Berlin. Der Altkanzler Gerhard Schröder soll ins Direktorium des Ölriesen Rosneft rücken. Kritiker finden das mögliche Engagement „schamlos“.

Daran, dass Wladimir Putin für ihn mehr ist als ein geschätzter Staatschef, hat Gerhard Schröder (SPD) nie Zweifel aufkommen lassen. „Ja, sicher“, sagte er vor zwei Jahren auf die Frage, ob der russische Präsident sein Freund sei. Die Freundschaft bietet offenkundig auch geschäftliche Vorteile für Schröder.

Bereits seit 2005, direkt nach der Kanzlerschaft, sitzt er im Aufsichtsrat der deutsch-russischen Pipeline-Gesellschaft Nord Stream. Auch beim Bau der zweiten Pipeline, die vom russischen Gasmonopolisten Gazprom allein geplant wird, ist Schröder im „Board of Directors“ dabei. Gazprom wird mehrheitlich vom russischen Staat kontrolliert.

Nun steht Schröder offenbar kurz davor, einen dritten und den wohl umstrittensten Job in Putins Energie-Imperium anzunehmen. Er soll in das Direktorium (Board) des halbstaatlichen Ölkonzerns Rosneft einziehen. Das ruft harsche Kritik hervor. Nach einem am späten Freitagabend veröffentlichten Regierungsdekret wurde er von Russland für das Amt eines unabhängigen Direktors nominiert. Das Direktorium (Board of Directors) des Unternehmens bestand bislang aus neun Mitgliedern, darunter drei unabhängigen Direktoren.

Seit der Krim-Annexion auf der EU-Sanktionsliste

Künftig sollen es elf sein. Die Mitglieder werden von der Aktionärsversammlung gewählt. Die Unternehmensführung obliegt allerdings einem „Management Board“. Der mögliche Einzug von Schröder (SPD) ins Direktorium des halbstaatlichen russischen Energiekonzerns Rosneft trifft auf massive Kritik.

Der Botschafter der Ukraine in Berlin, Andrej Melnyk, sagte unserer Redaktion: „Dass ein ehemaliger Bundeskanzler und führendes SPD-Mitglied vom Kremlchef instrumentalisiert wird, indem er einen russischen Energie-Riesen leiten soll, der sich seit der Krim-Annexion auf der EU-Sanktionsliste befindet und mit dessen Erträgen der blutige Krieg gegen die Ukraine bis heute geführt wird, ist moralisch verwerflich.“

Das Engagement, so der Botschafter weiter, wäre ein „absolut falsches Signal“, das die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft sowie der Bundesregierung, einen nachhaltigen Frieden zu erreichen, „total untergraben würde“. Der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer forderte eine sofortige Distanzierung der SPD von Schröder. „Gerd Schröders Verhalten ist schamlos. Er erniedrigt sich endgültig zu einem bezahlten Diener der Politik Putins. Die SPD sollte jetzt endlich erkennen, dass sich ihre Wege und die ihres Ex-Kanzlers scheiden müssen“, sagte er.

Rosneft ist Russlands zentraler Ölkonzern

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Michael Kretschmer, griff ebenfalls die SPD an und forderte eine Distanzierung. „Auch ein Alt-Kanzler sollte sich nach seiner Amtszeit sinnvoll betätigen können. Man fragt sich aber schon: Muss es ausgerechnet ein Job für einen halbstaatlichen russischen Energiekonzern mit der Gnade der russischen Führung sein?“ Das Ganze habe mehr als einen unguten Beigeschmack. „Auch die SPD sollte mal sagen, was sie über das Verhalten ihres ehemaligen Vorsitzenden so denkt, den sie ja gerade auf dem Parteitag so gefeiert hat.“

Schröder leitet neben dem ersten Nord-Stream-Projekt den Aufsichtsrat der Schwestertrasse Nord Stream 2, die ebenfalls vom russischen Gasmonopolisten und Staatskonzern Gazprom finanziert wird. Beim ersten Nord Stream Projekt ist er Vorsitzender des Aktionärsausschusses. Ein Engagement bei Rosneft hätte allerdings eine neue Qualität. Rosneft ist nicht wie Nord Stream lediglich eine Infrastrukturgesellschaft, die Rohstoffe nach Deutschland bringen soll, sondern Russlands zentraler Ölkonzern, in dem weite Teile der Ölindustrie gebündelt wurden.

Weltweite Beteiligungen an Raffinerien

Die Besitztümer des Konzerns, der zu mehr als 50 Prozent in staatlicher Hand ist, umfassen zum Beispiel auch Ölfelder und Anlagen, die einst in der Hand von Yukos waren – dem Konzern des in Ungnade gefallenen Ex-Oligarchen und Regime-Kritikers Michail Chodorkowski. Er musste eine lange Haftstrafe verbüßen und lebt nun in der Schweiz. Geleitet wird Rosneft von einer schillernden Figur: Igor Setschin, ein Vertrauter des Präsidenten. Bis 2008 war er Berater von Putin und stellvertretender Leiter des Präsidialamts, anschließend Minister. Seit 2012 steht er nun an der Vorstands-Spitze von Rosneft – einem auch im internationalen Vergleich gigantischen Energie-Konglomerat.

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Rosneft produzierte laut Geschäftsbericht 2016 mehr Öl- und Gas als der größte private Energiekonzern der Welt, ExxonMobil aus den USA. Auch Rosneft hat mit niedrigen Ölpreisen zu kämpfen, die Produktionskosten liegen aber deutlich niedriger als bei den internationalen Ölmultis wie Exxon, Shell und BP. Zum Kerngeschäft der Öl- und Erdgasgewinnung kommen zum Beispiel weltweite Beteiligungen an Raffinerien. In Deutschland ist Rosneft an drei großen Anlagen beteiligt: Schwedt in Brandenburg, Karsruhe und Neustadt an der Donau. Damit ist der Konzern der drittgrößte Benzin- und Dieselproduzent des Landes.

Positon brachte Schröder 250.000 Euro pro Jahr

Rosneft steht nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel der Krim 2014 auf der Sanktionsliste der EU. Wie viel könnte Gerhard Schröder bei Rosneft aller Voraussicht nach verdienen? Laut des jüngsten Geschäftsberichts von Rosneft erhielten die „Directors“, die den deutschen Aufsichtsratsmitgliedern entsprechen, ein Gehalt von 500.000 Dollar pro Geschäftsjahr. Die Position bei Nord Stream brachte Schröder laut eines Berichts des Tagesspiegels, der sich auf eine Anfrage an Schröders Büro berief, 250.000 Euro pro Jahr ein.

Diese Summen entsprechen durchaus dem, was für die Chefaufseher internationaler Großkonzerne üblich ist. Im Unterschied zum „Management Board“, das dem deutschen Vorstand entspricht, sind Direktoren (in Deutschland: Aufsichtsräte) nicht ins Tagesgeschäft involviert, sondern kommen lediglich mehrmals pro Jahr zusammen. Im Geschäftsjahr 2016 trafen sich die Rosneft-Aufseher fünf Mal persönlich. Die Zentrale liegt an den Ufern der Moskwa, direkt gegenüber des Kremls. Für einen anschließenden Besuch bei seinem Freund Wladimir Putin hätte Schröder es nicht weit.