Berlin. Der frühere „Cumhuriyet“-Chef Can Dündar fordert von Berlin deutliche Worte zur Lage in der Türkei. Nur besorgt zu sein, reiche nicht.

Der ehemalige Chefredakteur der türkischen Oppositionszeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar, hat die Reaktion der Bundesregierung auf die Verhaftungen in der Türkei kritisiert. „Die Reaktion der deutschen Regierung war wirklich schwach. Auch im Vergleich mit anderen westlichen Partnern der Türkei, wie etwa der Reaktion der USA“, sagte Dündar der „Welt“.

„Berlin hat die Verhaftungen nicht einmal verurteilt. Besorgt sein hilft uns türkischen Journalisten nicht.“ Von den europäischen Regierung erwarte er sich ein klares Signal für die Demokratie in der Türkei. „Seit Jahren sind die Europäer dauernd besorgt. Aber das ändert nichts“, sagte Dündar, der im Exil in Deutschland lebt.

„Cumhuriyet“ kritisiert Festnahmen als rechtswidrig

Die Behörden hatten am Montag 13 Mitarbeiter, darunter auch „Cumhuriyet“-Chefredakteur Murat Sabuncu, wegen angeblicher Unterstützung einer terroristischen Organisation festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft der Zeitung vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen unterstützt zu haben. Die Redaktion wies die Vorwürfe entschieden zurück und kritisierte die Festnahmen als rechtswidrig.

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte daraufhin in Berlin gesagt: „Die Bundesregierung hat wiederholt – und das will ich hier auch noch einmal tun – ihrer Sorge Ausdruck gegeben über das Vorgehen gegen Presse in der Türkei und gegen Journalisten in der Türkei.“ Pressefreiheit sei „zentral für jeden Rechtsstaat“.

„Feind der Pressefreiheit“

Reporter ohne Grenzen (ROG) zählt den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan inzwischen zu den „Feinden der Pressefreiheit“. Er kontrolliere im Zuge des derzeitigen Ausnahmezustands einen Großteil der relevanten Nachrichtenmedien in der Türkei. Außerdem seien dort mindestens 130 Journalisten im Gefängnis, mindestens 140 Medien seien geschlossen worden, teilte die Organisation mit.

Zum UN-Welttag gegen Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten (2. November) veröffentlichte ROG eine neue Liste der „Feinde der Pressefreiheit“. Neben Erdogan umfasst sie 35 Staats- und Regierungschefs, Extremisten- und Verbrecherorganisationen sowie Geheimdienste. Neu auf der Liste sind neben dem türkischen Präsidenten unter anderem auch der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi, Thailands Junta-Chef Prayut Chan-o-cha und der burundische Präsident Pierre Nkurunziza.

Zensur und Folter

Erstmals zählt ROG außerdem Saudi-Arabiens König Salman und Venezuelas Präsident Nicolas Maduro, die Huthi-Rebellen im Jemen und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) dazu. Auf die Liste setzen ROG Personen oder Organisationen, die aus ihrer Sicht in besonderer Weise für die rücksichtslose Unterdrückung der Pressefreiheit durch Zensur, willkürliche Verhaftungen, Folter und Mord stehen. (dpa)