Washington. Nicht nur in den USA wird über Trumps Eignung als Präsident debattiert. Manche Psychologen attestieren ihm eine Persönlichkeitsstörung.

Als William Doherty im Sommer ein Manifest verfasste, in dem er Donald Trump die charakterliche und psychische Eignung für das Amt des Präsidenten absprach, war die Resonanz enorm.

Der Milliardär, konstatierte der Psychotherapeut an der Universität von Minnesota nach intensiver Auswertung des Wahlkampfes, „zielt auf Furcht und Wut, erfindet Geschichte neu, hat wenig übrig für die Wahrheit, entschuldigt sich nie, gibt keine Fehler zu, erniedrigt Kritiker, sieht keine Notwendigkeit zu sachlicher Überzeugung, verachtet öffentliche Institutionen wie die Gerichte, wenn sie nicht unterwürfig sind, und stachelt zur Gewalt an“.

3000 hauptberufliche Psychiater und Therapeuten in den USA unterschrieben die Warnung und sprachen sich, unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit, gegen den New Yorker Geschäftsmann aus. Obwohl Ferndiagnosen in Dohertys Zunft verpönt sind.

Zweifel an Trumps mentaler Verfassung mehren sich

Inzwischen sitzt Trump im Weißen Haus. Seine ersten zweieinhalb Wochen im Amt haben weltweit Spuren hinterlassen. Hastiges Regierungshandeln, Trump unterzeichnet unentwegt präsidiale Erlasse, die einen radikalen Neuanfang suggerieren, wechselt sich ab mit erbitterten Vendetten gegen jene, die an einem Mann verzweifeln, der sich wie selbstverständlich „phänomenal“, „brillant“ und „sagenhaft erfolgreich“ nennt. Dazu noch das erratische Beharren, dass Millionen Illegale bei der Wahl am 8. November zu seinen Ungunsten die Stimme abgegeben haben sollen. Da stimmt doch was nicht.

Inzwischen mehren sich die Stimmen, die ernsthaft an der mentalen Verfassung Trumps zweifeln. Beschreibungen wie „zwanghafter Lügner“ machen die Runde. Im Kongress unterstützen die prominenten Abgeordneten Chaffetz (Republikaner) und Pelosi (Demokraten) die Idee eines Gesetzes, das Trump zu einem psychologischen Test zwingen würde. Chaffetz bezog sich im Gespräch mit der „Washington Post“ ausdrücklich auf Trumps Verfügungsgewalt über die Atomwaffen-Arsenale.

Howard Stern, ein langjähriger Freund und Radio-Moderator, sagt, das Amt werde Trumps geistiger Gesundheit schaden. „Er will gemocht und geliebt werden. Er will, dass die Leute Beifall klatschen.“ Der Job im Weißen Haus bringe aber viel Kritik mit sich. Trumps „sensibles Ego“ könne das womöglich nicht verkraften.

Experten uneins über Trumps Geisteszustand

In Trumps Furor gegen Kritiker offenbart sich für Psychologen wie Ben Michaelis bereits jetzt ein klarer Befund. „Trump leidet an einer schweren narzisstischen Persönlichkeitsstörung.“ Sein Kollege John D. Gartner, Psychotherapeut aus Baltimore, der einst in einem Fachbuch das Innenleben von Präsident Bill Clinton öffentlich unters Mikroskop legte, geht noch einen Schritt weiter. Er hält Trump für „gefährlich psychisch krank“ und „charakterlich unfähig“, um das höchste Amt im Staat auszuüben.

Andere Kapazitäten der Branche bestreiten das. Trump zeige keine klaren Signale von „Leid“ oder „Beeinträchtigung“, so Dr. Allen Frances, ehemals Professor für Psychologie an der Duke Universität.

Trump twitter über sich und seine „Feinde“

Als Fenster in die Innenwelt des Präsidenten dient professionellen Beobachtern oft Trumps Twitter-Konto, auf das mittlerweile fast 24 Millionen Menschen mit ihrer Aufmerksamkeit einzahlen.

