Damaskus. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt harren Tausende Menschen in Syriens Enklaven aus. Es bahnt sich aber ein Hoffnungsschimmer an.

Tausende Menschen in den Rebellengebieten in Ost-Aleppo warten weiter auf den Beginn der ausgesetzten Evakuierungsmission. Eine neue Vereinbarung zwischen der syrischen Führung und den Rebellen, die auch die Evakuierung weiterer belagerter Orte mit einschließe, sei ausgemacht und werde bald umgesetzt, hieß es am Samstag aus syrischen Regierungskreisen. Die Evakuierung von Ost-Aleppo war am Freitag unterbrochen worden, nachdem es erneut zu Gefechten gekommen war.

Die Führung in Damaskus und die Opposition hatten sich nach der Aussetzung der Transportfahrten durch die Regierung gegenseitig die Schuld dafür zugeschoben. Strittig war zunächst auch die Situation in den regierungstreuen schiitischen Orten Fua und Kafraja im Nordwesten Syriens. Milizen aus dem schiitischen Iran, die an der Seite der syrischen Armee kämpfen, fordern nach Angaben aus Regierungskreisen, dass im Gegenzug für die Evakuierung der Rebellengebiete Aleppos auch die Blockade dieser beiden Orte aufgehoben werden müsse.

Transport vor allem für Kranke und Verletzte

Frauen und Kinder warten mit ihrem Gepäck auf die Evakuierung im Ost-Teil von Aleppo. Zurzeit ist die Mission ausgesetzt.
Frauen und Kinder warten mit ihrem Gepäck auf die Evakuierung im Ost-Teil von Aleppo. Zurzeit ist die Mission ausgesetzt. © dpa | Ghith Sy

In Fua und Kafraja seien die Vorbereitungen für eine Evakuierung angelaufen, berichteten am Samstag die Syrische Beobachtungsgruppe für Menschenrechte und regierungsnahe Kreise übereinstimmend. Mindestens 4000 Menschen, darunter vor allem Kranke und Verletzte, sollten demnach aus den Orten herausgebracht werden. Rund 30 Busse hatten sich nach Angaben der Beobachter am Samstag bereits auf den Weg gemacht.

Neben der Evakuierungsmission in Ost-Aleppo und in den überwiegend schiitischen Orten soll auch die Belagerung durch Regime-Verbündete von zwei weiteren Städten nahe der libanesischen Grenze ausgesetzt werden, berichtete die Beobachtungsstelle.

Russland: Neue Möglichkeit für Waffenruhe

Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, der sichere Abtransport von Kämpfern aus dem Osten Aleppos habe neue Möglichkeiten für eine Waffenruhe auch in anderen Teilen Syriens eröffnet. Für einen weiteren Fortschritt müssten aber alle Seiten den Willen zu gemeinsamen Absprachen haben, sagte Sprecher Igor Konaschenkow der Agentur Interfax zufolge.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) rief alle Konfliktparteien dazu auf, den Schwebezustand für die Menschen zu beenden. „Die Bevölkerung hat genug gelitten“, sagte die Leiterin der IKRK-Mission in Syrien, Marianne Gasser, am Samstag in Aleppo.

Auch niedrige Temperaturen bereiten Sorge

Für die Menschen in der verwüsteten Stadt ist die humanitäre Situation katastrophal. Viele, die bereits aus Ost-Aleppo herausgebracht wurden, seien zunächst in provisorischen Unterkünften in Lagerhallen untergebracht. Neben den hygienischen Zuständen machen den Hilfsorganisationen auch die niedrigen Temperaturen in Nordsyrien Sorgen.

Grüne Busse warten auf Kämpfer und ihre Familien während der Evakuierung der umkämpften Zonen.
Grüne Busse warten auf Kämpfer und ihre Familien während der Evakuierung der umkämpften Zonen. © dpa | Str

Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, bezeichnete das Vorgehen des russischen Militärs in Aleppo als inakzeptabel. Nouripour sagte am Samstag auf NDR Info, Russland sei zweifelsfrei mitschuldig am Tod Tausender Zivilisten. „Es sind Phosphorbomben gefallen, es sind Bunkerbrecher gefallen auf Großgebäude. Und das alles mit der Aussage, dass man Terroristen bekämpfen würde.“

Noch einige Zehntausend in Rebellengebieten

Russland hatte als enger Verbündeter der Führung in Damaskus zusammen mit der syrischen Armee Mitte November eine Großoffensive auf die Rebellengebiete in Ost-Aleppo gestartet. Die Stadt war in den vergangenen Jahren heftig umkämpft und zwischen dem Regime im Westen und den Aufständischen im Osten geteilt. Vor der Operation hielten sich nach UN-Schätzungen 250.000 bis 300.000 Menschen in den Rebellengebieten im Osten auf, derzeit sollen es noch einige Zehntausend sein. (dpa)