Berlin. Ein neues Gesetz erlaubt die Forschung mit Demenzkranken. Doch was ist genau erlaubt? Das müssen Sie jetzt zu den Arzneitests wissen.

Es ist eine umstrittene Entscheidung, die der Bundestag am Freitag getroffen hat: Forschung an schwer demenzkranken Menschen soll in Zukunft unter bestimmten Bedingungen möglich sein. Mit 357 zu 164 Stimmen bei 21 Enthaltungen beschlossen die Abgeordneten eine Änderung des Arzneimittelgesetzes. Sie erlaubt die Teilnahme von nicht entscheidungsfähigen Personen an klinischen Studien.

Was ist jetzt erlaubt?

Neu ist, dass Menschen mit Demenz an „gruppennützigen“ Studien teilnehmen können. Das sind Studien, die der Erforschung der Demenz und der Suche nach einer Therapie zur Linderung dieser Krankheit dienen, von denen der einzelne teilnehmende Patient aber nicht notwendigerweise selbst profitiert.

Die Teilnahme von zum Beispiel schwer dementen Personen an Studien war auch vor der Gesetzesänderung schon möglich. Bisher beschränkte sich das aber auf Forschung, bei denen der Patient einen persönlichen Nutzen hat, indem etwa seine Krankheit gelindert wird.

Was sind die Bedingungen?

Voraussetzung dafür, dass ein demenzkranker Mensch in eine solche Studie einbezogen werden kann, ist die vorherige Einwilligung – und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem der- oder diejenige noch im Vollbesitz der geistigen Kräfte ist. Wer in einem frühen Stadium der Demenz festlegen will, dass er später an den „gruppennützigen“ Studien teilnehmen möchte, muss sich zuerst in einem Gespräch von einem Arzt aufklären lassen.

Die Bereitschaft zur Teilnahme an den Studien muss anschließend schriftlich festgehalten werden. Außerdem muss, wenn es konkret wird und ein demenzkranker Mensch bei einer Studie mitmachen soll, der Betreuer des Betroffenen noch einmal zustimmen. „Der Wille und der Schutz des Einzelnen stehen zu jedem Zeitpunkt an erster Stelle“, sagte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).

Was passiert, wenn man seine Meinung ändert?

Wenn der Betroffene erklärt, oder auf irgendeine Art zu erkennen gibt, nicht mitmachen zu wollen, gilt das als ausdrücklicher Wunsch. Die Teilnahme an der Studie wird dann abgesagt oder, bei bereits laufenden Studien, abgebrochen. Das kann zu jedem Zeitpunkt passieren.

Was bleibt verboten?

Forschung an Menschen mit einer geistigen Behinderung, die von Geburt an nicht einwilligungsfähig sind, ist weiterhin verboten.

Warum wurde die Änderung nötig?

Der Bundestag setzt mit dem geänderten Gesetz eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2014 um. Befürworter erhoffen sich von der Forschung an und mit demenzkranken Menschen neue Therapie-Möglichkeiten. Aktuell gibt es 1,6 Millionen Menschen in Deutschland, die an Demenz leiden, und ihre Zahl wächst kontinuierlich.

Was sagen Kritiker?

Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) befürchtet, dass mit dem Gesetz der Schutz von Demenzkranken geschwächt wird. Weder Patienten noch Ärzte könnten Forschungsprojekte der Zukunft vorhersehen, sagte Schmidt. Die Kirchen hatten im Mai eine erste Fassung des Gesetzes noch scharf kritisiert und vor einer „Verzweckung“ von Patienten gewarnt.

Anders als in dieser Fassung ist in der jetzigen Version ein Aufklärungsgespräch des noch entscheidungsfähigen Betroffenen mit einem Arzt vorgesehen. Prälat Martin Dutzmann von der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) hält die jetzt beschlossene Regelung daher für einen „gangbaren Weg.“