Berlin. Die europäischen Staaten müssen in Sicherheitsfragen besser zusammenarbeiten – am besten mit einer europäischen Anti-Terror-Einheit.
Im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute ist, dass die dschihadistischen Mörderbanden in Syrien und im Irak immer mehr Terrain verlieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Islamisten-Hauptstadt Rakka fällt. Das Kalifat, das im Sommer 2014 als Vorhut eines weltweiten Scharia-Imperiums ausgerufen wurde, steht vor dem Kollaps.
Das Bedrohliche daran: Damit ist die Gefahr des IS keineswegs gebannt. Im Gegenteil. Seit etwa einem Jahr haben die Chef-Propagandisten des IS ihre Anhänger dazu aufgerufen, in Europa Terroranschläge zu verüben. Ausländische Kämpfer sollen nicht mehr in den Nahen Osten reisen, sondern in ihren Heimatländern den „heiligen Krieg“ austragen. Dahinter steckt eine perfide Polarisierungsstrategie: Die Extremisten wollen eine Konfrontation zwischen Christentum und Islam (daher die Metapher vom „Kreuzzug“), Moderne und Tradition, weltlicher Lebensform und Religion.
Lücken bei der Integration der Muslime
Die Erfahrung hat gezeigt, dass Länder mit einem relativ hohen Anteil an muslimischer Bevölkerung ein größeres Terrorrisiko tragen. Die massiven Anschläge der vergangenen Jahre fanden vor allem in Frankreich, Großbritannien, Belgien, Deutschland und nun Spanien statt. Dort gibt es mehr Lücken bei der Integration der Muslime, das Gefühl der Unzufriedenheit und Benachteiligung ist in diesem Teil der Bevölkerung weiter verbreitet als etwa in den entsprechenden Segmenten in Ungarn oder in der Slowakei.
Dennoch darf Europa nicht in die Propaganda-Falle des IS tappen. Das Schüren einer generellen Islamfeindlichkeit ist genau das, worauf es die Apologeten des Terrors anlegen. Hier sind staatliche Stellen ebenso in der Verantwortung wie die Bürger. Doch auch die muslimischen Gemeinden stehen in der Pflicht. Sie haben ein Gefühl dafür, wer sich auffällig verhält, wer eine Neigung zu Gewalt zeigt. Insbesondere die Kommunen sollten hier den direkten Draht suchen und ein Frühwarnsystem gegen den Terror aufbauen.
Täter von Barcelona waren nicht „ganz normale Leute“
Aber auch Europa als Ganzes ist gefordert. So wurde nach den Anschlägen von Barcelona und Cambrils die schnelle Legende verbreitet, dass die mutmaßlichen Täter „ganz normale Leute“ gewesen seien und sich erst in letzter Zeit radikalisiert hätten. Diese Annahme ist falsch. Zeugenaussagen und Indizien weisen darauf hin, dass einige der Verdächtigen bereits seit einem Jahr an den Attentatsplänen bastelten.
Kopf der Zelle soll der Imam Abdelbaki Es Satty gewesen sein, ein Mann mit krimineller Vergangenheit. Nach Presseberichten verbüßte er eine vierjährige Haftstrafe wegen Drogenhandels und soll auch Kontakte zu den Verantwortlichen der verheerenden Zuganschläge 2004 in Madrid gehabt haben. Zudem war Satty von Januar bis März 2016 in Brüssel – wohl auch zur Zeit der Anschläge am 22. März. Den Ermittlern ist dies offenbar entgangen.
Barcelona trauert nach dem Anschlag
Der Terror operiert grenzenlos
Es lässt sich fast bei jedem islamistischen Attentat belegen: Woran es immer noch krankt, ist ein EU-weiter Datenaustausch in Terrorfragen. Es gibt keine Datenbank, in die jedes Land Informationen einspeist und auf die jedes Land Zugriff hat. Abschottung, Eifersüchteleien einzelner Stellen prägen immer noch das Bild. Die Mitgliedstaaten sind sich nicht einmal einig, nach welchen Kriterien ein „Gefährder“ – ein Verdächtiger, der jederzeit einen Anschlag begehen kann – definiert wird.
Eine europäische Anti-Terror-Einheit tut daher not. Der Terror operiert grenzenlos, das Gleiche muss für die Terrorbekämpfung gelten. All dies ist keine Garantie, um Anschläge zu verhindern. Aber das Risiko lässt sich so wenigstens vermindern.