Flüchtlinge dorthin zu schicken. Afrikanische Verwaltungen könnten den Personalaufwand für diese Zentren nicht leisten. Es wäre selbst für EU und UN eine Herkulesaufgabe. Zudem besteht die Gefahr, dass an diesen „Hotspots“ neue Flüchtlingslager entstehen.