Berlin. Wer befristete Jobs teilweise verbieten will, löst keine Probleme am Arbeitsmarkt. Mehr Fantasie ist nötig als ein schlichtes Verbot.

Aus Sicht der Gewerkschaften ist es ein „Skandal“: Immer mehr neue Arbeitsverträge werden nur noch befristet geschlossen. Zehn Prozent der abhängig Beschäftigten in Deutschland haben einen Job auf Zeit. Vor allem junge Menschen beginnen ihre Karriere immer seltener in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz und Arbeitsministerin Andrea Nahles, auch SPD, wollen das nun ändern. Beide versprechen, dass Arbeitsverträge, die ohne sachlichen Grund auf Zeit geschlossen werden, der Vergangenheit angehören müssen. Aber ist das klug? Ist die Befristung von Arbeitsverträgen überhaupt ein Skandal?

Klar ist: Wer nur befristet angestellt wird, lebt in einem Zustand der Unsicherheit. Größere Anschaffungen, die Gründung einer Familie, vielleicht sogar der Kredit für eine eigene Wohnung sind damit nur schwer zu vereinbaren. Zu Beginn des Berufslebens mag man das noch hinnehmen, aber irgendwann wird es für die Arbeitnehmer unangenehm. Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Statistiken: Die Zahl der befristet Beschäftigten sinkt mit zunehmendem Lebensalter. Ab 30 Jahren hat höchstens noch jeder zehnte Arbeitnehmer einen Job auf Zeit.

Zeitarbeit: Nicht erstrebenswert, aber kein Skandal

Das ist ungefähr die Zahl derer, die insgesamt und über alle Altersgruppen hinweg befristet beschäftigt sind. Das ist sicher keine Randerscheinung mehr, aber es ist eben auch kein schreckliches Massenphänomen. Betrachtet man die zurückliegenden 25 Jahre, so hat sich die absolute Zahl der auf Zeit eingestellten Arbeitnehmer spürbar, aber nicht dramatisch erhöht – von rund zwei Millionen auf rund 2,5 Millionen.

Gleichzeitig wuchs die Zahl der Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen auf rund eine Million. Solche Beschäftigungsverhältnisse sind per se kein erstrebenswerter Zustand. Sie sind aber auch kein Skandal.

Arbeitsmarkt ist flexibel geworden

Die Zahlen zeigen vielmehr, wie flexibel der deutsche Arbeitsmarkt geworden ist. Das ist grundsätzlich positiv, denn genau diese Flexibilität hilft erwiesenermaßen, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Es kommt eben auf die Perspektive an: Verglichen mit einem unbefristeten Job erscheint eine befristete Stelle oft unattraktiv.

Verglichen mit der Arbeitslosigkeit kann sie aber Gold wert sein. Und ein Blick auf das europäische Ausland zeigt: Der deutsche Arbeitsmarkt steht im Vergleich insgesamt wirklich gut da.

Leiharbeiter beschäftigen

Die viel wichtigere Frage aber ist: was würde eine starke Beschränkung befristeter Jobs denn ändern? Auf dem Papier gäbe es vielleicht weniger solcher Arbeitsverhältnisse. Das aber wäre für die Gewerkschaften, die SPD und die betroffenen Arbeitnehmer nur ein Scheinsieg. Die Arbeitgeber – dazu zählt übrigens auch der Staat – werden dadurch nicht automatisch mehr Menschen unbefristet anstellen.

Sie werden sich immer neue Wege suchen, um flexibel zu bleiben: Sie werden mehr Leiharbeiter beschäftigen, Abteilungen ausgliedern oder mehr Arbeit auf Honorarbasis an Selbstständige vergeben. Gewonnen wäre mit einem teilweisen Verbot befristeter Beschäftigung daher so gut wie nichts. Das Problem würde sich nur verlagern.

Mehr Fantasie gefragt als ein Verbot

Befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund gibt es seit 1985. Wer nun dagegen kämpft, wünscht sich die Zustände von vor 30 Jahren zurück. Die Welt ist aber komplexer geworden, die Herausforderungen des Arbeitsmarktes liegen heute woanders. Die OECD hat am Dienstag darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Arbeitsmärkte immer stärker aufspalten – in Jobs mit geringer Qualifikation und in solche mit ganz hoher. Für solche Herausforderungen braucht es etwas mehr Fantasie als ein schlichtes Verbot.