Berlin. Verteidigungsministerin von der Leyen hat wegen des jüngsten Bundeswehrskandals ihre für Mittwoch geplante Reise in die USA abgesagt.

  • Verteidigungsministerin von der Leyen hat der Truppe „Führungsschwäche“ vorgeworfen
  • Der Bundeswehrverband reagiert empört auf die Kritik der Ministerin
  • Auch SPD-Chef Schulz übt heftige Kritik an von der Leyen

Wegen der Ermittlungen gegen einen terrorverdächtigen Bundeswehr-Offizier hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine für diesen Mittwoch geplante Reise in die USA kurzfristig abgesagt. „Für die Ministerin steht die Aufklärung der aktuellen Vorgänge um den Oberleutnant A. aus Illkirch im Vordergrund“, teilte das Verteidigungsministerium am Dienstag in Berlin mit.

Der Bundeswehrverband und Oppositionspolitiker hatten zuvor empört auf die Vorwürfe von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gegen die Bundeswehr im Zusammenhang mit dem rechtsextremen Offizier reagiert.

„Das kann keiner nachvollziehen, wie sich eine Ministerin jetzt sozusagen auf die Tribüne verabschiedet und über ihre Mannschaft urteilt“, sagte Verbandschef André Wüstner „MDR Aktuell“ am Montag. Das sei „unglaublich“.

„Offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“

Die CDU-Politikerin hatte die Streitkräfte scharf kritisiert. „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem, und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“, sagte sie am Sonntag im ZDF. Von der Leyen ist seit 2013 als Verteidigungsministerin Vorgesetzte der deutschen Soldaten. In einem offenen Brief an die Angehörigen der Bundeswehr schrieb sie, dass die jüngsten Skandale in der Truppe keine Einzelfälle mehr seien.

Wüstner sagte der „Augsburger Allgemeinen“: „Politiker an Bundeswehrstandorten, Menschen aus der Bundeswehr und Angehörige, viele Soldaten im Auslandseinsatz – alle sind über diese Verallgemeinerungen entsetzt.“ Wie solle man das einem Soldaten, der in Mali unter schwierigsten Bedingungen „mit zum Teil nur bedingt guter Ausrüstung“ Dienst tue, erklären, fragte Wüstner.

SPD-Kanzlerkandidat Schulz: Von der Leyen lässt Soldaten im Stich

Die Ministerin nehme weiteren Schaden im Verhältnis zwischen Politik und Bundeswehr in Kauf, ohne genau zu sagen, auf welcher Faktenlage sie kritisiere. „Ich erwarte von ihr, dass sie umgehend Transparenz schafft, wie der Vorwurf, dass die gesamte Bundeswehr ein Problem mit „Führung und Haltung“ hat, zu rechtfertigen ist“, forderte der Chef des Verbandes, der die Interessen von Soldaten in dienstlichen und sozialen Fragen vertritt.

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„Die Verteidigungsministerin müsste den aktuellen Skandal rückhaltlos aufklären und sich zugleich vor die Truppe stellen, die unter schwierigen Umständen einen harten Job macht“, sagte Schulz unserer Redaktion. „Stattdessen lässt Frau von der Leyen die ihr anvertrauten Soldatinnen und Soldaten im Stich. Dass das in der Bundewehr zu Verbitterung führt, kann ich gut verstehen.“ Schulz fügte hinzu, seit zwölf Jahren werde die Bundeswehr als „Testfeld für die Karriereambitionen von CDU- und CSU-Politikern missbraucht“.

Wehrbeauftragter des Bundestags: „Führung fängt oben an“

Auch der Wehrbeauftragte des Bundestags missbilligt die scharfe Kritik der Verteidigungsministerin. Zu dem jüngsten Skandal um einen rechtsextremen Offizier mit möglicherweise terroristischen Absichten sagte Hans-Peter Bartels, die Truppe habe „jede Menge“ Probleme. „Aber wenn Frau von der Leyen nun sagt, es gebe ein Führungsproblem, dann muss man natürlich sagen: Führung fängt oben an“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag im Bayerischen Rundfunk.

Bartels verwies darauf, dass die Ministerin in ihrer dreieinhalbjährigen Amtszeit selbst schon Weichen hätte stellen können, damit Probleme abgestellt werden. In diesem Sinne richte von der Leyen hier einen Appell an sich selbst.

Schlechte Informationspolitik innerhalb der Bundeswehr?

Von der Leyen hatte mit ihrer Kritik auf den Fall des Oberleutnants Franco A. reagiert. Er sitzt seit seiner Festnahme am Mittwoch in Frankfurt in Untersuchungshaft. Der mutmaßliche Rechtsextremist soll als Flüchtling getarnt eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben. Nach Angaben von Ermittlern führte der Mann aus Offenbach eine Liste mit möglichen Anschlagsopfern. Auch ein 24-jähriger mutmaßlicher Komplize sitzt in U-Haft.

Auch SPD-Mann Arnold beklagte ein strukturelles Problem der Bundeswehr im Umgang mit rechtsradikalen Vorkommnissen. Die Schuld daran wies er aber der politischen Führung zu. „Die Ministerin hätte schon lange gegensteuern müssen“, sagte er nach Angaben seiner Partei. Die schlechte Informationspolitik innerhalb der Bundeswehr habe mit einer verfehlten Reform des Vorgängers und heutigen Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) zu tun.

Rechtsextreme Tendenzen ignoriert

Der Verteidigungsexperte der Grünen, Omid Nouripour, warf von der Leyen vor, rechtsextreme Tendenzen in der Bundeswehr nicht wahrgenommen zu haben. Er forderte sie in der „Saarbrücker Zeitung“ auf, den Fall „gründlichst aufzuklären“ und alle Informationen auf den Tisch zu legen.

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Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte die Ministerin im „Tagesspiegel“ auf, endlich konkret zu handeln. „Worte reichen lange nicht mehr aus, der Laden gehört aufgeräumt – spätestens nach der Wahl.“ (dpa)