Wien. Nach der Niederlage bei der Präsidentenwahl will Österreichs Rechte nicht aufgeben. Doch wie stark ist die FPÖ angeschlagen?

Schuld an der Niederlage sei „das System“. So sagt es Heinz-Christian Strache, Chef der populistischen Freiheitlichen Partei Österreichs, der FPÖ. Es ist Tag eins nach der Niederlage von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer im Kampf um das Präsidentenamt – und die Rhetorik der Rechten schwenkt schon wieder auf Angriff. „Das System hat sich noch einmal durchgesetzt“, sagte Strache. Die Wähler sollen es zugleich als Ankündigung verstehen: Das „System“ habe zum letzten Mal gewonnen.

Schuld sei diesmal die „Angstkampagne“ der anderen gewesen – und die Wahlempfehlung des bürgerlich-konservativen ÖVP-Chefs Reinhold Mitterlehner für den liberalen Gegenkandidaten Alexander Van der Bellen. Der Grünen-nahe Politiker hatte die Wahl in Österreich am Sonntag mit 51,7 Prozent gegen Hofer gewonnen. In diesem Ergebnis sind die Briefwahl-Stimmen noch nicht enthalten.

Willen des Volks verhindern

Der FPÖ-Politiker Manfred Haimbuchner sprach sogar von einem „Pyrrhussieg des Establishments, das ein Retro-Hochamt feiert“. Es ist eine Strategie der Blauen wie sie auch von der „Alternative für Deutschland“ bekannt ist: Ihre Politiker behaupten, Eliten, das Establishment aus Medien und Politik, also „das System“, würden den Willen des „Volks“ verhindern.

Die FPÖ will sich von der Niederlage bei der Präsidentenwahl nicht entmutigen lassen – denn immerhin stimmten nach dem vorläufigen Ergebnis 48,3 Prozent für den 45-jährigen Hofer. Nächstes Ziel der Partei: das Kanzleramt. Die Parlamentswahl in Österreich soll im Herbst 2018 stattfinden. FPÖ-Chef Strache schrieb auf Facebook: „2017 wird das Jahr der Freiheitlichen! Unsere Zeit kommt!“ Die Schlappe sei aber wahrscheinlich nicht ganz spurlos an den FPÖ-Anhängern vorbeigegangen.

Vier Landtagswahlen stehen an

„Heute, naja, heute geht der eine oder andere von uns vielleicht mit einer Sonnenbrille einkaufen, aber morgen arbeiten wir noch härter weiter, für unser Österreich und unsere Kinder“, so der Parteichef. Nächstes Jahr stehen in Österreich zudem vier Landtagswahlen an – ein „Testlauf“, nicht nur für die „Freiheitlichen“. Und weil die konservative ÖVP in den einzelnen Bundesländern viel stärker ist als auf Bundesebene, könnte sie dafür eintreten, dass man die Parlamentswahl vorzieht – und so von möglichen regionalen Wahlerfolgen den Schwung für den Bund aufrechterhalten.

Denn dort ist eine andere Partei derzeit Favorit: Bei den Umfragen liegt die FPÖ an erster Stelle – vor Sozialdemokraten und Konservativen. Trotz der Niederlage ihres Kandidaten Hofers gegen den 72 Jahre alten Van der Bellen. Der gewann die Wahl zum Präsidentenamt auch deshalb, weil er eine Allianz der Populismus-Gegner an seiner Seite hatte. So sagte Van der Bellen am Tag nach der Entscheidung selbst, dass sein Sieg auch eine Gegen-Reaktion auf die Wahl von Donald Trump zum US-Staatsoberhaupt war und eine klare Absage an einen Öxit – einen Ausstieg der Österreicher aus der Europäischen Union, wie Großbritannien dies durch den Brexit beschlossen hatte.

FPÖ-Gegner wählten Van der Bellen

Der 72 Jahre alte Wirtschaftsprofessor Van der Bellen verkörperte letztlich den berechenbaren Kandidaten, der im Inland nicht gleich alles auf den Kopf stellt und Österreich im Ausland würdig vertreten wird. Das sprach offenbar vor allem Frauen an. 62 Prozent der Wählerinnen votierten für ihn. Die Männer wählten dagegen mehrheitlich Hofer. Nur 44 Prozent der Van-der-Bellen-Wähler ging es laut Meinungsumfragen tatsächlich um dessen Person oder um die Partei der Grünen, viel mehr ging darum, in welche Richtung sich Österreich entwickeln werde.

Es waren die FPÖ-Gegner, die Van der Bellen wählten. Die Wahlbeteiligung stieg um 1,4 Prozent: Rund 170.000 der 6,4 Millionen Wahlberechtigten, die bei der ersten Wahl im Mai noch zu Hause geblieben waren, wählten Van der Bellen diesmal. Mehr Zustimmung konnte er auch auf dem Land erzielen – offenbar haben sich die Besuche auf Kirchtagen im Trachtenjanker gelohnt.

Österreich ist gespalten

Tatsächlich dürften die ÖVP-Bürgermeister hier eine große Rolle gespielt haben. Mit einem Plus von drei Prozentpunkten hat er nun viel mehr Legitimität als im Mai. Entscheidend war für die Wahl, dass viele Konservative diesmal Van der Bellen wählten, weil sie eine Stimme für die EU und den europäischen Gedanken abgeben wollten. Insgesamt stimmten aber nur 55 Prozent der ÖVP-Sympathisanten für den Ex-Grünen-Chef. Wähler, die sonst für die SPÖ stimmen, wählten zu 90 Prozent Van der Bellen.

Die FPÖ wird vor allem das „Ausländer-Thema“ weiter nutzen. Österreich ist nach dem Wahlkampf darin gespaltener denn je. Die einen wollen eine offene, liberale Gesellschaft, die anderen tendieren zu Autoritarismus, Nationalismus und forcieren eine abgrenzende Identitätspolitik. Um den Kampf zwischen beiden Lagern ging es eigentlich in den letzten Monaten – mit teilweise giftiger Rhetorik. Geschadet hatte das beiden Kandidaten: Sie verloren im Zuge von 50 Wochen schmutzigen Wahlkampfs laufend an Reputation und Zustimmung.

FPÖ-Mann Hofer will in sechs Jahren wieder antreten

FPÖ-Politiker Hofer kündigte trotz der Niederlage bereits an, bei der nächsten Präsidentschaftswahl in sechs Jahren wieder antreten zu wollen. „Ich sage auch, dass man in mir einen schlafenden Bären geweckt hat“, meinte er nach der Wahl. Experten rechnen nun auch damit, dass Hofer Parteichef Strache gefährlich werden könnte, denn Hofer gilt trotz seiner ebenfalls aggressiven Rhetorik noch immer als „Softie“ im Vergleich zu Strache. Nicht als Radikaler.