Berlin. Donald Trump zwingt die Nato-Partner zu mehr eigenem Engagement – zu Recht. Das europäische Bündnis muss abschreckungsbereit bleiben.

Man kann wahrlich nicht behaupten, dass Amerikas neuem Präsidenten bislang besonders viel geglückt ist. Sein seltsamer Rundumschlag im Weißen Haus gegen alles und jeden fügt der rumpeligen Amtszeit jetzt ein neues, schräges Kapitel hinzu. Aber eines hat der neue Mann im Weißen Haus tatsächlich geschafft: Europas wichtigste Nato-Mitgliedstaaten stellen sich erstaunlich schnell darauf ein, sich künftig deutlich mehr um die eigene Verteidigungsfähigkeit zu kümmern. Dabei ist es kein Ruhmesblatt für Europa, dass es dazu eines Donald Trump bedurfte.

„Hackenschlagen“ vor den Amerikanern nennt das Jürgen Trittin von den Grünen. Die Linkspartei, schon immer im Anti-Bündnis-Modus – sieht sogar ein neues, „aggressives Nato-Konzept“. Beide Argumente sind erschreckend reflexhaft und schwach, wenn man nüchtern die Fakten betrachtet, die von Donald Trump und Wladimir Putin selbstbewusst geschaffen werden.

Absurd teure Armee

Nach einem Vierteljahrhundert mehr oder weniger friedvoller Beschäftigung mit sich selbst hat Russland die Erweiterung des eigenen Territoriums auf die Agenda gesetzt und seinen Nachbarn damit einen riesigen Schrecken eingejagt. Und nach Jahrzehnten als Weltpolizist haben die USA offenbar keine Lust mehr, eine absurd teure Armee bis in die letzten Winkel der Erde zu schicken, um am Ende auch für europäische Interessen zu bluten.

Der neue US-Präsident – so hört man aus Washington – weiß selbst nicht einmal exakt, wo die Bündnisgrenzen in Europa derzeit verlaufen. Aber es ist wohl noch schlimmer: Sie scheinen Donald Trump auch ziemlich egal zu sein.

Notorische Nato-Gegner

Die Nato sei „obsolet“ hat er bereits der Welt erklärt. Ein starker Satz eines amerikanischen Präsidenten, der auch durch nachträgliche Umdeutungen seines besorgten Verteidigungsministers nicht weniger beunruhigend klingt. Dass Donald Trump in seiner Kritik von Linkspartei und notorischen Nato-Gegnern jetzt unterstützt wird, macht die Sache ganz besonders absurd.

Impeachment: So kann man Trump aus dem Amt kicken

weitere Videos

    Alle Vernünftigen, die noch an das Prinzip einer solidarischen, defensiven Verteidigung demokratischer Staaten glauben, müssen jetzt rechtzeitig Vorsorge treffen. Nur so kann die Nato auch in Zukunft funktionieren und wehrhaft bleiben. Auch gegen islamistische Terroristen, die schon längst – leider auch hier in der Hauptstadt – einen unerklärten Krieg gegen den Westen führen.

    Kampfsoldaten und militärisches Gerät

    In der Debatte um die neue Verantwortung Europas geht es natürlich nicht nur um mehr Geld, das die meisten Nato-Staaten schon Donald Trumps Vorgängern versprochen hatten. Es muss auch endlich Schluss sein mit Zeiten, in denen der Steuerzahler Abermilliarden in die Rüstungsindustrie schiebt und am Ende so oft – überteuert und verspätet – untauglichen Murks herausbekommt. Das neueste Transportflugzeug der Luftwaffe war kürzlich nicht einmal in der Lage, die zierliche Verteidigungsministerin von Litauen nach Berlin zu transportieren.

    Man darf gespannt sein, was passiert, wenn mal Kampfsoldaten und militärisches Gerät schnell verlegt werden müssen. Am wichtigsten ist aber, dass Europa schnell ein neues, größeres Verantwortungsbewusstsein für die Sicherheit aus eigener Kraft entwickelt. Damit das Bündnis abschreckungsbereit bleibt, auch wenn der größte Partner aus innenpolitischen Gründen schwächelt. Sonst müssen wir Europäer im Ernstfall in Washington wirklich mit den „Hacken schlagen“ und um Beistand betteln – wenn es dann dafür nicht schon zu spät ist.