Berlin. Sandra Maischberger wollte über die Eskalation der G20-Proteste in Hamburg diskutieren. Doch auf einmal eskalierte die Sendung selbst.

Um 00.19 Uhr ist die Bombe geplatzt. Die Sendung war schon fast vorbei, als der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach doch noch seine Androhung wahr machte. „Frau Ditfurth ist unerträglich, ich gehe“, sagte er – und stand auf.

Es kommt selten vor, dass Talksendungen im deutschen Fernsehen so eskalieren, dass Gäste freiwillig gehen. Am Mittwochabend war es aber soweit. Eigentlich wollte Sandra Maischberger über die Ausschreitungen beim G20-Gipfel diskutieren: „Gewalt in Hamburg: Warum versagt der Staat?“ lautete das Motto der Sendung. Und mit der linken Publizistin Jutta Ditfurth hatte die Redaktionen auch einen sehr streitbaren Gast eingeladen – zu viel Sprengstoff für 75 Minuten Sendezeit.

Ex-Grüne verharmlost linke Gewalt

Immer wieder geriet die Ex-Grünen-Chefin mit dem Unionsmann Bosbach aneinander. „Es ist unerträglich, mit Ihnen in einer Runde zu sitzen“, polterte Bosbach, nachdem Ditfurth die Beiträge der anderen Gäste ständig unterbrach.

Bosbach stieß sich auch inhaltlich an Ditfurth, die gegen die Polizei polemisierte, ihr Eskalation vorwarf, gleichzeitig aber die Krawalle im Hamburger Schanzenviertel nicht entschieden verurteilte. „Es geht nicht, dass Frau Ditfurth so lange reden kann, wie sie will und ich sofort abgewürgt werde“, rief er, nachdem Moderatorin Maischberger ihm ins Wort fiel.

Dem Unions-Politiker stand der Zorn ins Gesicht geschrieben, seinen Abgang kündigte er mehrmals an. Als Ditfurth zum x-ten Mal die Aussagen des Hamburger Polizisten Joachim Lenders höhnisch kommentierte – mal mit gespieltem Lachen, mal mit sarkastischen Zwischenrufen –, reichte es Bosbach. Wütend sprang er aus seinem Stuhl auf und verschwand.

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Viel Polemik, kaum Diskussion

Sandra Maischberger versuchte die Emotionen zu beruhigen, indem sie nun auch Jutta Ditfurth aus der Sendung nahm. „Aus Gründen der Parität“, so die Moderatorin. Doch der Aufforderung zu gehen, kam die Ex-Grüne nicht nach – sie blieb und schwieg.

So wie beim G20-Gipfel am Wochenende in Hamburg kochten auch in Maischbergers TV-Studio die Emotionen hoch. Zwei Seiten standen sich gegenüber, nicht in der Lage, aufeinander einzugehen. Auf der einen Seite Wolfgang Bosbach und der Polizist Lenders, die keinerlei Fehler der Hamburger Polizei erkennen konnten. Selbst die Augenzeugenberichte von Journalisten, die von hoch aggressiven Polizeibeamten sprachen, wurden bei Seite gewischt.

Die anderen Gäste kamen bei Maischberger kaum zu Wort

Auf der anderen Seite Jutta Ditfurth, die den Namen der berüchtigten „Welcome to hell“-Demo als „hübsche Aussage“ bezeichnete, die Krawalle als „sogenannte Randale“ und – na klar – der Polizei eine alleinige Verantwortung der Eskalation zuschrieb.

Zwischen diesen Fronten kamen die übrigen Gäste, der Linke-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken, die Ex-SPD-Generalsekretärin Katarina Barley und selbst der extrovertierte „Stern“-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges kaum noch zu Wort.

„Es ist keine linke Aktion, ein Auto anzuzünden“

Schade eigentlich. Denn sie bemühten sich um eine differenzierte Einordnung des Geschehens. Jörges legte dar, dass sowohl die Bundeskanzlerin als auch SPD-Hoffnungsträger Olaf Scholz auf nette Wahlkampfbilder aus Hamburg gehofft hatten – doch das ging im Stein- und Flaschenwurf der Autonomen unter. Der Linke-Bundestagsabgeordnete fand deutliche Worte gegen die Randalierer in der Schanze. „Es ist keine linke Aktion, ein Auto anzuzünden“, sagte er – ein Satz, den man sich auch von Jutta Ditfurth gewünscht hätte.

Doch die politische Diskussion ist nach den Ausschreitungen von Hamburg schon längst einen Schritt weiter. Es mehren sich die Stimmen, die eine Schließung von autonomen Zentren wie der Roten Flora oder der Rigaer Straße in Berlin fordern.

„Jede Form von Extremismus muss bekämpft werden“, forderte die SPD-Politikerin Katharina Barley am Schluss der Sendung. Ein Satz, so allgemeingültig, dass ihn wohl alle in Maischbergers Runde hätten unterschreiben können. Vielleicht sogar Jutta Ditfurth.

Im Internet kannte man indes nur ein Thema: der Abgang von Wolfgang Bosbach. Das sind die besten Reaktionen: