Jerusalem. Bundespräsident Steinmeier will beim Besuch in Israel ein kritischer Freund sein. Er mahnt: „Niemals darf Sprachlosigkeit herrschen“.

Oben auf dem Skopusberg kommt der Bundespräsident für einen Moment ins Schwärmen: „Einen der schönsten Tage“ in seiner Zeit als Außenminister habe er hier erlebt, erinnert sich Frank-Walter Steinmeier beim Besuch der Hebräischen Universität in Jerusalem am Sonntagnachmittag. Vor knapp zwei Jahren verlieh ihm die Hochschule in einer bewegenden Feier den Titel eines Ehrendoktors. Für seine Verdienste um die deutsch-israelischen Beziehungen, als „wahrer Freund Israels“ wurde er zusammen mit Friedensnobelpreisträger Shimon Peres geehrt. Längst vergangene Zeiten.

Jetzt steht der Präsident wieder hier in der Universität, wieder hält er eine Rede – doch diesmal ist alles anders, es ist ein schwieriger Moment selbst für den diplomatisch erfahrenen Bundespräsidenten. In ungewöhnlich klaren Worten übt der deutsche Staatsgast Kritik an der israelischen Regierung wegen des Eklats beim Besuch von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD).

„Sprechverbote helfen nicht beim Verstehen, und sie schaffen kein Verständnis“, mahnt Steinmeier. Und: „Was auch immer geschieht – niemals darf Sprachlosigkeit zwischen Deutschland und Israel einkehren!“

Bundespräsident Steinmeier zeigt klare Haltung

Vor knapp zwei Wochen hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein Treffen mit Gabriel platzen lassen, weil der sich auch mit den Veteranen der Gruppe „Breaking the Silence“ (Das Schweigen brechen) treffen wollte, die den Umgang der israelischen Armee mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten kritisieren. Dem Bundespräsidenten hätte ein ähnlicher Affront gedroht, wenn er bei seinem viertägigen Besuch in Israel mit den Ex-Soldaten zusammengetroffen wäre.

Netanjahu droht mit Absage von Gabriel-Treffen

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    Steinmeier verzichtet ganz auf ein Gespräch mit solchen Gruppen, um die Spannungen nicht weiter zu vertiefen – aber auf eine klare Haltung verzichtet er nicht: Am Sonntagmorgen trifft er sich mit dem Schriftsteller David Grossmann, der wie Steinmeier und die Bundesregierung ein Kritiker der israelischen Siedlungspolitik ist. Am Montag wird unter anderem der Schriftsteller Amon Oz Steinmeiers Gast beim Mittagessen sein, er stärkt in Israel regierungskritischen Organisationen den Rücken. Kritische Stimmen in Israel werden gehört, soll das heißen.

    Mahnung an Ministerpräsident Netanjahu

    Steinmeier sagt es öffentlich so: Zivilgesellschaftliche Organisationen verdienten den Respekt als Demokraten auch dann, wenn sie einer Regierung kritisch gegenüberstünden. Diese Mahnung bekommt Ministerpräsident Netanjahu auch persönlich während einer einstündigen Begegnung mit Steinmeier zu hören. „Wir haben eine einzigartige Partnerschaft, ein einzigartiges Bündnis“, sagt Netanjahu hinterher.

    Aber wer solle denn, das sagt der Gast ihm dem Vernehmen nach, Israel noch unterstützen, wenn die Regierung nicht einmal mit Freunden offen spreche?

    Freundschaft bleibt, auch „wenn der Wind rauer wird“

    In seiner Rede an der Universität deutet Steinmeier an, auch er hätte das Gespräch jetzt abbrechen können – in Deutschland hätten ihm einige geraten, die Reise abzusagen. Aber, sagt er: „Es entspräche nicht meiner Verantwortung, die Beziehung unserer Staaten tiefer in eine Sackgasse geraten zu lassen“.

    Sackgasse? Steinmeier weiß, dass Netanjahu als Chef einer rechts-religiösen Regierung den Eklat aus innenpolitischen Gründen gesucht hat, aber er fürchtet, die Spannungen könnten sich verhärten. Er will die Freundschaft beider Staaten nicht aufs Spiel setzen, einerseits. Die Beziehungen würden immer besondere bleiben, dass dürfe gerade dann nicht vergessen werden, „wenn der Wind etwas rauer wird“.

    Die Karriere von Frank-Walter Steinmeier

    Er ist der Ruhige und Besonnene, kein Polterer. Es ist da nur folgerichtig, dass Frank-Walter Steinmeier die Nachfolge von Joachim Gauck antritt. Am 12. Februar ist der 61-Jährige zum zwölften Bundespräsidenten gewählt worden. Die SPD-Ikone Willy Brandt gab, wie bei so vielen, auch bei Frank-Walter Steinmeier in den 70er-Jahren den Anstoß, sich in der SPD zu engagieren. „Die Neugier auf Politik wurde geboren im Streit um Ostpolitik und Misstrauensvotum gegen Willy Brandt“, so Steinmeier.
    Er ist der Ruhige und Besonnene, kein Polterer. Es ist da nur folgerichtig, dass Frank-Walter Steinmeier die Nachfolge von Joachim Gauck antritt. Am 12. Februar ist der 61-Jährige zum zwölften Bundespräsidenten gewählt worden. Die SPD-Ikone Willy Brandt gab, wie bei so vielen, auch bei Frank-Walter Steinmeier in den 70er-Jahren den Anstoß, sich in der SPD zu engagieren. „Die Neugier auf Politik wurde geboren im Streit um Ostpolitik und Misstrauensvotum gegen Willy Brandt“, so Steinmeier. © Funke foto Service | Gero Breloer
    Ein Bild aus rot-grünen Regierungszeiten: Steinmeier im Juli 2009 mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem er als Kanzleramtsminister diente.
    Ein Bild aus rot-grünen Regierungszeiten: Steinmeier im Juli 2009 mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem er als Kanzleramtsminister diente. © imago | sepp spiegl
    Machtübergabe: Der abgewählte Bundeskanzler Helmut Kohl (m.) übergab nach der Wahl im Oktober 1998 an seinen Nachfolger Gerhard Schröder (r.). Im Hintergrund mit dabei: Frank-Walter Steinmeier (l.).
    Machtübergabe: Der abgewählte Bundeskanzler Helmut Kohl (m.) übergab nach der Wahl im Oktober 1998 an seinen Nachfolger Gerhard Schröder (r.). Im Hintergrund mit dabei: Frank-Walter Steinmeier (l.). © imago | sepp spiegl
    Schwierige Tage: Bei einer Anhörung zur Rolle des Bundesnachrichtendienstes während des Irak-Kriegs musste Steinmeier im Dezember 2008 als Zeuge aussagen.
    Schwierige Tage: Bei einer Anhörung zur Rolle des Bundesnachrichtendienstes während des Irak-Kriegs musste Steinmeier im Dezember 2008 als Zeuge aussagen. © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    22.11.2005: Frank-Walter Steinmeier legt als Bundesaußenminister gegenüber Bundestagspräsident Norbert Lammert den Amtseid ab. Die SPD regiert als Juniorpartner in der Koalition mit der Union.
    22.11.2005: Frank-Walter Steinmeier legt als Bundesaußenminister gegenüber Bundestagspräsident Norbert Lammert den Amtseid ab. Die SPD regiert als Juniorpartner in der Koalition mit der Union. © imago | Sven Simon
    Gute Laune auf der Regierungsbank im Bundestag: Steinmeier mit Parteifreundin Brigitte Zypries, damals Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Zypries wurde Anfang 2017 Nachfolgerin von Sigmar Gabriel und damit die erste Wirtschaftsministerin der Bundesrepublik.
    Gute Laune auf der Regierungsbank im Bundestag: Steinmeier mit Parteifreundin Brigitte Zypries, damals Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Zypries wurde Anfang 2017 Nachfolgerin von Sigmar Gabriel und damit die erste Wirtschaftsministerin der Bundesrepublik. © imago | Metodi Popow
    Zu Bundeskanzlerin Angela Merkel pflegte Steinmeier stets ein gutes Verhältnis. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er bei der Bundestagswahl 2009 als Kanzlerkandidat der SPD gegen Merkel antrat. Steinmeier fuhr damals das bis dahin schlechteste Bundestagswahlergebnis für die SPD ein.
    Zu Bundeskanzlerin Angela Merkel pflegte Steinmeier stets ein gutes Verhältnis. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er bei der Bundestagswahl 2009 als Kanzlerkandidat der SPD gegen Merkel antrat. Steinmeier fuhr damals das bis dahin schlechteste Bundestagswahlergebnis für die SPD ein. © Getty Images | Andreas Rentz
    Frank-Walter Steinmeier genießt nicht nur in der SPD große Sympathien. Über Parteigrenzen hinweg wird seine Fähigkeit zum Ausgleich gelobt.
    Frank-Walter Steinmeier genießt nicht nur in der SPD große Sympathien. Über Parteigrenzen hinweg wird seine Fähigkeit zum Ausgleich gelobt. © REUTERS | REUTERS / MICHAEL DALDER
    Wahlkampf unter Tage: Als Kanzlerkandidat der SPD 2009 besuchte Steinmeier die Zeche „Prosper-Haniel“ in Bottrop im Ruhrgebiet.
    Wahlkampf unter Tage: Als Kanzlerkandidat der SPD 2009 besuchte Steinmeier die Zeche „Prosper-Haniel“ in Bottrop im Ruhrgebiet. © REUTERS | REUTERS / INA FASSBENDER
    Der Kanzlerkandidat Steinmeier im August 2009, am Abend der Landtagswahlen in mehreren Bundesländern.
    Der Kanzlerkandidat Steinmeier im August 2009, am Abend der Landtagswahlen in mehreren Bundesländern. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
    So war es im Oktober 2008: Steinmeier als Kanzlerkandidat und Franz Müntefering als SPD-Vorsitzender wollten die Partei bei der Wahl 2009 gemeinsam an die Macht führen – und scheiterten deutlich. Von 2009 bis 2013 regierte in Berlin Schwarz-Gelb.
    So war es im Oktober 2008: Steinmeier als Kanzlerkandidat und Franz Müntefering als SPD-Vorsitzender wollten die Partei bei der Wahl 2009 gemeinsam an die Macht führen – und scheiterten deutlich. Von 2009 bis 2013 regierte in Berlin Schwarz-Gelb. © Getty Images | Sean Gallup
    Als Bundesaußenminister war Frank-Walter Steinmeier auf internationalem Parkett ein wichtiger Ansprechpartner, auch für seine amerikanische Amtskollegin Condoleezza Rice. Hier ein Bild aus dem Jahr 2008.
    Als Bundesaußenminister war Frank-Walter Steinmeier auf internationalem Parkett ein wichtiger Ansprechpartner, auch für seine amerikanische Amtskollegin Condoleezza Rice. Hier ein Bild aus dem Jahr 2008. © REUTERS | REUTERS / TOBIAS SCHWARZ
    17. Dezember 2013: Wieder wird Frank-Walter Steinmeier Außenminister. Die Ernennungsurkunde überreicht ihm der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck, zu dessen Nachfolger Steinmeier gewählt wurde.
    17. Dezember 2013: Wieder wird Frank-Walter Steinmeier Außenminister. Die Ernennungsurkunde überreicht ihm der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck, zu dessen Nachfolger Steinmeier gewählt wurde. © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    Steinmeier warb stets für die Integration von Flüchtlingen, hier bei einem gemeinsamen Fastenbrechen mit syrischen Flüchtlingen in Berlin während des Ramadan im Juli 2014.
    Steinmeier warb stets für die Integration von Flüchtlingen, hier bei einem gemeinsamen Fastenbrechen mit syrischen Flüchtlingen in Berlin während des Ramadan im Juli 2014. © REUTERS | REUTERS / AXEL SCHMIDT
    Ein bodenständiger Westfale, der als Außenminister Deutschland in der Welt vertrat: Frank-Walter Steinmeier 2015 in Berlin.
    Ein bodenständiger Westfale, der als Außenminister Deutschland in der Welt vertrat: Frank-Walter Steinmeier 2015 in Berlin. © Getty Images | Adam Berry
    Frank-Walter Steinmeier mit Ehefrau Elke Büdenbender bei einer Operngala der Deutschen Aids-Stiftung in der Deutschen Oper in Berlin im Jahr 2011. Als seine Frau 2010 schwer erkrankte, spendete Frank-Walter Steinmeier ihr eine Niere und nahm dafür eine Auszeit von der Politik.
    Frank-Walter Steinmeier mit Ehefrau Elke Büdenbender bei einer Operngala der Deutschen Aids-Stiftung in der Deutschen Oper in Berlin im Jahr 2011. Als seine Frau 2010 schwer erkrankte, spendete Frank-Walter Steinmeier ihr eine Niere und nahm dafür eine Auszeit von der Politik. © imago | eventfoto54
    Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2014 mit seinem legendären Vorgänger Hans-Dietrich Genscher. Anlass war der 25. Jahrestag der Ereignisse in der bundesdeutschen Botschaft in Prag, als Genscher dafür sorgte, dass Tausende DDR-Flüchtlinge, die 1989 dort Zuflucht gesucht hatten, in die Bundesrepublik ausreisen durften. Genscher starb im März 2016.
    Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2014 mit seinem legendären Vorgänger Hans-Dietrich Genscher. Anlass war der 25. Jahrestag der Ereignisse in der bundesdeutschen Botschaft in Prag, als Genscher dafür sorgte, dass Tausende DDR-Flüchtlinge, die 1989 dort Zuflucht gesucht hatten, in die Bundesrepublik ausreisen durften. Genscher starb im März 2016. © Getty Images | Matej Divizna
    Das Verhältnis zu den USA liegt Steinmeier besonders am Herzen. Hier berät er sich im September 2015 mit US-Außenminister John Kerry in Berlin.
    Das Verhältnis zu den USA liegt Steinmeier besonders am Herzen. Hier berät er sich im September 2015 mit US-Außenminister John Kerry in Berlin. © Getty Images | Pool
    Fußball gehört für Steinmeier zum Leben. Zehn Jahre lang spielte er für den TuS 08 Brakelsiek – anfangs in der Abwehr, dann als Libero, später im rechten Mittelfeld. „Nicht der begnadete Filigrantechniker, dafür großes Kämpferherz und langer Atem“, wie er selbst sagt. Das Foto zeigt den Außenminister mit seinem slowakischen Amtskollegen Miroslav Lajcak vor einem Spiel der beiden Nationalmannschaften bei der Euro 2016.
    Fußball gehört für Steinmeier zum Leben. Zehn Jahre lang spielte er für den TuS 08 Brakelsiek – anfangs in der Abwehr, dann als Libero, später im rechten Mittelfeld. „Nicht der begnadete Filigrantechniker, dafür großes Kämpferherz und langer Atem“, wie er selbst sagt. Das Foto zeigt den Außenminister mit seinem slowakischen Amtskollegen Miroslav Lajcak vor einem Spiel der beiden Nationalmannschaften bei der Euro 2016. © REUTERS | REUTERS / HANNIBAL HANSCHKE
    Nein, hier geht es nicht um Fußball, der Schal täuscht: Das Bild zeigt Steinmeier im Juni 2015 beim evangelischen Kirchentag in Stuttgart.
    Nein, hier geht es nicht um Fußball, der Schal täuscht: Das Bild zeigt Steinmeier im Juni 2015 beim evangelischen Kirchentag in Stuttgart. © Thomas Lohnes
    Frank-Walter Steinmeier bei einer Rede anlässlich einer OSCE-Konferenz im September 2016 in Potsdam.
    Frank-Walter Steinmeier bei einer Rede anlässlich einer OSCE-Konferenz im September 2016 in Potsdam. © REUTERS | REUTERS / STEFANIE LOOS
    Kraftvoll – das ist das Stichwort auch für den designierten Bundespräsidenten Steinmeier.
    Kraftvoll – das ist das Stichwort auch für den designierten Bundespräsidenten Steinmeier. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
    Er hat es geschafft: Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht dem designierten Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am 12. Februar im Reichstag in Berlin nach der Wahl zum zwölften Staatsoberhaupt einen Strauß Blumen.
    Er hat es geschafft: Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht dem designierten Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am 12. Februar im Reichstag in Berlin nach der Wahl zum zwölften Staatsoberhaupt einen Strauß Blumen. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Die Bundesversammlung wählte den 61-Jährigen mit 931 von 1239 gültigen Stimmen zum Nachfolger von Joachim Gauck (r.).
    Die Bundesversammlung wählte den 61-Jährigen mit 931 von 1239 gültigen Stimmen zum Nachfolger von Joachim Gauck (r.). © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    Steinmeier kennt zahlreiche Staatschefs noch aus seiner Zeit als Außenminister. So gilt er nun als Diplomat im Präsidentenamt. Anfang Juni empfing er den chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang in Berlin.
    Steinmeier kennt zahlreiche Staatschefs noch aus seiner Zeit als Außenminister. So gilt er nun als Diplomat im Präsidentenamt. Anfang Juni empfing er den chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang in Berlin. © dpa | Rainer Jensen
    Auch wenn Steinmeier nicht als charismatischer Menschenfänger wie sein Vorgänger Joachim Gauck bekannt ist, den Kontakt zu den Bürgern sucht er immer wieder. So etwa bei einem Besuch an seiner ehemaligen Universität in Gießen  am 12. Juni.
    Auch wenn Steinmeier nicht als charismatischer Menschenfänger wie sein Vorgänger Joachim Gauck bekannt ist, den Kontakt zu den Bürgern sucht er immer wieder. So etwa bei einem Besuch an seiner ehemaligen Universität in Gießen am 12. Juni. © dpa | Frank Rumpenhorst
    Dem Fußball kann Steinmeier auch treu bleiben. Nach dem DFB-Pokal-Finale überreichte er „seinem“ BVB den Pokal.
    Dem Fußball kann Steinmeier auch treu bleiben. Nach dem DFB-Pokal-Finale überreichte er „seinem“ BVB den Pokal. © dpa | Jan Woitas
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    Auch Deutschland darf Kritik an Israel üben

    Aber der Bundespräsident will andererseits auch klarstellen, dass die historische Verantwortung Deutschlands für den Holocaust nicht bedeutet, auf Kritik an aktueller Politik zu verzichten. Wiederholt beharrt Steinmeier in Jerusalem darauf, dass Israel nur in einer Zwei-Staaten-Lösung eine dauerhaft sichere Zukunft habe – was Netanjahu völlig anders sieht.

    Es ist ein Balanceakt, der dem erfahrenen Diplomaten Steinmeier aber gut gelingt. Zu Hilfe kommt ihm dabei Staatspräsident Reuven Rivlin. Er lädt Steinmeier und seine Ehefrau Elke Büdenbender gleich nach der Ankunft am Samstagabend zum Gang über den Mahame-Yehuda-Markt in Jerusalem ein, der zur Ausgehmeile für junge Leute geworden ist. Herzlich legt Rivlin seinem Gast den Arm um die Schulter, als er ihn durch die engen Gassen ins Lokal „Bierbazar“ führt. Eine Viertelstunde plauschen sie bei Bier und Snacks, dann drehen sie eine weitere Runde über den Markt. Immer wieder gibt es Beifall für die Präsidenten, Jugendliche berichten ihnen von Besuchen in Deutschland.

    Israels Staatspräsident lobt Gabriels Besuch

    „Das ist das frische, bunte, lebendige Israel“, freut sich Steinmeier am Tag danach. Rivlin äußert sich nur vage zu den jüngsten Spannungen, lobt aber den Besuch Gabriels vor zehn Tagen. Steinmeier nennt er einen „echten Freund Israels“. So schlecht kann es um die Beziehungen nicht stehen. Steinmeier will seinen Teil beitragen, Zweifel auszuräumen.

    Erst legen er und seine Frau Kränze an den Gräbern der israelischen Staatsmänner Yitzhak Rabin und Shimon Peres nieder, dann besuchen sie die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Präsidenten-Gattin Elke Büdenbender ist bei der Zeremonie so bewegt, dass sie immer wieder zum Taschentuch greifen muss. Steinmeier schreibt ins Gästebuch: „Unfassbare Schuld haben wir Deutsche auf uns geladen“.