Berlin. Geplant war ein Rückkehrrecht für Arbeitnehmer von Teil- in Vollzeit. Einigen konnten sich Union und SPD vor der Bundestagswahl nicht.

  • Geplant war ein Rückkehrrecht für Arbeitnehmer von Teil- in Vollzeit
  • Einigen konnten sich Union und SPD vor der Bundestagswahl nicht

Das geplante Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit ist gescheitert. „Das Kanzleramt hat mir mitgeteilt, dass eine Kabinettsbefassung nicht mehr vorgesehen ist“, teilte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Dienstag in Berlin mit. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz beklagte einen Bruch der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD und gab Bundeskanzlerin Angela Merkel die Schuld dafür.

„Verantwortung dafür trägt eindeutig die Vorsitzende der CDU, Angela Merkel, die ganz offensichtlich mit dieser Entscheidung zu einem Ende der ordnungsgemäßen Zusammenarbeit in der großen Koalition kommen will“, sagte Schulz am Dienstag. Der SPD-Chef warf dem Kanzleramt vor, sich zu einer Wahlkampfzentrale zu entwickeln.

SPD und Union streiten über Koalitionsvereinbarung

Kanzleramtsminister Peter Altmaier wies den Vorwurf zurück. Nahles habe einen Referentenentwurf vorgelegt, der über die Verabredungen im Koalitionsvertrag hinausgegangen sei, erklärte er. Deshalb habe die Ressortabstimmung dazu nicht abgeschlossen werden können. Weitere Gespräche mit den Sozialpartnern seien ergebnislos geblieben. „Ohne eine Verständigung über die Inhalte kann auch das Bundeskabinett nicht mit einem Gesetzentwurf befasst werden“, betonte Altmaier.

Dem Gesetzentwurf der Ministerin zufolge sollten Beschäftigte, die zeitlich begrenzt ihre Arbeitszeit verringern möchten, danach zur ursprünglichen Arbeitszeit zurückkehren können. Während Nahles dies für Unternehmen ab 15 Beschäftigten vorsah, hätten Union und Arbeitgeber die Schwelle bei 200 Beschäftigten festlegen wollen. Das hätte mehr als drei Millionen Teilzeitbeschäftigte ausgeschlossen.

Martin Schulz gibt Kanzlerin die Schuld am Scheitern

Schulz wertete das Scheitern des Projekts als schlechte Nachricht, besonders für Frauen. Viele Menschen hätten Vertrauen in die Arbeit der großen Koalition gehabt, weil unabhängig von parteipolitischen Fragen der Koalitionsvertrag sehr zuverlässig abgearbeitet worden sei. Dies sei für die SPD manchmal nicht ganz einfach gewesen. „Wir haben zu unserer Verpflichtung gestanden“, sagte Schulz. „Dass jetzt die Vorsitzende der CDU einen im Koalitionsvertrag vereinbarten Punkt in dieser Form ablehnt, hat sie persönlich zu verantworten.“

Arbeitsministerin Andrea Nahles will Beschäftigen nach befristeter Teilzeit ein Rückkehrrecht ins Vollzeit-Arbeitsmodell einräumen.
Arbeitsministerin Andrea Nahles will Beschäftigen nach befristeter Teilzeit ein Rückkehrrecht ins Vollzeit-Arbeitsmodell einräumen. © dpa | Michael Kappeler

Nahles warf den Arbeitgebern vor, Druck auf das Kanzleramt ausgeübt zu haben. Immer wenn bei den Gesprächen der vergangenen Wochen ein Schritt gemacht worden sei, habe die andere Seite noch einmal draufgesattelt. Ein „reines Placebo“ mache sie aber nicht mit, sagte Nahles. Die SPD will nun im Wahlkampf für das Recht auf befristete Teilzeit werben.

Teilzeitquote steigt kontinuierlich

Die Zahl der Beschäftigten in Teilzeit stieg innerhalb von 20 Jahren von 8,3 Millionen auf 15,3 Millionen im vergangenen Jahr. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten ist seit 1996 von rund 25,9 Millionen auf 24 Millionen gesunken. Die Teilzeitquote, der relative Anteil der Personen in Teilzeitbeschäftigung an den Erwerbstätigen, stieg seit 1991 kontinuierlich von 17,9 Prozent auf 39 Prozent 2016 an. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nehmen vor allem Frauen verstärkt Teilzeit in Anspruch – mehrheitlich freiwillig, aber in vielen Fällen auch unfreiwillig.

Ein Sprecher des Arbeitgeberverbandes BDA betonte: „Flexibilität bei der Arbeitszeit ist nur mit, nicht gegen die Betriebe zu organisieren.“ Die Arbeitgeber fänden hier mit ihren Beschäftigten flexible und individuelle Lösungen.

DGB-Chef Reiner Hoffmann kritisierte: „Statt vor allem Millionen Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, Familie und Beruf endlich sinnvoll zu verbinden, beharren die konservativen Kräfte auf Stillstand.“ (dpa)