Berlin. Heute entscheidet der Bundestag über die „Ehe für alle“. Ein lesbisches Paar soll den Anstoß für Merkels Umdenken gegeben haben..

Es geschah auf einer Wahlkampfveranstaltung. Christine Zilm (58) und ihre Partnerin Gundula (52) aus Barth in Mecklenburg-Vorpommern erzählten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), wie sehr sie sich die „Ehe für alle“ wünschen. Der Grund: Sie kümmern sich um mehrere Pflegekinder – können die Kinder aber nicht adoptieren, weil sie als eingetragene Lebenspartnerinnen nicht die gleichen Rechte haben wie Verheiratete.

Das Gespräch führte bei der Kanzlerin zum Umdenken. Merkel gab Anfang der Woche die Abstimmung über die Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften mit der traditionellen Ehe, also die „Ehe für alle“, als Gewissensfrage frei. Das heißt: Die Abgeordneten sind nicht der Fraktionsdisziplin unterworfen und dürfen abstimmen, wie sie wollen.

Die Zilms konnten Merkel überzeugen: Wenn das Jugendamt einem lesbischen Paar Pflegekinder anvertraut, kann die Kanzlerin nicht, wie bisher, mit dem Kindeswohl gegen Adoptionen argumentieren.

Homosexuelle Abgeordnete werden Reden halten

Am Freitag um acht Uhr morgens ist die „Ehe für alle“ Thema im Bundestag. Unklar war am Donnerstag noch, wie Merkel selbst abstimmen wird und wie viele Unionsabgeordnete dafür votieren werden. Interessant dürfte auch die Entscheidung der Unionsminister werden. Aus der Unionsfraktion war zu hören, dass Abgeordnete, die mit Ja stimmen wollten, in Einzelgesprächen „bearbeitet“ wurden.

Schulz: "Ehe für alle ist überfällig"

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    Womöglich wird es in den Reihen der CDU- und CSU-Parlamentarier deshalb viele Enthaltungen geben – weil sich die Abgeordneten im Zwiespalt mit der Basis oder mit der katholischen Kirche befinden.

    Ein Teil der Union könnte für die Änderung stimmen

    Möglich ist aber auch, dass doch ein Viertel bis ein Drittel der Unionsfraktion für die Gesetzesänderung stimmen könnten, heißt es aus der Fraktion. SPD, Grüne und Linke haben nur zehn Abgeordnete mehr als CDU und CSU.

    In der Union ist der Zorn über den Koalitionspartner SPD noch nicht verraucht. „Normalerweise ist das ein Koalitionsbruch“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer der „Augsburger Allgemeinen“. Die SPD hatte gemeinsam mit Grünen und Linken gegen den Willen der Union eine Bundestagsabstimmung über das Thema für diesen Freitag angesetzt. Seehofer nannte das Verhalten der SPD „unwürdig“. „Man hätte das auch in aller Ruhe im Herbst machen können.“

    Die Debatte wird kurz

    Die Debatte am Freitagmorgen wird 38 Minuten dauern, was sehr kurz ist. In drei von vier Fraktionen wird ein bekennender Homosexueller reden: Jan-Marco Luczak (CDU), Johannes Kahrs (SPD) und Harald Petzold (Linke). Zudem werden die Fraktionschefs Volker Kauder (CDU), Thomas Oppermann (SPD) und Dietmar Bartsch (Linke) sprechen, ebenso CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt.

    Bei den Grünen wird nur Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt ans Pult treten. Damit verzichtet die Öko-Partei auf eine Rede von Volker Beck. Der homosexuelle Abgeordnete aus Köln kämpft seit Jahrzehnten für die Gleichstellung von Homo- und Heterosexuellen. Und: Auf dem Parteitag der Grünen vor knapp zwei Wochen setzte Beck gegen Widerstände von Parteifreunden durch, dass die Öko-Partei den Satz „Mit uns wird es keinen Koalitionsvertrag ohne die ,Ehe für alle‘ geben“ in ihr Wahlprogramm schreibt. Daraufhin machten auch SPD und FDP die Gleichberechtigung zur Bedingung für Koalitionen. Die Union war isoliert – und Merkel änderte ihre Haltung.