Berlin. Nach dem Verzicht von Frauke Petry werden die Rechten in der AfD die Richtung vorgeben. Nun droht der Partei das Aus. Ein Kommentar.

Es ist noch gar nicht lange her, dass die Alternative für Deutschland, kurz AfD, von 20 oder mehr Prozent bei der Bundestagswahl im September träumte. Es ist noch gar nicht lange her, dass sich die Parteivorsitzende Frauke Petry siegesgewiss mit europäischen Rechtspopulisten wie der Französin Marine Le Pen und dem Niederländer Geert Wilders fotografieren ließ. Und es ist noch nicht lange her, dass die AfD für ihre Anhänger wie ein echtes Gegenmodell zu den etablierten Parteien gewirkt hat.

Vergessen wir’s. Nach dem Verzicht von Frauke Petry auf jegliche Beteiligung an einer Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl wird in der AfD einmal mehr alles anders werden. Petry könnte es knapp zwei Jahre nach ihrer Wahl ins höchste Parteiamt genauso ergehen wie ihrem Vorgänger, dem Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, der inzwischen in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden ist. Wenn nicht sie als Gesicht des gemäßigten Flügels die AfD in den Bundestagswahlkampf führt, werden die Rechten in der Partei die Richtung vorgeben, also die Gruppe um Brandenburgs Alexander Gauland und Thüringens Björn Höcke. Was natürlich Folgen hätte.

Rechte in der Partei werden an die Macht drängen

Der Meinungsforscher Thomas Petersen hat sie im „Spiegel“ vor dem Verzicht von Petry treffend so beschrieben: „Würde die AfD die letzten halbwegs gemäßigten Vertreter verlieren und würden sich die Rechtsradikalen gänzlich durchsetzen, könnte die Partei ein Drittel ihrer derzeitigen Anhänger verlieren.“ Soll heißen: Selbst das Erreichen der Fünfprozenthürde ist ohne Petry nicht mehr selbstverständlich.

Gauland überrascht vom Rückzieher Petrys

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    Kommt hinzu, dass die Partei, die so anders sein will als die anderen, ausgerechnet in den entscheidenden Monaten ein Bild abgibt, wie es die Wähler überhaupt nicht mögen. Die Führung streitet, mobbt und beschimpft sich, der Kampf um die Macht in der AfD wird offen und schonungslos ausgetragen. Es ist wie immer, wenn aus Protestbewegungen Organisationen werden. Wenn es plötzlich um Posten und Mandate, um Aufmerksamkeit und Fernsehkameras geht.

    Die parteiinternen Zerwürfnisse sind deutlich unappetitlicher geworden

    Der Soziologe Robert Michels nannte diese Entwicklung das „eherne Gesetz der Oligarchie“, soll heißen: Mit der Zeit verfallen selbst Parteien, die sich als Alternativen zum Establishment sehen, in dessen Muster. Die AfD ist spätestens jetzt an diesem Punkt angekommen, die parteiinternen Zerwürfnisse sind dabei deutlich unappetitlicher als anderswo. Mit einem Satz: Auch diese neue Partei ist auf dem besten Weg, sich selbst zu zerlegen.

    Das gilt auch für den Fall, dass der Verzicht von Frauke Petry nur taktischer Natur sein sollte. Wenn die Vorsitzende damit also versucht haben sollte, ihren Widersachern zu entwischen und vor dem Parteitag am Wochenende in Köln Stimmung in eigener Sache zu machen. Selbst wenn ihr das in irgendeiner Form nützen sollte, der AfD wird es schaden, so oder so. Denn kurz vor einer Wahl braucht man keine Scharmützel, keine Haken und Tricks. Jetzt benötigt man 100-Prozent-Abstimmungen, wie sie die SPD ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz beschert hat – und nicht eine Parteiführung, die den Eindruck vermittelt, dass sie überhaupt nicht weiß, was sie tut.

    Sollte Frauke Petry pokern, ist ihr Einsatz also ein extrem hoher: Es geht um die Existenz der AfD, der bis zum Mittwoch im wahrsten Sinne des Wortes alles zuzutrauen war – nur eine Niederlage bei der Bundestagswahl nicht. Jetzt ist auch das eine Alternative.