München. Die Bundesanwaltschaft ist von der Mitschuld der Hauptangeklagten Beate Zschäpe überzeugt. Jetzt ist Sommerpause im NSU-Prozess.

379 Verhandlungstage haben Spuren bei Beate Zschäpe hinterlassen. Die Angeklagte im Münchner NSU-Prozess ist sichtlich gealtert, wirkt gestresst, lächelt nur noch selten. Bereits fünf Tagen lang trägt die Bundesanwaltschaft vor, was aus ihrer Sicht nach der Beweisaufnahme in diesem Mammutverfahren feststeht.

Auf die 42-Jährige dürften schon die einleitenden Ausführungen von Bundesanwalt Herbert Diemer wie ein Hammer gewirkt haben. Er stellte klar, dass es ausreichend Beweise dafür gebe, dass alle fünf Angeklagten schuldig seien. Das würde für die Hauptangeklagte lebenslange Haft bedeuten. Zschäpe hatte vor Gericht bestritten, von den NSU-Morden vorab etwas gewusst zu haben. Sie stellte sich als unpolitisch und im Untergrund abhängig von ihren Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt dar.

Beate Zschäpe als „Tarnkappe“ für den NSU

Oberstaatsanwältin Anette Greger ließ in ihrem zweieinhalb Tage währenden Vortrag keinen Zweifel, dass die 42-Jährige im Untergrund zwischen 1998 und 2011 als Rechtsterroristin gehandelt habe. Die Frau mit den auffällig dunklen Haaren bildete für die mutmaßliche Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) eine „Tarnkappe“, so Greger.

Beate Zschäpe und die 2011 verstorbenen Mundlos und Böhnhardt sollen als Trio den NSU gebildet haben. Spätestens mit dem ersten Raubüberfall auf einen Supermarkt in Chemnitz Ende 1998 entstand die Terrorzelle.

Ankläger: Zschäpe war eine Meisterin im Verschleiern

„Alle drei sicherten bestmöglich die Morde ab“, sind die Ankläger überzeugt. Ihre Handlungen seien ineinander verwoben gewesen. Jeder von ihnen habe bestimmte Aufgaben gehabt. „So trat Zschäpe im Geschäftsverkehr als Hausfrau auf.“ Sie soll die Legende der Normalität gegenüber den Nachbarn und damit die Wohnung als Rückzugsort gesichert haben, aber auch SIM-Karten für die Handys besorgt und sich um sichere Ausweispapiere für die Tarnidentitäten mit gekümmert haben. „Zschäpe war eine Meisterin im Verschleiern.“

Genau das zeichne ihre „wichtige Rolle“ im Untergrund und damit ihre Mittäterschaft bei allen zehn Morden und den Sprengstoffanschlägen aus. Auch wenn es keinen Beleg dafür gebe, dass sie an einem der Tatorte persönlich anwesend war. Die markante Erscheinung Zschäpes könnte aus Sicht Gregers einer der Gründe dafür gewesen sein. So sei sie als Frau sofort einem Wachmann aufgefallen, als sie sich im Jahr 2000 mit ihren beiden Komplizen in der Nähe einer Synagoge in Berlin aufgehalten habe.

Mit Blick auf die angebliche Unwissenheit Zschäpes über die Morde, konterte Anette Greger, die Gesinnungsgenossin Böhnhardts und Mundlos’ habe bereits vor dem Untertauchen selbst rechtsextreme Straftaten begangen. Zschäpe soll sich zudem bereits in Jena für den bewaffneten Kampf ausgesprochen haben.

Zschäpe verfolgte Ausführungen nur noch mit starrem Blick

Machte sich die Hauptangeklagte zu Beginn der Ausführungen der Bundesanwaltschaft noch Notizen, wurde das Mitschreiben in den vergangenen Tagen immer weniger. Die Ausführungen zu den Mitangeklagten verfolgte sie zumeist nur noch mit starrem Blick. Bis zu sechs Anwälte saßen zu Beginn der Plädoyers neben ihr auf der Anklagebank. Ihre Altverteidiger Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer wurden vom Münchner Anwalt An­dreas Lickleder unterstützt. Dieses Quartett strafte Zschäpe weiterhin mit Nichtachtung.

Zudem verfolgten die Ausführungen ihre Vertrauensanwälte Mathias Grasel und Hermann Borchert. Die beiden Juristen vertreten die mutmaßliche Terroristin erst seit 2015. Ausschließlich mit ihnen spricht die Angeklagte derzeit im Gerichtssaal.

Bundesanwaltschaft nimmt Zschäpe Gesinnungswandel nicht ab

Die Bundesanwaltschaft spickt ihren Schlussvortrag mit drastischen Formulierungen. Anette Greger sprach davon, dass „zwei Narzissten und eine Zahnärztetochter zehn Jahre lang das Land terrorisiert hatten“. Sie nimmt Zschäpe nicht ab, sich von ihrer rechtsextremen Ideologie verabschiedet habe. „Das lange Zusammenleben mit zwei überzeugten rechtsextremen Mördern spricht eindeutig gegen einen Gesinnungswandel.“

Der NSU soll unter anderem für neun rassistisch motivierte Morde sowie einem tödlichen Anschlag auf eine Polizistin und zwei Sprengstoffanschläge verantwortlich sein. Für den Lebensunterhalt sollen Raubüberfälle begangen worden sein. Insgesamt stehen fünf Angeklagte im NSU-Prozess seit Mai 2013 in München vor Gericht.

Der Prozess geht nun in seine fünfte Sommerpause. Ab Ende August werden die Ankläger weiter darlegen, warum die Angeklagten schuldig und deshalb zu verurteilen sind. Nach den Plädoyers der Nebenkläger, die derzeit mit etwa 55 Stunden Gesamtdauer angegeben werden, und den Erwiderungen der Verteidiger könnten Ende dieses Jahres, spätestens aber zu Beginn des kommenden Jahres, die Urteile gesprochen werden.