Erlangen. CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann fordert eine harte Linie im Kampf gegen den Terror – und lehnt ein Bündnis mit den Grünen ab.

Sein Wahlkreisbüro im fränkischen Erlangen liegt auf einem verlassenen Areal der US-Armee. Wo der Schreibtisch von Joachim Herrmann steht, lagerten früher Waffen. Der bayerische Innenminister und Spitzenkandidat der CSU für die Bundestagswahl skizziert im Interview seine Wahlkampfstrategie.

Herr Bundesinnenministerkandidat ... so dürfen wir Sie doch ansprechen?

Joachim Herrmann: Ich bin Spitzenkandidat der CSU für die Bundestagswahl. Alles Weitere wird sich danach entscheiden. Wir arbeiten gerade an unserem Wahlprogramm, in dem wir bayerische Interessen vertreten – und vor allem klare Konzepte für ganz Deutschland.

Setzen Sie die Obergrenze für Flüchtlinge durch?

Eine Situation wie im Herbst 2015 darf sich nicht wiederholen. Wir werden die Zuwanderung begrenzen. Eine Obergrenze von 200.000 Migranten pro Jahr muss im Koalitionsvertrag verankert werden.

Die Flüchtlingszahlen sind deutlich zurückgegangen.

Richtig. Voraussichtlich bleiben es für dieses Jahr weniger als 200.000. Von uns bekommen die Menschen in Deutschland aber eine verlässliche Aussage, die nicht von anderen Staaten abhängig ist.

Haben Sie eine Idee, wie das Flüchtlingsamt BAMF endlich den Anforderungen gerecht werden kann?

Die Qualität der Asylentscheidungen ließ in der Tat zeitweilig zu wünschen übrig. Ich kann nur begrüßen, dass Bundesinnenminister de Maizière jetzt noch mehr alte Fälle überprüfen lässt. Es ist ein Gebot der Sicherheit, dass Genauigkeit vor Schnelligkeit geht – vor allem bei der Grundfrage der Identität von Asylbewerbern. Wir wissen, dass IS-Terroristen auf diesem Weg ins Land gekommen sind.

Was folgt daraus?

Nachlässigkeiten können wir uns nicht leisten. Es muss exakt gearbeitet werden. Die Identität jedes einzelnen Asylbewerbers muss schon an der Grenze geklärt werden. Dort muss auch eine Sicherheitsüberprüfung stattfinden. Das BAMF braucht mehr Experten, die Sprache und Heimat der Flüchtlinge kennen – und sich nichts vormachen lassen.

Die Zahl der islamistischen Anschläge und Anschlagsversuche in Europa hat deutlich zugenommen. Ist Ihnen schon der Gedanke gekommen, dass die westlichen Demokratien den Kampf gegen den Terror verlieren könnten?

Diese Frage stelle ich mir nicht. Wenn wir es richtig machen, sind wir selbstverständlich in der Lage, den Kampf gegen den Terror zu gewinnen. Es ist weltweit eine Minderheit, die auf Terror aus ist. Wir müssen uns aber richtig aufstellen. Das ist eine Riesenherausforderung.

Reichen die Instrumente aus, die den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehen?

Für mich ist das Wichtigste, dass wir unsere Sicherheitsbehörden personell weiter ausbauen. Es sind immer mehr Gefährder im Land, die überwacht werden müssen ...

... und die immer jünger werden.

In Bayern haben wir die Altersgrenze für die Überwachung abgeschafft. Im Normalfall wird der bayerische Verfassungsschutz keine Kinder beobachten. Aber wenn es einen konkreten Hinweis gibt, dass im Umfeld einer islamistischen Gruppe ein Zwölfjähriger unterwegs ist, müssen wir den auch beobachten können. Minderjährige haben schon schwere Gewalttaten begangen. Da muss der Staat konsequent handeln. Ich rate dringend dazu, die Altersgrenze für die Überwachung durch den Verfassungsschutz in ganz Deutschland fallen zu lassen.

