Istanbul. Die Behörden bringen Terrorvorwürfe vor: Sechs Menschenrechtler müssen in der Türkei in U-Haft. Darunter ist die Amnesty-Landeschefin.

Knapp zwei Wochen nach ihrer Festnahme hat ein Gericht in der Türkei Untersuchungshaft gegen die Landesdirektorin von Amnesty International und fünf weitere Menschenrechtler verhängt.

Unter den sechs Inhaftierten sind neben Amnesty-Landesdirektorin Idil Eser auch ein Deutscher und ein Schwede, wie der Türkei-Experte von Amnesty International, Andrew Gardner, der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul sagte. Bei dem Deutschen handelt es sich um den Menschenrechtstrainer Peter Steudtner, der gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Magdalena Freudenschuss und zwei kleinen Kindern in Berlin lebt.

„Peter hat sich stets für eine friedliche, gewaltfreie Lösung von Konflikten eingesetzt. Die Unterstellung, er könnte einen Putsch geplant haben, ist völlig absurd“, sagte Freudenschuss dem „Spiegel“. „Es macht uns Angst und es macht uns wütend, nicht zu wissen, wann Peter und die anderen Menschenrechtler entlassen werden.“

Vorwurf: Unterstützung einer Terrororganisation

Vier weitere Menschenrechtler hat der Haftrichter in Istanbul am Dienstagmorgen dagegen laut Amnesty bis zu einem Prozess unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Die Staatsanwaltschaft hatte in der Nacht Untersuchungshaft für alle zehn Menschenrechtler verlangt.

Nach Angaben von Amnesty warf die Staatsanwaltschaft den acht türkischen und zwei ausländischen Menschenrechtlern vor, eine Terrororganisation unterstützt zu haben, ohne deren Mitglied zu sein. Unklar blieb, um welche Terrororganisation es sich handeln sollte.

Erdogan sieht Nähe zur Gülen-Bewegung

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Menschenrechtler in die Nähe der Putschisten vom 15. Juli vergangenen Jahres gerückt. Beim G20-Gipfel in Hamburg hatte er gesagt, die Versammlung, bei der sie festgenommen wurden, habe „dem Charakter einer Fortsetzung des 15. Juli“ entsprochen. Erdogan macht die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich, die in der Türkei als Terrororganisation eingestuft ist.

Die Menschenrechtler waren am vorvergangenen Mittwoch bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden. Es ist das erste Mal in der Geschichte von Amnesty, dass der Vorsitzende und die Direktorin der Organisation in einem Land gleichzeitig hinter Gittern sind. (dpa)

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