Berlin. Bislang haben sich vor allem Journalisten und Politiker zur Gewalt beim G20-Gipfel geäußert. Nun meldet sich auch ein Polizist zu Wort.

Ein Berliner Polizist, der auf dem G20-Gipfel als Teil des Kommunikationsteams im Einsatz war, hat Kritik an der Einsatzleitung geübt. Deren Strategie sei von Beginn an auf Eskalation ausgewesen.

Oliver von Dobrowolski ist Polizist in Berlin und war in dieser Funktion als Konfliktmanager auf dem G20-Gipfel dabei. Er begründet seine Äußerungen auf seinem Blog damit, dass bislang hauptsächlich Politiker und Journalisten zu den Geschehnissen während des G20-Gipfels Stellung bezogen hätten. Von den 20.000 anwesenden Polizisten habe sich kaum jemand geäußert. Er wolle die Ausschreitungen aus seiner Perspektive schildern.

Dobrowolski erhebt dabei schwere Vorwürfe gegen die Einsatzleitung in Hamburg, allen voran Gesamtpolizeiführer Hartmut Dudde, Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und Innensenator Andy Grote (SPD). Über Dudde schreibt er: „Die Vorgehensweise eines Hardliners (...) hat jahre- und jahrzehntelang mühsam erarbeitetes Vertrauen in die Polizei beschädigt, wenn nicht bei Einzelnen gar beseitigt.“

Überholte Einsatztaktik

Es sei eine Einsatztaktik verfolgt worden, die als überholt gilt. „Die Polizei als Partner, als Freund und Helfer, als Bürgerpolizei? Nein. Hier wurde die ausgestreckte Hand zur Faust geballt.“

Das Kommunikationsteam habe seine Arbeit nicht richtig ausführen können, weil die Kommunikation zwischen Demonstranten und der Polizei durch den konfrontativen Kurs der Einsatzleitung erschwert worden sei: „Statt gezielter Kommunikation und Deeskalation hat man die Spirale eher in die andere Richtung gedreht. Dies hat es den Konfliktmanagern ungemein erschwert, auf Augenhöhe mit der Zielgruppe zu kommunizieren.“

Der Polizist stellt sich auch gegen die Behauptung des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz, es habe keine Polizeigewalt gegeben. Es gebe genügend Videoaufnahmen und Zeugenberichte sowohl von Journalisten als auch Aktivisten, die eine unverhältnismäßige Gewalt belegten.

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Polizei habe sich Gruppendynamik hingegeben

Auch die Reaktion des Gesamtpolizeiführers Dudde, den Einsatz als Erfolg zu bewerten, nennt Dobrowolski falsch.

Das harte Vorgehen der Polizei sieht er als Ergebnis einer Eigendynamik. Viele Polizisten hätten sich einer Gruppendynamik hingegeben, die zu großen Schäden für Betroffene, für das Ansehen der Polizei und für den Rechtsstaat geführt hätte.

Nach den gewaltsamen Ausschreitungen im Hamburger Schanzenviertel hatte unter anderem die große Anzahl verletzter Polizisten für Bestürzung gesorgt. Fast 500 sollen es gewesen sein, wie die Polizei mitteilte. Eine Recherche von Buzzfeed ergab jedoch, dass weit weniger Beamte tatsächlich während der Ausschreitungen verletzt wurden.

Deutlich weniger verletzte Polizisten bei G20 als kommuniziert

Mehr als die Hälfte der Verletzungen hätten die Polizisten schon vor den Protesten an ihre Dienststellen gemeldet. Das gehe aus Anfragen an alle 16 Landespolizeibehörden und die Bundespolizei hervor. Auch seien zahlreiche Verletzungen nicht auf die Demonstranten zurückzuführen gewesen.

„In der heißen Einsatzphase vom 06.07. bis zum 09.07.17 wurden 231 Polizistinnen und Polizisten verletzt“, zitiert Buzzfeed das bayrische Innenministerium. Insgesamt seien 476 Polizisten „während der erweiterten Einsatzphase“, also vom 22. Juni bis zum 10. Juli, verletzt worden oder erkrankt. Mehr als die Hälfte der Krankheitsausfälle hat es demnach in den beiden Wochen vor den Demonstrationen gegeben. (aba)