Kim will „beobachten“: Plötzlich milde Töne aus Pjöngjang
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Von Dirk Hautkapp
Washington. Nordkorea legt Angriffspläne aufs Eis und lädt die USA zur Deeskalation ein. Was heißt das – und wie reagiert Präsident Donald Trump?
Im Nordkorea-Konflikt ist die Gefahr einer unmittelbar bevorstehenden militärischen Eskalation zwischen Amerika und dem Regime in Pjöngjang nicht beseitigt, aber doch entschärft. Diktator Kim Jong-un legte nach Angaben von Staatsmedien für Mitte August mehrfach martialisch angekündigte Angriffspläne auf den US-Pazifikstützpunkt Guam auf Eis.
Er wolle erst „noch etwas länger beobachten“, wie sich die USA in der Region verhielten, sagte Kim. Amerika sei aufgefordert, durch „Taten“ zu zeigen, wie die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel reduziert und eine militärische Konfrontation verhindert werden könnten. Er erwarte eine „ordentliche Option“ von den USA. In Washington wurde die deutlich veränderte Tonlage Kims inoffiziell als „klarer Rückzug“ und als „Einladung“ zu einem „Prozess der beiderseitigen Deeskalation“ aufgefasst.
China droht mit einem Handelskrieg
Erschwert wird die neue Lage allerdings durch heftige Verstimmungen in Peking. China, Nordkoreas wichtigste wirtschaftliche Schutzmacht, hat auf die von US-Präsident Donald Trump eingeleitete Überprüfung der Handelspraktiken des unter anderem seit Jahren des geistigen Diebstahls verdächtigten Riesenreichs mehr als verschnupft reagiert und mit einem Handelskrieg gedroht. „Das könnte das Klima für einen abgestimmten chinesisch-amerikanischen Vorstoß zur Entspannung in der Nordkorea-Krise stark belasten“, sagten Experten in US-Medien.
Kim Jong-uns Bemühungen, die zuletzt kaum mehr steigerbare verbale Aufrüstungsspirale zu durchbrechen, geht nach Lesart von Experten in Washingtoner Denkfabriken auf die „Zweigleisigkeit“ zurück, mit der die US-Regierung den Konflikt seit Wochen fährt. Neben der drastischen Wortwahl von Präsident Trump, der Nordkorea im Fall eines Angriffs mit „Feuer und Zorn“ in nie dagewesener Form drohte, und ähnlichen Äußerungen von Verteidigungsminister James Mattis sendet Washington teils offiziell, teils über Neben-Kanäle friedliche Signale in das bitterarme kommunistische Land.
Südkorea mahnt zur Mäßigung
Als Brandmauer verstehen Nordkorea-Experten wie der frühere US-Unterhändler Viktor Cha vor allem die Stimme Südkoreas. Präsident Moon Jae-in hatte in den vergangenen Tagen mehrfach betont, dass es ohne die Zustimmung Seouls keine Militäraktion auf der koreanischen Halbinsel geben werde. Seine Regierung werde „unter allen Umständen einen Krieg verhindern“. US-Generalstabschef Joseph Dunford bestätigte das bei einem Besuch in Seoul indirekt. Militärische Optionen seien das „Mittel der letzten Wahl“.
Nordkorea: Raketen für den Führer
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Von welcher Haltbarkeit die neuerlichen Entspannungssignale aus Pjöngjang sein werden und ob letztlich Präsident Trump darauf eingeht, ist noch nicht absehbar. Derzeit sei unklar, „welche Ziele Kim Jong-un überhaupt verfolgt“, heißt es in Reihen republikanischer Sicherheitspolitiker. Die Chancen für das von der Weltgemeinschaft herbeigesehnte Szenario – Einstellung der rhetorischen Kampfhandlungen, Rückkehr an den Verhandlungstisch der Diplomatie – stünden darum im Moment „noch nicht wirklich gut“. Das Regime in Pjöngjang hat seine atomaren Fähigkeiten, die zuletzt durch unerwartet schnelle Fortschritte bei der Raketentechnologie Besorgnis ausgelöst hatten, als „absolut nicht verhandelbar“ bezeichnet. Das Regime sieht in den Raketen eine Schutzgarantie für das eigene Überleben.
Brüssel will die Sechs-Parteien-Gespräche wiederbeleben
Auf der anderen Seite steht nach wie vor das Versprechen Trumps an die Amerikaner im Raum, niemals zuzulassen, dass Nordkorea in die Lage kommt, eine Atomrakete auf die USA richten zu können. Wie diese beiden Standpunkte vor neuen Verhandlungen angenähert werden könnten, ist noch rätselhaft. Brüssel spricht sich dafür aus, die vor acht Jahren abgebrochenen Sechs-Parteien-Gespräche zu reanimieren. Von 2003 bis 2009 verhandelten die beiden Koreas, USA, China, Russland und Japan über das Atomprogramm Pjöngjangs. Allerdings ohne Erfolg.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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