München. Der NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe geht weiter. Am Dienstag wird ein psychologisches Gutachten zu ihrer Schuldfähigkeit vorgetragen.

Im NSU-Prozess wird der psychiatrische Gutachter Henning Saß von Dienstag an sein Gutachten über die Angeklagte Beate Zschäpe vortragen. Darin geht es um die Frage von Zschäpes Schuldfähigkeit und auch darum, ob das Gericht zusätzlich zu einer Haftstrafe eine Sicherungsverwahrung über sie verhängen kann.

Das Gutachten des 72 Jahre alten Mediziners gilt als letztes Beweismittel, das das Gericht für sein Urteil benötigt. Allerdings haben die Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben und mehrere Nebenkläger auch danach noch weitere Beweisanträge in Aussicht gestellt. Für das Gutachten hat das Oberlandesgericht München zwei Verhandlungstage am Dienstag und Mittwoch eingeplant.

Hass als Motiv

Zschäpe ist wegen Mittäterschaft an den zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen angeklagt, die die Bundesanwaltschaft dem NSU vorwirft. Das Motiv soll in fast allen Fällen Fremdenhass gewesen sein. Allein die Ermordung der Heilbronner Polizistin Michéle Kiesewetter soll anders motiviert gewesen sein. Hier nimmt die Anklage Hass auf den Staat und seine Repräsentanten an.

Der Prozess gegen Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ begann am 6. Mai 2013 und dauert damit inzwischen länger als dreieinhalb Jahre. Gutachter Saß war bis 2010 ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Aachen. Davor leitete er die forensische Psychiatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zum Professor habilitierte er 1986.

Die Angeklagte Beate Zschäpe bespricht sich mit ihrem Anwalt Mathias Grasel im Gerichtssaal in München.
Die Angeklagte Beate Zschäpe bespricht sich mit ihrem Anwalt Mathias Grasel im Gerichtssaal in München. © dpa | Peter Kneffel

Gutachten attestiert Schuldfähigkeit

Eine schriftliche Fassung seines Gutachtens über Zschäpe hatte Saß dem Gericht bereits vorgelegt und ihr darin Schuldfähigkeit attestiert. Auf mehr als 170 Seiten fasst er Eindrücke aus Akten und Beobachtungen im Prozessverlauf zusammen. Sprechen konnte er mit Zschäpe nicht, weil sie dazu nicht bereit war. In seiner „vorläufigen Beurteilung“ bescheinigt er Zschäpe trotz ihres „komplizierten Lebensgangs“ mit einem unbekannten Vater und „Belastungen durch das Verhalten der Mutter“.

Offen ist, wie Zschäpes Pflichtverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm auf Saß’ Gutachten reagieren werden. Sie hatten vergeblich eine Verschiebung seines Vortrags verlangt und ein Gegengutachten eines anderen Experten angekündigt. (dpa)