Berlin. Illegale Autorennen will der Bundesjustizminister unterbinden. Im Kampf gegen Wohnungseinbrüche fordert er stärkere Polizeipräsenz.

Justizminister Heiko Maas hat in dieser Wahlperiode mehr Gesetze auf den Weg gebracht als jeder andere Minister – darunter auch sehr umstrittene Gesetze. An diesem Donnerstag soll der Bundestag härtere Strafen für Autoraser und Wohnungseinbrecher beschließen. Maßnahmen, die nicht ausreichen, wie der SPD-Politiker im Interview einräumt.

In Berlin sind zwei Autofahrer nach einem illegalen Rennen mit tödlichem Ausgang des Mordes schuldig gesprochen worden. Sind Raser Mörder, Herr Minister?

Heiko Maas: Es ist Sache der Gerichte, über Einzelfälle zu urteilen. Aber grundsätzlich: Die Auswirkungen von illegalen Straßenrennen sind katastrophal – auch für völlig Unbeteiligte. Ich halte diese Raser-Events für ein Hobby von Verrückten. Das ist russisches Roulette auf deutschen Straßen – nur, dass die Täter das Leben anderer aufs Spiel setzen.

Der Bundestag soll nun ein Gesetz beschließen, das Strafen von bis zu zwei Jahren Haft vorsieht – und bis zu zehn Jahren, wenn jemand schwer verletzt oder getötet wird. Lassen sich illegale Rennen so eindämmen?

Maas: Wir müssen alles tun, um diesen Irrsinn zu stoppen und die Menschen vor solchen Verrückten zu schützen. Das sind keine Bagatellen, wir brauchen deutlich härtere Strafen. Bloße Geldstrafen allein reichen nicht aus. Den Rasern sollten empfindliche Gefängnisstrafen drohen, und ihr Fahrzeug sollte eingezogen werden können – und zwar nicht erst dann, wenn Unbeteiligte zu Schaden gekommen sind, sondern schon vorher.

Sie wollen nicht nur Teilnehmer und Veranstalter illegaler Autorennen bestrafen. Ganz allgemein sollen für Raser Strafen von bis zu zwei Jahren Haft möglich sein. Wer ist für Sie ein Raser – und wer nicht?

Maas: Etwas vereinfacht gesagt: Raser sind neben Teilnehmern an verbotenen Rennen auch Personen, die grob verkehrswidrig und rücksichtslos fahren, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Im Gesetz ist das klar geregelt.

Wohnungseinbruch – auch das will die große Koalition an diesem Donnerstag durchsetzen – soll künftig mit mindestens einem Jahr Haft geahndet werden. Glauben Sie, die Bürger fühlen sich dann sicherer?

Maas: Wir müssen die Menschen in ihren eigenen vier Wänden so gut wie möglich schützen. Einbruchsdiebstähle in die private Wohnung sind Straftaten, die in die Intimsphäre der Menschen eindringen – und bei den Opfern traumatische Folgen haben können. Die seelischen Schäden sind nicht selten weit größer als die materiellen Folgen. Deswegen: Wohnungseinbrüche sollen in Zukunft härter bestraft werden.

Damit heben Sie nicht die Aufklärungsquote ...

Maas: Absolut richtig. Allein die Gesetze zu verschärfen, reicht nicht aus. Entscheidend wird sein, die Aufklärungsquoten zu erhöhen und die Täter möglichst schnell zur Rechenschaft zu ziehen, damit sie nicht monatelang ihr Unwesen treiben.

Da Einbrecher sich immer besser organisieren, muss das auch die Polizei tun. Es braucht keine Hilfssheriffs oder Bürgerwehren, sondern ausreichend viele und gut ausgebildete Polizisten. Und: In besonders gefährdeten Vierteln brauchen wir möglichst auch Streifenpräsenz.

Sind Sie selbst schon Opfer eines Einbruchs geworden?

Maas: Nein. Aber leider gilt das für viele andere nicht.

Sie haben in dieser Wahlperiode 95 Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht – so viele wie kein anderer Minister. Leiden Sie an Regulierungswut?

Maas: Im Gegenteil. Recht soll nicht bevormunden, sondern schützen. Das sehen Sie an den Verschärfungen beim Wohnungseinbruch und bei illegalen Autorennen, über die wir gerade gesprochen haben. Wo es der Freiheit dient, schaffen wir mit unseren Entwürfen ja auch Strafvorschriften ab – so wie jüngst die „Majestätsbeleidigung“.

Nach meinem Amtsverständnis sehe ich mich eben nicht als bloßer Notar der Bundesregierung. Für mich ist Justiz- und Verbraucherpolitik immer auch Gesellschaftspolitik.

Besonders umstritten ist Ihr Gesetzentwurf gegen Hasskommentare in den sozialen Netzwerken. Er sieht Strafen von bis zu 50 Millionen Euro vor, wenn Plattformen illegale Inhalte nicht schnell genug löschen. Ist das mit der Verfassung vereinbar?

Maas: Ja. Die Meinungsfreiheit schützt auch abstoßende und hässliche Äußerungen – sogar Lügen können von der Meinungsfreiheit gedeckt sein. Aber: Meinungsfreiheit schützt keine Straftaten – auch nicht im Netz. Mordaufrufe, Bedrohungen und Volksverhetzung oder die Auschwitz-Lüge sind kein Ausdruck der Meinungsfreiheit, sondern sie sind Angriffe auf die Meinungsfreiheit von anderen.

Damit sollen Andersdenkende eingeschüchtert und mundtot gemacht werden. Es soll ein Klima der Angst geschaffen werden. Wem am Schutz der Meinungsfreiheit gelegen ist, der darf nicht tatenlos zusehen, wie der offene Meinungsaustausch durch strafbare Bedrohung und Einschüchterung unterbunden wird.

Die Digitalwirtschaft droht mit Klage ...

Maas: Die geltende Rechtslage ist klar: Plattformbetreiber sind verpflichtet, strafbare Inhalte zu löschen, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Dieses Recht müssen wir auch durchsetzen. Das ist der Zweck unseres neuen Gesetzes. Wir können uns nicht damit zufrieden geben, dass die sozialen Netzwerke unser Recht missachten. Sie müssen sich wie jeder andere auch an unsere Gesetze halten.

"Hate-Speech-Gesetz" in der Kritik

weitere Videos

    Findet das Facebook-Gesetz noch in dieser Woche eine Mehrheit?

    Maas: Das hoffe ich. Wir haben uns mit den Regierungsfraktionen auf einige weitere Klarstellungen verständigt und so ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Dieses Gesetz löst nicht alle Probleme, und doch ist es ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Hasskriminalität und strafbaren Fake News in sozialen Netzwerken.

    Ist die Koalition überhaupt noch handlungsfähig? Die SPD hat sich über Vereinbarungen mit der Union hinweggesetzt – und eine Abstimmung zur „Ehe für alle“ erzwungen ...

    Maas: Die „Ehe für alle“ ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einem modernen Recht für eine moderne Gesellschaft. Die „Ehe für alle“ sollte eigentlich längst kein Streitthema mehr sein, sondern eine Selbstverständlichkeit. Unser Recht muss für alle gleich sein. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.

    Eine Änderung des Grundgesetzes halten wir nicht für erforderlich. Wir sehen einen Wandel des traditionellen Eheverständnisses, der angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung der „Ehe für alle“ verfassungsrechtlich zulässt.

    Ehe vs. "eingetragene Lebenspartnerschaft" - Das sind die Unterschiede

    weitere Videos