Berlin/Brüssel. Verkehrsminister Dobrindt und die EU haben sich auf einen Maut-Kompromiss geeinigt. Saubere Wagen werden von der Steuer entlastet.

  • Verkehrsminister Alexander Dobrindt und die EU-Kommission haben sich auf einen Kompromiss verständigt.
  • Autofahrer mit besonders schadstoffarmen Wagen sollen stärker entlastet werden
  • Maut soll trotzdem 500 Millionen Euro pro Jahr einbringen

Die EU-Kommission gibt grünes Licht für ein geändertes Modell der deutschen Pkw-Maut. Nach entsprechenden Zusagen gebe es keine rechtlichen Bedenken mehr, sagte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc nach einem Treffen mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in Brüssel.

Deutsche Autofahrer mit besonders schadstoffarmen Wagen (Euro 6) sollen eine stärkere Entlastung bei der Kfz-Steuer bekommen, als sie künftig an Pkw-Maut zahlen müssen. Das sieht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur der Kompromiss mit der EU-Kommission vor.

Auch bei den geplanten Änderungen auf Drängen der EU soll die Maut die bisher prognostizierten 500 Millionen Euro pro Jahr einbringen.

Zuvor hatte die ARD berichtet, dass sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und die EU-Kommission auf einen Kompromiss verständigt haben. Kritiker hatten Dobrindts Vorhaben immer wieder als anti-europäisch attackiert. Es ist das Prestigeprojekt seiner CSU, einst geboren als Wahlkampfhit für bayerische Bierzelte. Trotzdem bleibt vieles ungewiss – Maut-Start inklusive.

Worum ging es Dobrindt in Brüssel?

Dass es mit der „Infrastrukturabgabe“ überhaupt vorangeht, war schon eine ziemliche Überraschung. Pünktlich zum CSU-Parteitag vor vier Wochen verbreiteten Berlin und Brüssel Optimismus: Einigung in Sicht. Dabei hatte die EU-Kommission zuvor verkündet, Deutschland in Sachen Maut zu verklagen – und Dobrindt beharrte auf seinem Modell, das doch völlig rechtmäßig sei.

Nach Monaten der Verhandlung soll es nun eine Einigung geben. Dazu treffen sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und die EU-Kommissarin für Verkehr, Violeta Bulc, in Brüssel.
Nach Monaten der Verhandlung soll es nun eine Einigung geben. Dazu treffen sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und die EU-Kommissarin für Verkehr, Violeta Bulc, in Brüssel. © dpa | Soeren Stache

Dann kam Bewegung in die starren Fronten, auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schaltete sich ein. Nun will Dobrindt mit der zuständigen Kommissarin Bulc den Sack zumachen – oder, wie es offiziell von deutscher Seite heißt: „letzte Fragen“ für eine abschließende Einigung klären.

Was sieht der Kompromiss vor?

Um den Segen der EU zu bekommen, musste Dobrindt „seine“ Maut ändern. Da sind zum einen die geplanten Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland, die Brüssel tendenziell zu teuer waren. Deswegen hat das Ministerium eine stärkere Preis-Spreizung angeboten. Die bestätigte der Insider der ARD. Demnach soll es die günstigste Zehn-Tages-Maut schon für 2,50 statt 5 Euro geben. Aus den geplanten drei Preisstufen bei den Kurzzeitvignetten sollen außerdem laut ARD fünf werden.

Der ursprüngliche Plan, dass nur Inländer für ihre Maut auf den Cent genau weniger Kfz-Steuer zahlen sollen – aus EU-Sicht eine Benachteiligung von Ausländern – ist vom Tisch. Stattdessen sollen Halter von besonders umweltfreundlichen Fahrzeugen bei der Kfz-Steuer besonders stark entlastet werden. So würde die Bevorzugung deutscher Maut-Zahler und die von Kritikern immer wieder angemahnte Diskriminierung von Ausländern wegfallen.

Wie geht es weiter?

Nach der politischen Einigung wird die Brüsseler Behörde ihr Verfahren wegen Verletzung von EU-Recht erst einmal einfrieren. Praktischerweise wurde die Ende September angekündigte Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) bisher noch nicht eingereicht.

Bis das Verfahren komplett eingestellt wird, dürfte es dann noch länger dauern. Denn erst müssten die schon im deutschen Gesetzblatt stehenden Maut-Regelungen rechtlich bindend geändert werden. Und dafür wären nach dem jetzigen Endspiel in Brüssel neue Verhandlungen in der Großen Koalition in Berlin nötig.

Ist der Weg für die Maut also frei?

Wann, wie und ob die Maut kommt, bleibt vorerst in der Schwebe. Die SPD will an der Vorgabe des Koalitionsvertrags nicht rütteln lassen, dass kein deutscher Autobesitzer draufzahlt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnt, eine zusätzliche Abgabe dürfe im Saldo im Etat nicht weniger Einnahmen produzieren.

Vor allem die Niederlande und Österreich schauen als angrenzende Länder sehr genau auf die deutsche Pkw-Maut.
Vor allem die Niederlande und Österreich schauen als angrenzende Länder sehr genau auf die deutsche Pkw-Maut. © dpa | Friso Gentsch

Sehr genau beobachten dürften den Gang der Dinge auch Nachbarn wie Österreich und die Niederlande. Sollten sie zu dem Ergebnis kommen, dass die Regelungen immer noch nachteilig für ihre Bürger sind, könnten sie selbst dagegen vorgehen. Autofahrer werden die Maut ohnehin nicht so bald spüren: Dobrindt hat schon klargemacht, dass ein Start wegen der nötigen Vorbereitungen nicht mehr vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 realistisch ist. (dpa)