Können sich die deutschen Sicherheitsbehörden noch auf die Zusammenarbeit mit ihren amerikanischen Partnern verlassen?

Die Zusammenarbeit im Arbeitsalltag funktioniert gut.

Es kann passieren, dass US-Präsident Trump brisante Informationen befreundeter Geheimdienste an Russland weitergibt ...

Wir haben von den Amerikanern in den vergangenen Jahren wertvolle Hinweise bekommen. Dieser US-Präsident hat eine merkwürdige Art der Kommunikation. Aber mein Eindruck ist, dass die eigentlichen Sicherheitsexperten im Verteidigungs- oder im Heimatschutzministerium eine sehr seriöse Arbeit machen. In der Regel ist es immer noch so, dass wir mehr Hinweise von den Amerikanern bekommen, als wir ihnen geben können. Insofern haben wir keinen Anlass, die Geheimdienstzusammenarbeit infrage zu stellen.

Trumps Wahl hatte in der CSU einige Euphorie ausgelöst. Wie ist jetzt die Stimmungslage?

Die Art, wie Trump agiert, ruft auch in der CSU sehr viel Stirnrunzeln hervor. Aber es wird auch eine Zeit nach Trump geben. Wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen. Aber wir haben kein Interesse daran, das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika grundlegend zu beschädigen. Wir dürfen keinen Bruch riskieren.

War Kanzlerin Merkel zu hart, als sie im Bierzelt von Trudering die Verlässlichkeit der Amerikaner in Zweifel zog?

Nein. Was Angela Merkel gesagt hat, ist positiv aufgenommen worden. Wir müssen uns in Europa auf unsere eigenen Stärken besinnen.

Kann sich Merkel wieder auf die CSU verlassen?

Wir hatten eine vorübergehende Störung, weil wir die Entwicklung in der Flüchtlingspolitik nicht gutgeheißen haben. Aber wir sind Schwesterparteien seit über 70 Jahren. Der gemeinsamen Verantwortung für Deutschland sind sich beide Parteien und beide Parteivorsitzenden bewusst.

In den Umfragen liegt die Union deutlich vorn. Haben Sie die Bundestagswahl schon so gut wie gewonnen – oder kann die SPD den Schulz-Effekt wiederbeleben?

Am Wahlabend ist es völlig egal, wie die Umfragen drei Monate davor ausgesehen haben. Das muss der Union bewusst sein. Die Wahl ist noch nicht gelaufen. CDU und CSU haben überhaupt keinen Anlass, sich zurückzulehnen. Wir müssen um jede Stimme kämpfen – und wollen uns von Monat zu Monat steigern. Das wichtigste Thema im Wahlkampf wird die Innere Sicherheit sein. Da hat die Union die Kompetenz. Herr Schulz gibt darauf keine Antwort.

Zielt die Union auf die absolute Mehrheit?

Von der absoluten Mehrheit im Bund zu sprechen, wäre für die Union vermessen. Aber wir wollen so stark werden, dass ohne CDU und CSU nicht regiert werden kann.

Ein Bündnis mit der FDP scheint wieder möglich. Was müsste besser laufen als beim großen Zank 2009 bis 2013?

Ich hoffe, dass die FDP dazugelernt hat. Sie hat 2009 phänomenale 14,6 Prozent erzielt – und ist mit dem Ergebnis nicht allzu klug umgegangen. Da ist auch etwas Übermut entstanden. Programmatisch hat die Union unbestritten die größte Schnittmenge mit der FDP.

Kommt für die CSU auch eine Koalition mit den Grünen infrage?

Es wird schwierig, wenn die demokratischen Parteien allzu viele Bündnisse ausschließen. Die CSU würde niemals mit der Linkspartei und mit der AfD koalieren. Alles andere ist grundsätzlich möglich. Ein Bündnis mit den Grünen kann ich mir aber nur sehr schwer vorstellen. Mir fehlt die Fantasie, wie die CSU mit den Grünen auf einen Nenner kommen will, gerade in der Inneren Sicherheit.