Studiert man die Einträge, fällt auf, dass Trump zwei Themen kennt: Sich selbst. Und seine „Feinde“. Ohne mit der Wimper zu zucken, nennt er sich den „größten Job-Produzenten, den Gott je geschaffen hat“. Wer Kritik wagt, kriegt scharfrichterliche 140 Zeichen ab. Siehe Madonna. Als die alternde Pop-Diva neulich mit der marktschreierischen Provokation hantierte, aus Protest gegen Trump das Weiße Haus in die Luft zu jagen, handelte sie sich ein „ekelhaft“ ein.

Ganz unten auf der Skala der Abgewerteten stehen Journalisten. Trump zählt sie fast ausnahmslos zu den „verlogensten menschlichen Wesen auf der Erde“. Warum? Weil sie partout nicht das Bild von ihm transportieren, das Trump von sich selbst hat. Freund Howard Stern: „Trump liebt die Medien. Er lebt für sie.“

Wie reagiert Trump, wenn er unter Druck gerät?

Eine Kostprobe für seine ausgeprägte Selbstliebe lieferte der Präsident unmittelbar nach der Amtseinführung. Vom Kapitol in Washington aus will er ein „Meer aus Menschen“ gesehen haben. „Eine Million, vielleicht 1,5 Millionen, mit Leichtigkeit.“ Als er nach der Zeremonie im Fernsehen die Vergleichsaufnahmen zu Obamas Amtseid-Szenerie 2009 sah, setzte das Gift der Kränkung ein.

Dass bei ihm entschieden weniger Menschen zusahen, wollte Trump nicht hinnehmen. Angekettet an ein übergroßes Ego, ließ er seinen Empfindungen freien Lauf. Er verdonnerte seinen Sprecher dazu, die Überbringer der Botschaft (die Medien) der „schamlosen Lüge“ zu zeihen.

Die Gier nach Bewunderung und Bestätigung. Der Hang zur Lüge. Die Fokussierung auf die eigene Popularität. Die Neigung, ausbleibende Anerkennung als feindliches Gebaren zu interpretieren, darüber hat Trumps Biograf Michael D’Antonio bereits vor vielen Jahren geschrieben. Schon damals klang das Dilemma an. Trump ist nicht „gestört“. Sondern ausnahmslos „großartig“. Schuld sind immer die, die ihn daran hindern, die Bewunderung aufzusaugen, die er so sehr begehrt. Wie reagiert so jemand als Präsident, wenn er wirklich unter Druck gerät?

US-Medien debattieren über Erklärung der Amtsunfähigkeit

In US-Medien wird längst über den vor 50 Jahren festgeschriebenen 25. Verfassungszusatz debattiert. Dort ist das Prozedere festgelegt, wie die Macht an den Vizepräsidenten übertragen wird, sollte der Präsident „unfähig sein, die Befugnisse und Pflichten seines Amtes wahrzunehmen“.

Kurz gesagt und natürlich reine Theorie: Trump teilt dem Kongress mit, dass er nicht mehr kann. Dann wird sein Vize Mike Pence mit sofortiger Wirkung „Acting President“, also amtierender Präsident. Solange bis Trump sich wieder für fit erklärt. Sollte Trump dauerhaft nicht in der Lage sein, seine Amtsunfähigkeit selbst zu beglaubigen (etwa wegen einer schweren Krankheit), kann Pence das für ihn erledigen. Die Mehrheit des Kabinetts müsste dem zustimmen. Alles graue Theorie. Aber geredet darüber wird immer öfter. Warum?

Trump hat als „Soziopath“ Wahlkampf geführt, schreibt der konservative Kommentator des „Weekly Standard“, Andrew Ferguson, im „Wall Street Journal“, „und er deutet an, auch als solcher zu regieren.“

Dekrete: Darum kann Trump durchregieren

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